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Bestnote für die Lern-App «Fliehen vor dem Holocaust»: Für das digitale Lehrmittel erhält die PH Luzern am 7. November den renommierten Worlddidac Award.
Wie führt man Klassen ans schwierige Thema der nationalsozialistischen Judenverfolgung heran? Eine Antwort auf diese Frage liefert die Lern-App «Fliehen vor dem Holocaust». Fünf Geflüchtete erzählen darin von ihrem Schicksal während des Zweiten Weltkriegs, holen als Zeitzeugen einen historischen Stoff ins Jetzt.
Die Pädagogische Hochschule (PH) Luzern hat das digitale Lehrmittel zusammen mit der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn und dem Institut «erinnern.at» in Bregenz mitentwickelt. Nun wird der Luzerner Bildungsinstitution eine grosse Ehre zuteil, wie sie am Freitag in einer Mitteilung schreibt: Am 7. November erhält die PH für ihre Zeitzeugen-App den Worlddidac Award, die «höchste Auszeichnung in der Schweizer Bildungsbranche».
Die Freude beim Verantwortlichen des Instituts für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen ist gross: «Der Award zeigt uns: Wir sind mit der Entwicklung digitaler Medien auf dem richtigen Weg», sagt Institutsleiter Peter Gautschi. «Es galt, technische Probleme zu lösen. Auch mussten wir mit unseren Partnern bei der Geldbeschaffung viele Bedenken ausräumen.»
Rund 110'000 Franken kostete die Entwicklung der App. Daran beteiligt haben sich unter anderem Stiftungen, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und das österreichische Bundesministerium für Bildung. Die Auszeichnung sei zwar nicht mit einem Preisgeld dotiert, sagt Gautschi. «Aber der Award verhilft uns zu Folgeaufträgen. Und das ist für uns sehr wertvoll, weil wir auf diese Weise am Puls der Entwicklung sind und Pionierarbeit leisten können.»
Die Macher der App sahen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass immer mehr Menschen, die die Verbrechen der Nazis noch selber erlebt haben, sterben. Fünf Zeitzeugen erzählen nun ihre Fluchtgeschichten. Die Interviews werden durch Kurzerklärungen ergänzt und in vier Aspekte gegliedert. Zwei davon wählen die Jugendlichen zur Vertiefung aus, halten ihre Reflexionen fest und erstellen damit ein eigenes Zeitzeugnis. Von Vorteil sei besonders eine Eigenschaft der App, hält die PH fest: Sie kann unabhängig vom Lern- und Wissensstand der Schüler auf der Oberstufe eingesetzt werden.
Bei der Entwicklung der App richtete die PH Luzern ihr Augenmerk auf die Verbindung von Forschung, Entwicklung, Aus- und Weiterbildung. «In der Forschung wurde ein Pilotprojekt lanciert, das den Umgang mit einer App im Unterricht dokumentierte. Aufbauend auf diesen Ergebnissen entwickelten wir schliesslich die neue Lern-App zum Thema Holocaust», so Gautschi.
Aufgeschaltet ist die App seit dem 8. Mai 2018, dem Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Bislang wurde sie rund 5000 Mal heruntergeladen – wird ein Download auf die Geräte eines Schulhauses überspielt, vervielfacht sich die Zahl möglichen Nutzer. 70 Prozent der Downloads erfolgten in der Schweiz, der Rest in Österreich und Deutschland. «In diesen Ländern haben wir Kontakt mit rund 60 Lehrerinnen und Lehrern, die uns vom Einsatz berichtet haben. Fast alle Rückmeldungen waren sehr positiv», sagt Peter Gautschi, Leiter des Instituts für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen.
2016 waren Gautschi und sein Team bereits am Gewinn des Worlddidac Award für die App «My Bourbaki Panorama» beteiligt. Diese wird im Bourbaki-Museum in Luzern verwendet und nimmt Besucher mit auf eine interaktive Reise in die Zeit des Deutsch-Französischen Krieges. «Die PH Luzern will vermehrt auf die Entwicklung digitaler Lehrmittel setzen», sagt Peter Gautschi. «Digitale Lehrmittel haben ein grosses Potenzial, das aber meist nicht ausgeschöpft wird.» Bei Schulgeschichtsbüchern seien die gedruckten Ausgaben den heute erhältlichen digitalen Lehrmitteln unter didaktischen Gesichtspunkten sogar «noch weit überlegen».
Hinweis: Die Lern-App «Fliehen vor dem Holocaust» kann man kostenlos im Playstore und im App Store downloaden. Sie kann für Windows-Geräte auch unter www.erinnern.at/app-fliehen heruntergeladen werden.
Seit 1984 vergibt die einst dafür gegründete Worlddidac-Stiftung die international anerkannte Auszeichnung für Bildungsressourcen, den Worlddidac Award. Am 7. November werden fürs Jahr 2018 34 Lehrmittel ausgezeichnet. Gemäss Stiftung soll der Award einerseits die Hersteller von Bildungsprodukten zur Entwicklung von hochqualitativen und innovativen Produkten motivieren und andererseits die stete Weiterentwicklung und damit die Verbesserung des Lernens und Lehrens unterstützen.
Der Worlddidac Award für die Lern-App «Fliehen vor dem Holocaust» der Pädagogischen Hochschule (PH) Luzern ist der erste Award für ein Projekt, welches das verantwortliche Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen in seiner sechsjährigen Geschichte selber leiten konnte. Als Kooperationspartner vom Klett und Balmer Verlag, vom Bourbaki Panorama Luzern und vom Zürcher und Münchner Studio «Docmine» für Visual Storytelling war die PH institutionell an drei weiteren Auszeichnungen beteiligt. Dazu kommen sieben weitere Preise für heutige Institutsangestellte. (fi)