Wenn Fahrende spontan halten wollen: Kanton Luzern rät Bauern zu Mietzinsdepot

Für Landwirte, die Fahrenden ihre Wiese zur Verfügung stellen, haben die Behörden ein Merkblatt zusammengestellt. Tipps dürfte auch der Kanton selbst brauchen: Noch immer fehlt ein dauerhafter Standplatz.

Alexander von Däniken
Drucken
Fahrende aus Frankreich logierten im Mai während drei Wochen auf dem Littauerberg. (Bild: Boris Bürgisser (Littau, 14. Mai 2018))

Fahrende aus Frankreich logierten im Mai während drei Wochen auf dem Littauerberg. (Bild: Boris Bürgisser (Littau, 14. Mai 2018))

«Spontanhalte von Fahrenden» heisst ein aktuelles Merkblatt der Dienststelle Landwirtschaft und Wald des Kantons Luzern. Es richtet sich an Landwirte, die ihre Wiese vorübergehend Fahrenden zur Verfügung stellen wollen. Da für die durchschnittliche Dauer von rund zwei Wochen quasi ein Mietverhältnis besteht, empfiehlt der Kanton den Bauern, mit den Fahrenden einen schriftlichen Mietvertrag abzuschliessen. Auch zu einem Mietzinsdepot wird geraten. Dieses soll so hoch sein, «dass Verfehlungen der Mieter (zum Beispiel Verschmutzung des Platzes) auch nach deren Abreise aus dem Depot heraus entschädigt werden können», heisst es im Schreiben.

Die Tipps dürften auf offene Ohren stossen. Es kommt nämlich vor, dass die Fahrenden entweder die Wiese nicht so verlassen, wie sie diese angetroffen haben. Oder dass sie weniger zahlen, als vereinbart. «Einmal und nie mehr», wird eine Bäuerin aus dem Luzerner Hinterland in der Bauern-Zeitung zitiert. Die Frau, die anonym bleiben wollte, sagte aus, dass die Fahrenden ihren Mann regelrecht bearbeitet hätten, um an einen Standplatz zu kommen. Einen Tag nach der Zusage seien dann über 40 statt «etwa 30» Wohnwagen gekommen. Zwar habe ein Mietvertrag bestanden, doch dieser sei zu wenig konkret gewesen. 3000 Franken seien als Pauschale für vier Wochen vereinbart gewesen – ohne Mietzinsdepot. Das habe sich bei der Abreise gerächt.

Wegfahrt blockiert, um an 300 Franken zu kommen

Wegen ständiger Kontrollen durch die Landwirte, 80 Aren, die neu angesät werden mussten, und wegen viel hinterlassenen Unrats verlangten die Landwirte zusätzlich 300 Franken. Nach langem Ringen und Blockieren der Wegfahrt mit einem Traktor hätten die Bauern die Nachzahlung erhalten.

Neben dem Mietzinsdepot rät die zuständige kantonale Dienststelle, folgende Punkte in den Mietvertrag aufzunehmen: die maximale Anzahl der Wohnwagengespanne oder Wohnmobile, die maximale Anzahl der Personen, die Dauer des Mietverhältnisses, die genaue räumliche Eingrenzung des Platzes, die Bedingungen zur Rückgabe des Platzes und weitere Bedingungen wie verbotene Tätigkeiten oder die Einhaltung der Ruhezeiten.

Wie viele solcher Plätze die Luzerner Landwirte den Fahrenden zur Verfügung stellen, ist dem Kanton nicht bekannt. «Die Bauern müssen solche Spontanplätze dem Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement nicht melden», sagt Departementssekretär Thomas Buchmann. Grundsätzlich braucht es eine Bewilligung durch die Gemeinde. Im Frühling hatte ein Bauer vom Littauerberg Fahrenden den Platz zur Verfügung gestellt – ohne Nebenwirkungen.

Ende September läuft Vertrag für Standplatz aus

So wertvoll die Ratschläge an die Bauern sind – der Kanton dürfte auch selbst auf Hinweise angewiesen sein. Derzeit gibt es kantonsweit nur zwei Standplätze, im Gebiet Ibach der Stadt Luzern sowie in Rothenburg. Letzterer ist jedoch nur temporär: Gemäss der Vereinbarung vom Mai 2017 ist der Betrieb noch bis Ende September 2018 geregelt. Die Zeit für eine neue dauerhafte Lösung wird also knapp. Noch hat der Kanton aber keinen Standort gefunden, wie Thomas Buchmann erklärt: «Seitens Kanton sind wir weiterhin intensiv daran, dauerhafte Stand- und Durchgangsplätze zu evaluieren und zu realisieren. Zum heutigen Zeitpunkt ist aber noch nichts spruchreif.» Der Kanton werde informieren, wenn es so weit sei.

Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung Schweizer Fahrende, hat bereits im Frühling darauf gepocht, dass der Kanton schon bald eine neue Lösung anbieten muss (Ausgabe vom 15. Mai): «Fällt der Platz in Rothenburg weg, gibt es im Kanton Luzern noch genau einen Durchgangsplatz. Das ist eindeutig zu wenig.» Klar ist, dass die Behörden dazu verpflichtet sind, genügend Standplätze zur Verfügung zu stellen. Mit der Ratifizierung des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995 hat die Schweiz die hiesigen Fahrenden als eine nationale Minderheit anerkannt und sich dazu verpflichtet, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie ihre Kultur pflegen können. Auch das Bundesgericht kam im Jahr 2003 zum Schluss, dass die Nutzungsplanung Zonen und geeignete Plätze vorsehen muss, die für den Aufenthalt von Fahrenden geeignet sind und deren traditioneller Lebensweise entsprechen.

Mehr zum Thema