Den Jugendtreff St. Karl gibt es seit 25 Jahren. Das Sparpaket der Stadt Luzern bedroht aber den Ausbau der erfolgreichen Jugendarbeit.
Der 14-jährige Tenzin Thinlay ist Mitglied einer achtköpfigen Bubengruppe, dem so genannten «Gents Club», der sich freitagabends im Jugi St. Karl trifft. Die Burschen quatschen, spielen und organisieren eigenständig Ausflüge. Der Grund für Tenzins Engagement? «Kollegen treffen», antwortet der Tibeter trocken. Ausserdem lerne er «Teamwork» und «Anständigkeit». Und der kirchliche Jugendarbeiter, der den «Gents Club» stets begleitet? «Ein chilliger Typ», rühmt Tenzin.
Der «chillige Typ» heisst Koni Späti (50), das Urgestein des begleiteten Jugendtreffs. Fast seit dessen Gründung lebt der dreifache Familienvater den Alltag der Jugendlichen mit: «Wir füllen zum Teil ein Manko, das Eltern hinterlassen, die kaum Zeit für ihre Kinder finden», erzählt Späti. Das habe bisweilen ganz praktische Konsequenzen: «Einige kommen nach der Schule mit einem Bärenhunger zu uns, weil sie die zehn Franken, die ihnen die Eltern fürs Mittagessen in die Hand gedrückt haben, nur für Gummibärchen ausgegeben haben.»
Seit 25 Jahren gibt es das Jugi St. Karl, das Flaggschiff der katholischen Jugendarbeit Luzerns. In der Zwischenzeit hat die offene Jugendarbeit expandiert: Sie verteilt sich neben dem Jugi St. Karl auf den «Bachstei» bei der Pauluskirche und den Standort Nord, mit Räumen im Maihof, im Würzenbach und mit dem Jugend-Mobil. Sechs Jugendarbeiter mit insgesamt 260 Stellenprozenten betreuen wöchentlich 170 Luzerner Kinder und Jugendliche und begleiten sie, wenn sie eigene Projekte wie Discos, Schminkateliers oder Fussballturniere initiieren.
Seit 2001 hat die Kirche in der Kinder- und Jugendarbeit einen gewichtigen Partner: die Stadt Luzern. Sie verfügt mittlerweile mit einem Stellenetat von 690 Prozent über mehr Ressourcen als die Kirche. Auch ihr Budget für die gesamte Quartierarbeit ist mit rund 1,1 Millionen Franken einiges höher (Kirche: 360 000 Franken, exklusive Raumkosten), wobei Teile der städtischen Gelder auch in Erwachsenen-Projekte fliessen. Kirchliche Jugendarbeit und städtische Quartierarbeit sind eng verzahnt: Die Kirche hat die längere Erfahrung und Räume, die Stadt verfügt über Fachwissen und Fachpersonal. Seit neustem teilen sich die städtische und die kirchliche Jugendarbeiterin im Maihof gar das Büro. Die Zusammenarbeit der beiden Partner, die politisch am Anfang umstritten war, ist zur Selbstverständlichkeit geworden. «Die katholische Kirche ist für uns in Luzern der Partner», sagt Claudia Huser, Leiterin der städtischen Quartierarbeit.
Die städtische Quartierarbeit verfügt mittlerweile über sieben Standorte vom Würzenbach bis Littau. Diese dienen aber nur gelegentlich als Treffpunkt für Jugendliche, eher sind es Arbeitsplätze, von wo aus die Quartierarbeit koordiniert wird. Von dort orchestrieren die städtischen Animatorinnen dezentrale Anlässe wie das Fussballturnier «Babel-Cup» und besuchen Schulen, um für den Tag der Kinderrechte oder gegen übermässigen Alkoholkonsum zu werben. Kurz: Die Stadt konkurriert die katholische Kirche bewusst nicht dort, wo diese stark ist: bei den Jugendräumen.
Besuchen denn auch andersgläubige Kinder Jugendräume der katholischen Kirche? Die Frage stelle sich in der Praxis kaum, beobachtet Petra Zeier, Leiterin der kirchlichen Jugendarbeit. «Wenn wir uns in den Schulklassen vorstellen, gibt es immer Kinder, die bereits auf uns warten und sich sofort einschreiben», berichtet Zeier. Auch ihre städtische Kollegin bestätigt den Befund: «Dass Andersgläubige kirchliche Jugendräume nicht besuchen, ist eher eine Angst der Politik», so Claudia Huser.
Die Quartierarbeit Luzerns ist erfolgreich, sowohl, was die (präventive) Wirkung bei den Kindern und Jugendlichen, als auch, was die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kirche angeht. Diese befinden sich in einem konstruktiven Wettstreit: «Wenn die katholische Jugendarbeit ihre Stellenprozente aufstockt, profitieren auch wir davon», sagt Huser. Die Kirche will ihrerseits die Stadt «in die Pflicht nehmen», so Zeier, ihren Beitrag nicht zu reduzieren.
Doch just dies droht, wenn das angekündigte Sparpaket am 22. Oktober das Stadtparlament passiert. Die geplanten Budgetkürzungen betreffen auch die Quartierarbeit: Die Stellenprozente sollen um 150 Prozent, das Budget um 180 000 Franken reduziert werden. «Es ist sehr unangenehm, ausgerechnet jetzt abzubauen», sagt Huser. «Just dieses Jahr hätten wir den Ausbau der Quartierarbeit von vier auf sieben Standorte abgeschlossen.» Am meisten gefährdet ist der Standort im Tribschenquartier, der eben erst aufgebaut wurde und sich noch in einem provisorischen Büro im Schulhaus Wartegg befindet.
Remo Wiegand