Die Hochschule Luzern hat ein neues Verfahren zur Kühlung von Rechenzentren entwickelt. Dadurch wird die Klimaanlage überflüssig – und im Winter gratis geheizt.
Computer, Server und Prozessoren produzieren grosse Mengen Abwärme und müssen per Klimaanlage gekühlt werden, damit sie nicht überhitzen. Mittlerweile verursachen die weltweiten Rechenzentren zusammen rund zwei Prozent der CO2-Emissionen – so viel wie der gesamte Flugverkehr. Die Lösung gegen diesen gewaltigen Energieverbrauch könnte aus Horw kommen. In den Räumlichkeiten der Hochschule Luzern – Technik & Architektur in Horw steht ein Serverraum, der nur noch einen Bruchteil der Energie von herkömmlichen Rechenzentren verbraucht. Denn die Rechner in Horw werden nach einem neuen Verfahren auf äusserst energieeffiziente Weise gekühlt. Die Anlage in Horw wurde von der Hochschule selber entwickelt und läuft bereits seit rund einem halben Jahr. «Wir hatten seither keine einzige Panne», sagt Lukas Gasser, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule tätig ist. Denn gerade die Einfachheit der Anlage mache sie sehr robust in Bezug auf die Störungsanfälligkeit.
Dass die Hochschule gerade jetzt die Idee umgesetzt hat, hat einen einfachen Grund: Die Abteilung Informatik der Hochschule wurde kürzlich mit einem neuen Grossrechner zur Verarbeitung grosser Datenmengen ausgerüstet. «Als dieser eingebaut wurde, haben wir den Zeitpunkt genutzt, um die neue Kühlung zu installieren», sagt Beat Wellig, Dozent für Thermische Energiesysteme und Verfahrenstechnik, der das gleichnamige Kompetenzzentrum leitet. Sein Team hat das Projekt umgesetzt. Wellig: «Als Hochschule muss man als gutes Beispiel vorangehen.»
Doch wie schafften es die Forscher, den Serverraum mit einem Bruchteil der Energie zu kühlen? Erstens wird nicht der ganze Raum gekühlt, sondern nur noch die Schränke, in denen die Rechner neuerdings stehen. Die warme Luft, welche von den Geräten produziert wird, wird durch Ventilatoren direkt dort abgesaugt wo sie entsteht. Diese abgesaugte Warmluft erhitzt wiederum Wasser, das durch Rohre auf das Dach des Gebäudes in ein Kühlgerät gepumpt wird. Dieser Kühler funktioniert in etwa wie ein Durchlauferhitzer, nur umgekehrt. Das Wasser läuft durch ein Raster von kleinen Röhren, in denen das Wasser durch die Luft der Umgebung von rund 26 Grad auf etwa 24 Grad abgekühlt wird. Dieser kleine Unterschiede reicht, um die Rechner zu kühlen. Dies, weil auch die Kühlung direkt in den Schränken erfolgt und nicht der ganze Raum klimatisiert wird. Was aber, wenn die Luft im Sommer draussen heisser ist als 26 Grad? «Ab 21 Grad stellen wir auf den sogenannten Nassbetrieb um», sagt Gasser. Das heisst: Der Kühler wird mit Wasser berieselt und es kommt zur sogenannten Verdunstungskühlung. «Allerdings läuft die Kühlung nur selten im Nassbetrieb», so Gasser. In den Sommermonaten Juni bis August sei das bisher nur zu zehn Prozent der Zeit nötig gewesen.
Welches Potenzial die Anlage in Horw hat zeigt ein Blick auf die Zahlen: Rund alle zwei Jahre verdoppelt sich die globale Datenmenge und entsprechend der Bedarf an Rechenzentren, die gekühlt werden müssen. In diesem Daten-Business spielt die Schweiz kräftig mit. Seit einigen Jahren findet hier ein richtiggehender Boom von Rechenzentren statt, wie eine Studie des Instituts für Wirtschaftsstudien Basel von letztem Jahr aufzeigt. Vor allem in den Grossräumen Zürich und Genf sind in den letzten Jahren zahlreiche hochmoderne Zentren zur Lagerung von Daten aus aller Welt errichtet worden. Dabei spielt deren Kühlung, und die dafür nötige Energie, eine wichtige Rolle. Firmen suchen nach verschiedensten Lösungen. So nutzt die Firma Google bei einem ihrer neusten Rechenzentren in Finnland Meerwasser, um die Rechner zu kühlen.
Das Projekt in Horw ist nicht das einzige seiner Art in der Schweiz. Auch die Swisscom hat bereits Erfahrung mit der Luftkühlung. So werden heute bereits 650 Telefonzentralen mit Aussenluft gekühlt. «Diese Lösung ist hoch energieeffizient. Damit sparen wir 45 Millionen Kilowattstunden pro Jahr, was dem Stromverbrauch von zirka 9000 Schweizer Haushalten entspricht», schreibt Mediensprecherin Annina Merk auf Anfrage. Auch die Rechenzentren der Swisscom sollen bald mittels Luft gekühlt werden. «Diese Lösung wird künftig als Variante beim Neu- respektive Umbau von Rechenzentren mit einbezogen», so Merk. So etwa für den Neubau des Rechenzentrums Wankdorf in Bern. Statt stromfressender konventioneller Kältemaschinen nutzt Swisscom Aussenluft in einem neuartigen Verfahren. Gesammeltes Regenwasser wird dabei in den heissen Luftstrom eingebracht und entzieht ihm durch Verdunstung Wärme. Weiter wird das Rechenzentrum in den Abwärmeverbund der Stadt Bern eingebunden.
Auch in Horw will man künftig die Abwärme des Serverraums nutzen und damit zusätzlich Energie sparen. Ab kommendem Winter soll das ganze Stockwerk, in dem der Serverraum steht, mit der warmen Abluft der Rechner geheizt werden. Eine Idee, die auch bei Franz Grüter, CEO und Verwaltungsratspräsident der Firma Green.ch auf grosses Interesse stösst. «Weltweit gibt es Bemühungen, die Abwärme von Rechenzentren zu nutzen», weiss der Chef des grössten Schweizer Unternehmens in diesem Bereich. Green.ch mit Sitz im Aargauischen Brugg betreibt unter anderem das erste frei stehende und ausschliesslich kommerziell nutzbare Rechenzentrum der Schweiz in Zürich. Hier sind Wärmetauscher eingebaut worden, um die Abwärme für die Heizung eines geplanten Bürogebäudes zu nutzen. Grüter, der auch als Präsident der SVP Kanton Luzern waltet, hört zum ersten Mal vom Projekt der Hochschule. «Die Kühlung ist nicht nur aus grüner, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant. Was die Hochschule hier macht, ist sehr wegweisend.»
Gekostet hat die neue Kühlung in Horw insgesamt rund 300 000 Franken. Allerdings sind auch viele Messgeräte eingebaut, um die Wirkung der Apparatur genaustens zu untersuchen. Netto schätzt Lukas Gasser die Investitionen auf etwa 250 000 Franken, nicht wesentlich mehr als für ein konventionelles Kühlsystem. Die Zahl ist aber mit Vorsicht zu geniessen. Weil es sich um einen Prototypen handelt, ist dieser Preis gemäss Gasser kaum vergleichbar mit dem, was ein solches Kühlsystem einst auf dem Markt kosten könnte. Genauer beziffert werden können indessen die Energieersparnisse: Inklusive den gesparten Heizkosten belaufen sich diese auf rund 25 000 Franken pro Jahr.