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Wer als anerkannter Flüchtling in der Schweiz einen Job sucht, dürfte in Luzern Glück haben: Fast jeder Dritte findet hier eine Anstellung. Doch die Integrationsbestrebungen des Kantons waren schon grösser.
Der Boden des alten Hauses beim Reussport in der Stadt Luzern knarzt, es riecht nach Holz. Hier befindet sich die «Migration Co-Opera» des Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH) Zentralschweiz. Hierher kommen Erwachsene zwischen 21 und 48 Jahren, die als Flüchtlinge anerkannt oder vorläufig aufgenommen wurden und noch keine Arbeit haben.
Margaret Tesfamariam läuft strammen Schrittes ins Büro ihrer Sozialarbeiterin Sibylle Schmidt. Seit eineinhalb Jahren ist Tesfamariam in Beratung beim SAH Zentralschweiz. Die 27-jährige Äthiopierin schaut sich mit Schmidt interessiert Stelleninserate an. Auf dem Bildschirm flackern Jobbeschriebe der Migros auf: Detailhandelsfachfrau in verschiedenen Bereichen. Eigentlich hofft Tesfamariam, dass sie nächsten Sommer eine Lehre beginnen kann. Am liebsten als Fachangestellte Gesundheit im Spital. Eine Anfrage für eine Schnupperwoche ist noch ausstehend. Doch sie braucht einen Plan B, falls es damit nicht klappt.
Margaret Tesfamariam ist eine von rund 600 Flüchtlingen, die aktuell vom SAH begleitet werden. «Bis Mitte Jahr konnten wir bereits 127 Personen vermitteln», sagt Beraterin Sibylle Schmidt. Im ganzen Jahr 2016 konnten 264 Personen vermittelt werden – bei 875 Klienten. Zwei Jahre dürfen sie die Dienste des SAH Zentralschweiz in Anspruch nehmen. Schaffen sie es in dieser Zeit nicht, eine Ausbildung oder Stelle anzutreten, werden ihre Dossiers an das regionale Arbeitsvermittlungszentrum weitergeleitet.
Dem Kanton Luzern gelingt die Arbeitsintegration, wie die aktuellsten Zahlen von Ende Juli zeigen: 32,1 Prozent der anerkannten Flüchtlinge gehen einem Erwerb nach. Der schweizweite Schnitt liegt bei 24,9 Prozent. Allgemein fällt auf: Die Zentralschweiz muss sich nicht verstecken (siehe Tabelle). Der Kanton Nidwalden führt mit 45,7 Prozent die Rangliste an, ihm folgt Uri mit 40,3 Prozent, Obwalden mit 40,2 und Zug mit 36,2 Prozent.
Der Kanton Luzern ist zufrieden mit seiner Quote, wie Philippe Otzenberger, Asyl- und Flüchtlingskoordinator der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen, sagt. «Wir sind auf dem richtigen Weg mit der Arbeitsintegration, aber noch lange nicht am Ziel», sagt er. Je höher die Quote, um so besser.
Der Kanton mache einiges, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sagt Sozialarbeiterin Schmidt. Sie erwähnt etwa das Projekt «Perspektive Bau». Es ist der letzte von ehemals vier kantonalen Lehrgängen im Bau- und Logistikbereich, in der Pflege und im Gastgewerbe (Ausgabe vom 6. September).
Bei diesen Lehrgängen haben Flüchtlinge eine praxisbezogene Ausbildung erhalten und ein Praktikum absolviert. Mit dem Ziel, die Chancen auf eine Lehre oder feste Anstellung zu erhöhen. Die Erfolgsquote war hoch: 90 Prozent der Teilnehmer haben eine Lehre oder Anstellung gefunden. Christine Spychiger, Leiterin Migration Co-Opera des SAH Zentralschweiz, bedauert, dass aktuell nur noch ein Lehrgang angeboten wird: «Es braucht wieder mehr Berufskurse mit fundierter Ausbildung, sonst besteht die Gefahr, dass die Leute in prekäre Arbeitsverhältnisse geraten und die dauerhafte Ablösung von der Sozialhilfe nicht gelingt.»
Laut Otzenberger investiert der Kanton Luzern aktuell pro Person 26 000 Franken in deren berufliche Integration. Davon werden 6000 Franken vom Bund finanziert – gesamthaft sind das 10 Millionen Franken pro Jahr. «Dieses Geld ist sicher gut investiert, aber für eine nachhaltige Arbeitsintegration braucht es noch deutlich mehr Ressourcen», sagt Schmidt. «Man muss in die sprachliche Ausbildung und in qualifizierende Kurse investieren.»
Einen Deutschkurs besucht auch Margaret Tesfamariam. Gerade hat sie die B1-Prüfung absolviert – das Resultat ist noch ausstehend, doch die junge Frau ist sich eines positiven Ergebnisses sicher. «Die Prüfung war nicht so schwierig», sagt sie. Die junge Frau hatte in Äthiopien eine Lehrerausbildung absolviert und arbeitete danach als Flugbegleiterin. Ein Beruf, den sie auch in der Schweiz gerne ausführen möchte. «Ich mag den abwechslungsreichen Alltag in der Luft», sagt Tesfamariam und lächelt freundlich. Dass sie in absehbarer Zeit wieder als Flugbegleiterin arbeiten kann, ist eher unwahrscheinlich. Einerseits, weil die 27-jährige mittlerweile Mutter geworden ist, zweitens, weil sie dafür eine andere Aufenthaltsbewilligung braucht.
Tesfamariams Termin an jenem Tag ist vorbei. Nichtsdestotrotz: Sie muss weiter Bewerbungen schreiben, denn die Lehrstellen für nächsten Sommer sind schon bald besetzt. Vielleicht kann auch sie dann in einem Betrieb ihre Ausbildung beginnen.