Kolumne Landauf, landab
Zeitgeist

In der Stadt gibt es Roller- und Velorowdys, die Essen ausliefern – auf dem Land nennt man den Lieferdienst «i d’Chehri fahren». Neuerdings fährt auch der Gesundheitsdirektor «i d’Chehri», von Dorf zu Dorf – mit dem Impftruck.

Thomas Lötscher alias Veri
Thomas Lötscher alias Veri
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Wir laufen bei Grün los am Fussgängerstreifen vor dem Bahnhof Luzern. Grün. Plötzlich rast diese Werbesäule auf Rädern zwischen uns hindurch, wie Wendy Holdener durch die Slalomstangen. Einige tänzeln zur Seite, ich als Landei erstarre vor Schreck, erkenne noch die überdimensionierte Isolierbox am Rücken. Ein Fast-Food-Kurier. Schnelles Essen also. Sehr schnelles Essen, das sich nun eine Gasse bahnt unter dem Torbogen durch mit der Skulptur «Zeitgeist».

Wir auf dem Land sind von ­dieser Stadtplage von Roller- und Velorowdys noch nicht angesteckt. Obwohl wir ihn ja erfunden haben, den Lieferdienst. Wir nennen es jedoch nicht «Just eat», «Uber eats» oder sonst wie englisch, sondern schlicht «i d’Chehri fahren». Bäcker, Metzger oder Käser halten sich auch an die Verkehrsregeln, wenn sie ihre Kundschaft zu Hause mit Frischwaren beliefern.

Zugegeben, «d’Chehri» wird, dem Zeitgeist geschuldet, auch auf dem Land seltener. So selten, dass Medien in einer Fotoreportage über die Jubiläums- oder die Abschiedstour berichten. Einem der Letzten, dem «Chehri-Hugo» im Luther­tal, widmete eine Lokalzeitung gar ein grosses Porträt.

Neuerdings fährt auch unser Gesundheitsdirektor «i d’Chehri», von Dorf zu Dorf. Klar berichten die Medien, wie er stolz posiert vor dem Impftruck. Beim Logistiker. Passt so. Wie das Impfschiff zum See in Luzern. Vielleicht folgt bald auf dem Flugplatz Emmen ein Impfjet. Eine Impfrakete würde ich nicht lancieren, sonst kommt irgendein Kritiker noch auf die Idee, das ganze Impfzeugs auf den Mond zu schiessen. Kritisieren entspricht nämlich gerade dem Zeitgeist.

Hinweis: An dieser Stelle äussern sich Gastkolumnisten und Redaktoren unserer Zeitung zu einem frei gewählten Thema.