Kolumne Schnee von gestern
Schnapszahldaten haben schlechte Karten

Wer an einem Schnapszahldatum heiratet, hat keine Garantie auf eine gute Ehe – im Gegenteil. Das lässt unseren Autor über seinen eigenen Hochzeitstag sinnieren.

Hans Graber
Hans Graber
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Am nächsten Dienstag ist der 22 .2. 22 – ein Schnapszahldatum der besonderen Art. Fünf gleiche Ziffern in einem Datum, das gibt’s in diesem Jahrhundert nie mehr. Etwelche heiratswillige Paare haben denn auch diese vorerst letzte Chance gepackt. Am Dienstag, der übrigens anscheinend auch «Tag des Gassigehens» und «Tag der Weisswurst» ist,
wird fleissig getraut.

Ob das eine gute Idee war, wird sich zeigen. Laut einer austra­lischen Studie haben Ehen, die an besonderen Daten ge­schlossen wurden, ein deutlich höheres Scheidungsrisiko, wobei dieses Risiko ja eh schon beträchtlich ist. Am meisten gefährdet – plus 18 Prozent gegenüber dem Durchschnitt – sind Paarungen, die an Schnapszahldaten amtlich besiegelt wurden. Ohne jetzt den Teufel an die Wand zu malen, ist das schon eine auffällige Häufung. Ein Paartherapeut, der zur Studie befragt wurde, vermutet, dass Leute, die an solchen Daten heiraten, vor allem auf Äusserliches Wert legen und nicht unbedingt «eine bodenstän­dige Auffassung von Liebe» haben.

Am kommenden Dienstag wird wieder im Akkord geheiratet, es ist der 22. 2.22.

Am kommenden Dienstag wird wieder im Akkord geheiratet, es ist der 22. 2.22.

Archivbild: Manuela Jans-Koch

Was es mit dieser Bodenständigkeit auf sich hat, ist mir nicht restlos klar, aber das mit den Äusserlichkeiten könnte durchaus zutreffen. Mich dünkt allgemein, dass die Bedeutung von Heiratsantrag, Polterabend, Hochzeitsfest und Hochzeitsreise extrem zugenommen hat. Möglicherweise saugt dieses Vierer­gespann derart viel Energie ab, dass danach in der Beziehung die Luft bereits etwas draussen ist. Mehr kann nicht kommen.

Wenn ich mich recht entsinne, lief es bei uns ohne Heirats­antrag ab, Polterabend gab’s auch keinen, weil meinerseits eh schon etwas viel gepoltert wurde, und die Hochzeitsreise führte von Luzern ins Kantonsspital Aarau zur Entbindung unseres ersten Sohnes. Es war nicht so, dass wir dem Baby ersparen wollten, das Licht
der Welt ausgerechnet in der stockkatholischen Innerschweiz erblicken zu müssen. In Luzern waren damals noch keine ambulanten Geburten möglich, in Aarau schon. Meine Frau wollte das so.
So konnte sie am Abend daheim wieder kochen. Doch, doch, ich habe schon auch ein wenig geholfen.

Ein spezielles Heiratsdatum hatten auch wir ausgewählt. Keine Schnapszahl, aber den längsten Tag des Jahres. 21. 6. In jenem Jahr ebenfalls ein Dienstag. Vollzogen wurde die Trauung von Signore Bossi im Valle di Muggio im Tessin. Im Gemeindebüro hingen Mandolinen an den Wänden, zwischen Aktenordnern nisteten Tauben, ein undefinier­barer Köter ging durchs Fenster ein und aus, und damit alles noch feierlicher aussah, hatte Bossi kurzerhand bombas­tische Topfpflanzen temporär vom Grotto nebenan geholt.

Der 21. 6. ist wohl etwas weniger problembeladen als eine Schnapszahl, jedenfalls hat die Ehe seit den frühen Achtzigern bis heute einigermassen gut gehalten. Obwohl das Datum leicht zu merken ist, feiern wir den Hochzeitstag nicht gross, manchmal ist er sogar Anlass für kleinere Unstimmigkeiten, denn meine Frau holt gerne das Album mit den Hochzeitsfotos hervor. Fotos von früher sind mir generell ein Gräuel. Zumindest dann, wenn ich mit drauf bin. Nicht wegzudiskutieren ist jeweils, dass da zwischenzeitlich einiges aus dem Leim gegangen, inklusive eines anhaltenden Trends zum Knitterkopf. Und ein «grauer Panther» bin ich geworden, Betonung auf «grau». Das mit dem Panther manifestiert sich eher am Rande. Panther machen grosse Sprünge, ich bin wohl doch mehr fürs Bodenständige. Alles kann man nun mal nicht haben. In diesem Sinne den Traupaaren des 22. 2. viel Glück und alles Gute.