In getreuer Handarbeit fertigt Urs Welti in seinem Luzerner Atelier exklusive Schmuckstücke. Sein Lebenswerk ist ein reicher Fundus – an Schmuck wie auch Geschichten.
Mindestens fünfzig Maschinen und Geräte, Hunderte Werkzeuge und Tausende Materialteilchen sind im Atelier von Urs Welti feinsäuberlich aufgereiht. Alles hat seinen Platz, auch seine halbe Million Franken schwere Schmucksammlung, die Welti gleich zu Beginn aus dem Kassenschrank holt. Sie ist sein Stolz, das Werk aus einem ganzen Leben als Goldschmied.
Zu jedem Stück weiss er, wann er es gefertigt hat, für wen es bestimmt war und aus welchem Material es gefertigt ist. Mit Wehmut sagt der 57-Jährige: «Wenn ich einmal pensioniert bin, muss ich alles einschmelzen lassen.» Die Schmucksammlung ist sein Alterskapital, zusammen mit den vielen Geräten in seinem Atelier.
Doch vorerst will Urs Welti die Maschinen und Werkzeuge noch selber nutzen. Am heutigen Tag schleift er millimeterkleine Perlen noch winziger und setzt diese dann wieder in einen restaurierten Ring ein. Danach zeigt er, wie er aus Plastilin (eine Art Knete) eigene Formen macht. Er schleift sich rasch ein Werkzeug zurecht und bohrt Löcher in einen rechteckigen Stab, der zu einer Brosche wird.
«Am liebsten», sagt Welti, «mache ich etwas aus einem Geistesblitz heraus.» So wie im letzten Winter eine im Wald gefundene Eichel, die ihn sogleich inspiriert hat. Über zwei Dutzend Skizzen von Anhängern, Ohrringen und Ketten hat er daraufhin mit diesem Element gezeichnet. Schliesslich hat sich Urs Welti für eine Haarspange entschieden, die er mittlerweile geformt und fixiert hat. Nun lötet er das Sterlingsilber mit Sauerstoff und Wasserstoff, bevor er es mit der Fräse weiterbearbeitet.
Wenn Urs Welti sich konzentriert und sich mit sicherer Hand an die Feinarbeit seiner Schmuckstücke macht, merkt man sogleich, dass ihm sein Beruf in die Wiege gelegt wurde. Spätestens an seiner Taufe manifestierte sich dies, als sein Götti, ein Goldschmied, eine Handsäge über seinen kleinen Kopf hielt. Obwohl der Götti dem Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter nachgehen konnte, blieb die Faszination bei Urs Welti hängen. Er machte die Lehre bei einem Goldschmied in seiner Heimat Luzern und ging danach zum Studium nach Deutschland, wo er sich bis zum Gemmologen, also zum Diamantenexperten, ausbilden liess. Während zehnjähriger Wanderjahre von Betrieb zu Betrieb sammelte Welti daraufhin die nötige Berufserfahrung, bevor er sich vor 30 Jahren selbstständig machte.
Mit gekonntem Blick kann der 57-Jährige deshalb heute einen roten Turmalin problemlos unter der Lupe auf seine Echtheit überprüfen. Sein Fazit: «Der Edelstein ist rein, aber der Schliff ist nicht perfekt.»
Misstraut er einem Verkäufer des Steins, kann er bei grösseren Brillanten mittels einer eingravierten Nummer seinen Weg nachvollziehen. So erfährt er beispielsweise den letzten Käufer, oder ob der Edelstein als gestohlen gemeldet wurde. Denn einen Blutdiamanten will Welti auf keinen Fall in seinem Atelier bearbeiten. Es wäre zwar schwierig, den Goldschmied strafrechtlich zu belangen, «aber von der Branche würde man geächtet – zu Recht.» Auch schon hat er die Polizei informiert, wenn er sich bei jemandem unsicher war. Dann wurde ein angeblicher Kunde schon mal von Beamten empfangen.
Schlimmeres ist Urs Welti bis jetzt zum Glück noch nie passiert. Nur einmal wurden ihm bei einem Einbruch zwei grosse Steine gestohlen. Wären es Brillanten gewesen, hätte ein Millionenloch in Weltis Kasse geklafft. Stattdessen handelte es sich aber – ganz zum Leid der Einbrecher – um Zirkonias, eine wenige hundert Franken teure Diamantimitation.