Im Juni wurde Dierikon schwer vom Unwetter getroffen. Nun nimmt der Kanton das sistierte Hochwasserschutzprojekt wieder an die Hand – und saniert sogar mehr als ursprünglich geplant.
Nach dem trockenen und heissen Sommer zeigt sich der Götzentalbach in Dierikon von seiner ruhigen Seite. Nichts deutet mehr auf seine zerstörerische Kraft hin. Diese hat der Bach am 7. Juni dieses Jahres bewiesen. Er richtete im Dierikoner Dörfli riesige Schäden an. Eine Mutter und ihre 5-jährige Tochter ertranken im Keller ihres Hauses. Weshalb sie sich zum Zeitpunkt des Unwetters dort aufgehalten hatten, bleibt gemäss Luzerner Polizei ungeklärt. Es war im Juni das zweite Mal innert zehn Monaten, dass Überschwemmungen in Dierikon grosse Schäden anrichteten. Die aufgerüttelte Bevölkerung fordert seither umso lauter, dass der Kanton das 2013 wegen Geldmangels sistierte Hochwasserschutzprojekt nun rasch umsetzt (Ausgabe vom 10. Juni).
Nun geht es tatsächlich vorwärts: Ein vom Kanton beauftragtes Ingenieurbüro hat damit begonnen, das Hochwasserschutzprojekt zu planen. Die Arbeiten wurden Mitte August vergeben, wie Albin Schmidhauser, Abteilungsleiter Naturgefahren beim Kanton Luzern, auf Anfrage bestätigt.
Bereits im Jahr 2013 hatte der Kanton ein Projekt zur Verbesserung des Hochwasserschutzes am Götzentalbach in Angriff genommen. Dieses wurde jedoch 2014 wieder gestoppt, weil der Kantonsrat die Gelder für den Hochwasserschutz gestrichen hatte. Er kürzte sie von jährlich gut 30 auf 18 Millionen Franken.
Im Gegensatz zum sistierten Projekt in Dierikon umfasst das aktuelle nun nicht mehr nur den Götzentalbach, sondern neu auch den Spechtenbach. Dieser hatte im Juni ebenfalls Schäden angerichtet. Es war zudem nicht das erste Mal, dass dieser Bach über die Ufer trat. «Aufgrund der hohen Schäden am Spechtenbach hatte der Gemeinderat Dierikon darum ersucht, parallel zum Götzentalbach auch für den Spechtenbach ein Hochwasserschutzprojekt zu planen», erklärt Schmidhauser. Zudem schätzt der Kanton das Risiko, das von diesem Bach ausgeht, als gross ein.
Zu den Kosten für den Hochwasserschutz in Dierikon kann Schmidhauser heute noch keine konkreten Angaben machen. Er rechnet aber damit, dass beide Projekte jeweils weniger als 3 Millionen Franken kosten und somit vom Regierungsrat und nicht vom Parlament genehmigt werden müssen. Auch zum Zeitplan äussert sich Albin Schmidhauser erst vage: «Die Ausarbeitung eines Projektes dieser Grössenordnung benötigt mindestens ein halbes Jahr.» Läuft alles optimal, ist ein Baustart im Herbst nächsten Jahres laut Schmidhauser realistisch. Diesen Termin hatte er bereits nach dem Unwetter vom Juni in Aussicht gestellt. Gibt es Einsprachen, wagt Albin Schmidhauser keine Prognose für den möglichen Baustart. «Es ist immer davon auszugehen, dass gegen ein Hochwasserschutzprojekt Einsprache erhoben wird», sagt er aus Erfahrung. Dies meist deshalb, weil Landwirtschafts- oder Bauland benötigt wird. Die Bauarbeiten dürften ein bis anderthalb Jahre dauern. Obwohl der Kanton nun zwei Bäche in Dierikon in Angriff nehmen will, müssen laut Albin Schmidhauser in anderen Gemeinden kaum Projekte zurückgestellt werden.
Der Dierikoner Gemeinderat ist laut Gemeindepräsident Max Hess «erfreut, dass es in Sachen Hochwasserschutz vorwärtsgeht». Es sei dem Gemeinderat ein grosses Anliegen gewesen, dass auch ein Hochwasserschutzprojekt für den Spechtenbach erarbeitet wird. «Aufgrund der Ereignisse im Juni sind diese Projekte nun auf der Prioritätenliste des Kantons nach vorne gerutscht», sagt Hess. «Die Bevölkerung steht den Projekten grundsätzlich positiv gegenüber», so Max Hess weiter. Dennoch kann er Einsprachen nicht ausschliessen: «Verständlicherweise will niemand, dass ein Bach seine Baulandparzelle halbiert.»
Die Gemeinde hatte sich noch vor dem Unwetter mit dem Kanton geeinigt, die Planung des Hochwasserschutzprojekts am Götzentalbach vorzufinanzieren. Dies ist nun nicht mehr nötig, weil der Kanton die Planung an die Hand genommen hat. Nun nimmt Dierikon drei neue Projekte in Angriff. Eines umfasst den Charenbach (Grenzbach zu Root), den Rigibach und den Grenzbach, der Dierikon und Ebikon trennt. Die beiden Nachbargemeinden sind jeweils involviert. Bei diesen drei Gewässern sind sowohl das Gefährdungspotenzial als auch die nötigen Investitionen etwas kleiner, weshalb sie vorerst in der Zuständigkeit der Gemeinden liegen. Beim Grenzbach Ebikon rechnet Max Hess beispielsweise mit Investitionen zwischen 10 000 und 30 000 Franken. Beim Charenbach sind die Kosten noch nicht abschätzbar, hier wird ein Projekt zusammen mit Root und dem Kanton aufgegleist.
Seit dem Unwetter in Dierikon sind nun rund drei Monate vergangen. Das Dorf sieht aufgeräumt aus, von der Verwüstung ist fast nichts mehr zu sehen. Doch der Schein trügt. Die Gemeinde muss die Strasse im Dörfli sowie die Strasse und die Brücke in Oberdierikon reparieren. Hinzu kommen Unwetterschäden, welche die privaten Hausbesitzer bewältigen müssen. Hess: «Wir sind noch mindestens anderthalb Jahre und mehrere Millionen Franken vom Ziel entfernt.»
Christian Glaus