Kann die SVP ihren vor vier Jahren an die GLP verlorenen dritten Sitz zurückholen? Diese Frage beschäftigt vor den Nationalratswahlen – vor allem wegen einer speziellen Konstellation.
Lukas Nussbaumer
Wenn die Grünliberalen am Abend des 18. Oktober feiern dürfen, weil sie ihren 2011 gewonnenen Nationalratssitz verteidigen konnten, haben sie das nicht sich selber zu verdanken. Sie müssten sich wie vor vier Jahren bei ihren Partnern, die mit der GLP eine Listenverbindung eingegangen sind, bedanken. 2011 waren dies BDP und EVP, jetzt sind es SP und Grüne.
Ausgehend vom Ergebnis der Kantonsratswahlen vom 29. März, müssten sich die GLP und auch die Grünen allerdings markant steigern. Sonst geht der von Roland Fischer gehaltene grünliberale Sitz wieder verloren – wohl an die SVP. Diese verlor ihr drittes Mandat 2011 nur ganz knapp, und bei den Kantonsratswahlen von Ende März konnte die Volkspartei ihren Wähleranteil erneut steigern – um immerhin 1,8 Prozent. Zum Vergleich: Die GLP büsste gleichentags 1,6 Prozentpunkte ein.
Nationale Wahlen lassen sich jedoch nur beschränkt mit kantonalen vergleichen. Dazu kommt ein weiterer Punkt: Heuer ist es erstmals in der Geschichte zum Schulterschluss zwischen den Erzrivalen CVP und FDP gekommen. Die «Roten» sind mit den «Schwarzen» eine Listenverbindung eingegangen, sehr zum Missfallen der SVP, die gerne zusammen mit der FDP ins Rennen gestiegen wäre. Damit hätte die SVP ihr drittes Mandat mit grosser Wahrscheinlichkeit zurückgewonnen. Jetzt ist die zweitstärkste Luzerner Partei als einzige allein auf sich gestellt. Das muss kein Nachteil sein – weil sich die Basis sagen wird: «Jetzt erst recht.»
Zugutekommen könnte der SVP auch, dass konservative CVP- und FDP-Stammwähler Mühe bekunden mit dem historischen Schulterschluss der beiden grossen Mitteparteien. Ihre Stimmen werden entweder zur SVP wandern – oder diese Wähler verzichten darauf, ihre Stimme abzugeben.
So stehen sich in gut drei Wochen drei Blöcke gegenüber: Erstens die Listenverbindung in der Mitte, bestehend aus CVP, FDP, BDP und EVP. Zweitens das Links-Bündnis mit SP, Grünen und GLP. Und drittens die SVP als Abdeckerin des Spektrums rechts der Mitte.
Gemeinsam ist den beiden ersten Blöcken, dass jeweils nur eine Partei in Form ist: In der Mitte sind das die Freisinnigen, links die Sozialdemokraten. Das ist im Vergleich zu 2011 eine komplett andere Ausgangslage. Damals befanden sich die FDP und CVP im Tief, verloren 3,4 beziehungsweise 3,1 Wählerprozente (siehe Grafik). Die CVP konnte sich inzwischen stabilisieren, die FDP durfte sich mit einem Plus von 2,1 Prozent als Siegerin der kantonalen Wahlen feiern lassen.
Auch die SVP konnte bei den kantonalen Wahlen zulegen und scheint gut gerüstet. Vor vier Jahren büsste sie bei den Nationalratswahlen noch 0,2 Prozent ein, was sie den dritten Sitz kostete. Jenen Sitz also, den die Partei nun unter allen Umständen zurückgewinnen will.
Damit stellt sich die Frage, wer innerhalb der SVP-Liste die grössten Chancen hat, neu gewählt zu werden – die Bisherigen Felix Müri und Yvette Estermann scheinen unbestritten. Die Favoritenrolle dürfte Parteipräsident und Neo-Kantonsrat Franz Grüter zukommen.
Auch bei der CVP stellt sich die Frage, wer neben den Bisherigen Ida Glanzmann und Leo Müller zum Handkuss kommen könnte. Wer den Entlebucher Sitz des nach 16 Jahren abtretenden Ruedi Lustenberger holen wird, ist allerdings ganz schwierig abzuschätzen. Gute Chancen hat sicher die Stadtluzerner Kantonsrätin Andrea Gmür. Sie erzielte bei den kantonalen Wahlen im Frühjahr das mit Abstand beste Ergebnis auf der Liste der städtischen CVP. Doch auch alt Parteipräsident Martin Schwegler, VBL-Direktor Norbert Schmassmann oder der populären Jodlerin Priska Wismer können gute Chancen eingeräumt werden.
Die anderen bisherigen Luzerner Bundesparlamentarier von FDP, SP und Grünen dürfen sich gute Chancen ausrechnen, die Wiederwahl zu schaffen. Sowohl Peter Schilliger und Albert Vitali (beide FDP) als auch Prisca Birrer-Heimo (SP) und Louis Schelbert (Grüne) scheinen unbestritten.
Dieser Eindruck kann allerdings täuschen, wie sich 2011 zeigte. Die Wiederwahl von CVP-Nationalrat Pius Segmüller galt im Vorfeld als sicher. Den Sprung nach Bern schaffte jedoch überraschend der neu angetretene Leo Müller, Segmüller wurde – wie vier Jahre zuvor Franz Brun – abgewählt. 2007 war es Quereinsteiger Segmüller, der den Bisherigen Brun aus der Grossen Kammer kegelte.
2007 Segmüller für Brun, 2011 Müller für Segmüller sowie der Sieg der GLP – und 2015? Vielleicht die Bestätigung aller Bisherigen – mit Ausnahme von GLP-Vertreter Roland Fischer. Er müsste sich dann aber nicht als parteiinterner Verlierer fühlen. Sondern als Opfer der Schwäche seiner Partei, die ihr Mandat verloren hat.