Kommentar
Hausbesetzung auf der Allmend: Der Luzerner Stadtrat wird erneut vorgeführt

Wenige Monate nach der beendeten Hausbesetzung Auf Musegg wird erneut eine städtische Liegenschaft besetzt. Und wieder lässt der Luzerner Stadtrat sein Handeln durch eine illegale Aktion aufzwingen. Die Analyse:

Robert Knobel
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Das Haus am Murmattweg in Luzern ist seit Anfang Jahr besetzt. Bild: Corinne Glanzmann (Luzern, 02. Januar 2019)

Das Haus am Murmattweg in Luzern ist seit Anfang Jahr besetzt. Bild: Corinne Glanzmann (Luzern, 02. Januar 2019)

Robert Knobel, Leiter Ressort Stadt/Region Luzern

Robert Knobel, Leiter Ressort Stadt/Region Luzern

Die Bewohner der «Soldatenstube» auf der Allmend haben das Auslaufen ihres Mietvertrags per 31. Dezember nicht akzeptiert und wohnen nun illegal in dem Haus im «Eichwäldli» (wir berichteten). Damit sieht sich die Stadt als Eigentümerin bereits zum zweiten Mal innert weniger Monate mit einer Hausbesetzung konfrontiert. Zur Erinnerung: Im vergangenen Frühling besetzten Aktivisten eine leer stehende Remise in der Nähe der Museggmauer. Die Besetzer zogen erst ab, nachdem die Stadt ihnen versprochen hatte, nach Alternativräumen zu suchen. In Umgehung der Warteliste für Zwischennutzungen wurde dem neu gegründeten Verein «Räzel» ein paar Monate später das Stellwerk an der Horwerstrasse angeboten (wir berichteten).

Damals liess sich die Stadt ihr Handeln durch eine illegale Aktion aufzwingen. Sie sandte das Signal aus, dass es sich lohnt, auf die Barrikaden zu gehen, um die Behörden zum Einlenken zu bewegen. Prompt muss sich der Stadtrat erneut durch den zivilen Ungehorsam der Bewohner der «Soldatenstube» vorführen lassen. Er akzeptiert, dass sie sich bislang sanktionslos über verbindliche Abmachungen hinwegsetzen. Zwar hält sich der Stadtrat bezüglich seiner Eichwäldli-Strategie im Moment ziemlich bedeckt. Er begründet dies unter anderem mit einer Motion der SVP, welche «Nulltoleranz bei Hausbesetzungen» fordert. Solange die Motion hängig sei, könne man zu diesem Thema keine Auskunft geben, so der Stadtrat. Dieser Vorwand ist fadenscheinig, zumal die Motion lange vor dem aktuellen Fall eingereicht wurde.

Dennoch sind zwei Stossrichtungen der Stadt zu erkennen: Erstens sucht sie den Dialog mit den Hausbesetzern – letzte Woche fand eine Aussprache mit Baudirektorin Manuela Jost statt. Zweitens will die Stadt für Sicherheit sorgen, indem sie das baufällige Gebäude behelfsmässig stabilisiert. Auch wenn die Bewohner auf eigene Gefahr und illegal im Haus sind, ist es richtig, dass die Eigentümerin Massnahmen ergreift, um jedes Risiko auszuschliessen. Gleichzeitig deutet dies darauf hin, dass die Stadt die Hausbesetzung vorläufig tolerieren will.

Blick in die «Soldatenstube», wo die Bewohner unter anderem öffentliche Mittagstische anboten. Bild: Boris Bürgisser (Luzern, 13. Dezember 2018)

Blick in die «Soldatenstube», wo die Bewohner unter anderem öffentliche Mittagstische anboten. Bild: Boris Bürgisser (Luzern, 13. Dezember 2018)

Das wahrscheinlichste Szenario ist also folgendes: Durch die Not-Stabilisierung kann die «Soldatenstube» die nächsten Monate sicher bewohnt werden. Die Stadt wird mit den Bewohnern einen neuen Mietvertrag abschliessen, in dem diese sich verpflichten, das Haus nach Vertragsende zu verlassen. Im Gegenzug verspricht die Stadt, Nachfolgelösungen für die Bewohner zu suchen – ähnlich wie im erwähnten Fall Musegg. Eine gewaltsame Räumung ist hingegen unwahrscheinlich. Auch weil ein Polizeieinsatz mit Sicherheit ein politisches Nachspiel hätte und extremen Forderungen im links dominierten Parlament Vorschub leisten würde – erinnert sei etwa an den 2017 noch gescheiterten Vorstoss der SP, Polizeieinsätze bei Hausbesetzungen grundsätzlich zu erschweren.

Die aktuelle Krise hätte durch geschickteres Vorgehen vermieden werden können. Die Stadt hat den Bewohnern keinen klaren Wein eingeschenkt. So argumentierte sie bis zuletzt mit dem Abriss des Gebäudes, obwohl seit Herbst ein Sanierungs-Gutachten läuft. Auch die Bewohner haben ohne Not die Konfrontation gesucht, statt die Kündigung auf legalem Wege anzufechten oder eine Erstreckung zu verlangen. Umso wichtiger ist, dass der Stadtrat rasch seine eigene Haltung klärt und öffentlich macht. Damit kann er zumindest den Schaden begrenzen.