KANTON LUZERN: Prämienschub wegen Notfällen

Mehr Notfälle, mehr Personal: Die Tarife der Rettungsdienste des Luzerner Kantonsspitals sind stark gestiegen. Die Versicherungskosten werden steigen, befürchten die Krankenkassen.

Stephan Santschimitarbeit: Christian Hodel
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Zwei Rettungsdienstmitarbeiter des Luzerner Kantonsspitals besprechen eine Einsatzroute (gestellte Szene). (Archivbild Pius Amrein)

Zwei Rettungsdienstmitarbeiter des Luzerner Kantonsspitals besprechen eine Einsatzroute (gestellte Szene). (Archivbild Pius Amrein)

Wer sich zu Hause notfallmässig abholen und ins Spital überführen lässt, muss seit Anfang Oktober tiefer in die Tasche greifen. Die Kosten für einen Notfalleinsatz des Rettungsdienstes Luzerner Kantonsspital (Luks) sind gestiegen. Anstatt 250 Franken werden neu 900 Franken Grundpauschale pro Einsatz fällig. Das entspricht einem generellen Anstieg von satten 260 Prozent. Die neuen Tarifrichtlinien gelten seit August 2014 auch fürs Kantonsspital Nidwalden und voraussichtlich ab Januar 2015 auch in Uri. In anderen Kantonen wie etwa Zug (siehe Kasten) und rettungsdienstlichen Betrieben sind neue Tarife im Gespräch.

Der Kostenanstieg sei nur auf den ersten Blick so drastisch, betont auf Anfrage Christoph Konrad, der Chefarzt der Anästhesie und Rettungsmedizin im Luzerner Kantonsspital (Luks). «Die neue Grundpauschale ist umfangreicher und beinhaltet auch Positionen, die vorher neben der Grundtaxe jeweils für jeden Fall einzeln aufgeführt wurden.» Die Fahrdistanz beispielsweise oder die Wartezeit. Die Teuerung zu spüren bekommen also vor allem jene Menschen, die nahe am Spital wohnen und früher zur Grundpauschale nur wenig Kilometergeld aufwenden mussten.

13 000 Einsätze pro Jahr

Der Rettungsdienst des Luzerner Kantonsspitals mit den drei Standorten Luzern, Sursee und Wolhusen stellt gemäss eigenen Angaben für rund 340 000 Einwohner die notfallmedizinische Versorgung sicher. Dabei kommt es zu knapp 13 000 Einsätzen pro Jahr, 80 Prozent davon sind Notfälle/Rettungsdiensteinsätze, 20 Prozent sind Krankentransporte.

«Wir haben das Tarifsystem renoviert, weil es in die Jahre gekommen war», erklärt Konrad. Die Betriebskosten seien laufend gestiegen, der Betrag aber jahrelang nicht angepasst worden. «Der Rettungsdienst funktionierte seit rund fünf Jahren nicht mehr kostendeckend.» Warum war das bisherige Tarifsystem nicht mehr zeitgemäss? Primäreinsätze (Notfälle) und Sekundärdienste (Transporte zwischen Spitälern) seien nicht separat abgerechnet worden, sagt Konrad. «Neu stehen die medizinischen Leistungen und die effektiven Einsatzkosten im Zentrum.»

Kassen üben Kritik

Doch was bedeutet der Tarifanstieg für die Krankenkassen? Carole Sunier, Mediensprecherin der CSS-Versicherung: «Der neue Tarif wird sicher zu höheren Kosten führen.» Wie hoch diese jedoch ausfallen werden, könne derzeit nicht beziffert werden. Auch Astrid Brändlin, Leiterin Unternehmenskommunikation der Concordia, sagt: «Grundsätzlich führen höhere Tarife wie dieser massive Anstieg der Grundpauschale für Notfalleinsätze zu einer Kostensteigerung in der Grund- und in diesem Fall auch in der Zusatzversicherung.» Dies schlage sich «in höheren Prämien» nieder. «Stossend ist vor allem auch, dass höhere Tarife für den Rettungsdienst zu höheren Selbstkostenanteilen für diejenigen Patienten führen, die nicht zusatzversichert sind.»

Immer mehr Patienten

Beim Luks erklärt man, dass der Aufwand in der Rechnung nun adäquat abgebildet werde. «Am meisten Aufwand und damit die grössten Kosten verursachen jene Fälle, die man nicht planen kann, also die Notfälle», so Konrad. Hier sei die Nachfrage in den letzten Jahren massiv angestiegen. «Die Zunahme der Anzahl Patienten beträgt hier jährlich 3 bis 4 Prozent. Die demografische Entwicklung ist ein Grund. Ein anderer ist das verbesserte Wissen bei medizinischen Laien. Früher ging man mit einem Ziehen in der Brust – wenn überhaupt – eher zum Hausarzt. Heute wissen die Leute, dass es sich um einen Herzinfarkt handeln könnte, und wählen die Notrufnummer.»

Die Betriebskosten stiegen und steigen daher stetig. Enthalten sind darin die sogenannten Vorhalteleistungen. Konrad: «Infrastruktur, Fahrzeuge, Medikamente, medizinisches Equipment – alles muss stets in einer gewissen Breite vorhanden sein.»

Gewachsen sei auch der Personalbedarf, nicht zuletzt weil man die Strukturen dem Arbeitszeitgesetz habe anpassen müssen. Konkret: «Pikettdienste über 48 Stunden sind nicht mehr vertretbar und nicht mehr rechtens. Sie sind kostengünstiger als die Bezahlung von effektiver Präsenzzeit, die nun an ihre Stelle tritt.»

Zu oft ein Notarzt?

Den Vorwurf, dass die Voraussetzungen für das Aufbieten eines kosten­intensiven Notarztes zu grosszügig ausgelegt sind, kontert Konrad so: «Ist man bei der Disposition des Notarztes zu zurückhaltend, läuft man eher Gefahr, Patienten in lebensbedrohlichen Situationen zu verpassen.» In rund 15 Prozent aller Notfalleinsätze sei ein Notarzt dabei. Der Anteil der Notfalleinsätze mit Notarzt, in welchen dieser nicht zwingend nötig gewesen wäre, betrage wiederum rund 15 Prozent.

Die Erhöhung der Grundpauschale ermögliche zudem wichtige Neuerungen. «Wir brauchen ein gewisses Budget für die Innovation. Zum Beispiel haben wir automatisierte Reanimationssysteme eingeführt, damit liegen wir im Trend. 2015 werden wir zudem einen Storchenwagen einsetzen. Hierbei handelt es sich um ein Notfallfahrzeug, das auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet ist», so Konrad.

Günstiger: Transportfahrten

Im Gegensatz zu den nun teureren Notfalleinsätzen sind die Kosten für Sekundäreinsätze günstiger geworden. Zwar steigt die Grundpauschale von 250 auf 550 Franken. Auch hier ist neu aber die Kilometer-/Fahrzeitabrechnung integriert. «Das macht die Preise insgesamt günstiger, weil zwischen den Spitälern grundsätzlich grössere Distanzen zurückzulegen sind», erklärt Konrad. Etwa zwischen der Luzerner Höhenklinik Montana oder Zürich und Luzern. «Solche Einsätze sind eher planbar und können auf den Tag verteilt werden. Der Patient ist schon in einem Spital und wird daher bereits versorgt.» Die Kürzung der Gesamtkosten für einen Einsatz würden hier je nach Dauer zwischen 100 und 600 Franken betragen.