HOCHWASSERSCHUTZ: Reuss-Projekt: Kanton Luzern sucht intensiv nach Ersatzland für Bauern

Bis zum Sommer sollen die überarbeiteten Pläne für das Reuss-Projekt vorliegen. Eine Herausforderung stellt für den Kanton Luzern dabei die Suche nach Ersatzland für die Bauern dar. Offene Fragen gibt es derweil auch bei der Finanzierung.

Gabriela Jordan
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Gabriela Jordan

gabriela.jordan@luzernerzeitung.ch

Seit mehreren Monaten ist es still um das rund 176 Millionen teure Hochwasserschutz- und Renaturierungsprojekt entlang der Reuss. Allerdings nur vordergründig, denn im Hintergrund arbeiten die Zuständigen in der Luzerner Kantonsverwaltung daran, das Projekt entsprechend den Empfehlungen einer externen Expertengruppe anzupassen. Letztere kam im letzten Frühling zum Schluss, dass die Stossrichtung des Projekts stimme, zahlreiche Details aber noch präziser geklärt werden müssten. So etwa, ob die geplanten Dämme ihre Schutzfunktion wirklich wahrnehmen könnten (Artikel vom 24. Mai 2017).

Die Überarbeitung würde mindestens ein halbes Jahr dauern, hiess es von Seiten des Kantons damals. Wie er auf Anfrage nun mitteilt, sollten der Projektbericht und die neuen Projektpläne bis zum Sommer bereitliegen. Nach Infoanlässen für die Direktbetroffenen dürfte die Auflage dann Anfang 2019 beginnen, die Bauphase je nach Rechtsverfahren ab 2020. «Auch wenn das Projektteam unter Hochdruck arbeitet – da es sich um ein sehr umfangreiches und komplexes Vorhaben handelt, benötigt die Überarbeitung einige Zeit», sagt Urs Zehnder, Abteilungsleiter Naturgefahren der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur.

Zur Erinnerung: Das Projekt sieht vor, den Hochwasserschutz entlang der Reuss vom Reusszopf bis zur Kantonsgrenze in Honau auf einer Länge von 13,2 Kilometern komplett zu erneuern. Hauptsächlich will man dem Fluss dabei mehr Raum geben. Bei Siedlungen und Infrastrukturen werden vorhandene Dämme erhöht, vereinzelt neue erstellt.

Ebenfalls ist eine umfassende Renaturierung vorgesehen. Dies auch, um einen möglichst hohen Bundesbeitrag für das Projekt zu erhalten (siehe Kasten). Für die Verbreiterung der Reuss sind gemäss dem Plan 28 Hektaren Wald- und Landwirtschaftsfläche sowie 37 Hektaren ungenutzter Fläche notwendig, dieses Vorhaben wird vom Expertenbericht gestützt.

Betroffen sind 30 Bauern und 20 Waldeigentümer

Wie kommt das Projektteam bei der Überarbeitung voran? Und gibt es Punkte, die dabei Kopfzerbrechen bereiten? Wie zu Beginn erwähnt, betrifft ein Thema die Höhe der Dämme: Laut Urs Zehnder werden die Schutzkonzepte an der Kleinen Emme und an der Reuss in Emmen nochmals geprüft und die Dammhöhen teils entsprechend angepasst. Was das Projektteam ebenfalls stark beschäftigt, ist die Suche nach Grundstücken in der Region, die den betroffenen Bauernbetrieben entlang der Reuss im Gegenzug für ihren Landverlust angeboten werden können. Wo sich mögliche Flächen befinden, kommuniziert der Kanton noch nicht.

Erstmals gibt er in diesem Zusammenhang aber bekannt, wie viele Direktbetroffene es überhaupt gibt: Es sind rund 30 Landwirtschaftsbetriebe und zirka 20 Waldeigentümer. Der Dialog mit ihnen habe unmittelbar nach Vorliegen des Expertenberichts im letzten Sommer begonnen. Die zentrale Frage der Reuss-Verbreiterung soll so bald geklärt werden. Wie der Kanton betont, haben Realersatzlösungen dabei Priorität, Enteignungen seien das letzte Mittel. Die Zahl der Enteignungen hängt dabei natürlich von den verfügbaren Realersatzflächen ab. Im Fall einer Landenteignung würden Bauern rund 9 Franken pro Quadratmeter erhalten. Wie unsere Zeitung kürzlich publik gemacht hat, bringt teils aber auch das bereits reservierte Ersatzland Tücken mit sich. So muss in einem Fall ein über Generationen bestehender Bauernbetrieb in Ebikon aufgelöst werden, weil der Kanton zu Gunsten des Reuss-Projekts die Pacht gekündigt hat. Die Rede ist vom Althof der Familie Birrer (Artikel vom 7. März). Nebst dem Althof hat der Kanton noch den Seehof als Realersatz eingeplant. Dessen Pächter hat bereits vor ein paar Jahren gekündigt.

Aller künftigen Verluste zum Trotz: Laut Urs Zehnder sind die Gespräche mit den betroffenen Landwirten und Waldeigentümern bisher in «guter Atmosphäre» verlaufen. Geführt hat die Gespräche allerdings nicht der Kanton selbst, sondern das Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung Hohenrain. Etwa, um einen neutralen Vermittler ins Boot zu holen? «Das Berufsbildungszentrum kennt die Bedürfnisse der betroffenen Landwirte und Waldbesitzer und kann diese bei unserer gemeinsamen Lösungsfindung und spezifisch unterstützen», so Urs Zehnder. «Unsere Zusammenarbeit mit den betroffenen Eigentümern und Pächtern hat die Expertengruppe denn auch für gut befunden. Bis konkrete Lösungen vorliegen, braucht es aber noch weitere Verhandlungsgespräche.»

Schutz für 150'000 Menschen

Urs Zehnder hebt schliesslich noch die Vorteile des Reuss-Projekts hervor. Dieses biete für 150'000 Menschen sowie für Tiere und Güter Schutz vor Hochwasser. Es schütze zudem das Grundwasser des Kantons und werte den Naherholungsraum auf.

Auslöser für das umfassende Projekt war das Hochwasser von 2005, das in den Gebieten der Kleinen Emme und der Reuss Gebäude- und Infrastrukturschäden im Wert von 345 Millionen Franken angerichtet hat. Auch entlang der Kleinen Emme wurden deshalb bereits Hochwasserschutzmassnahmen umgesetzt. Weitere sind in Planung.