Nachgefragt
In der Stadt Luzern sind Verkehrsstaus eine tägliche Realität. Über mögliche Lösungen wird seit Jahren debattiert. Könnte eine Seilbahn Abhilfe schaffen? Wir sprachen mit Claudio Büchel, Professor für Verkehrsplanung an der Hochschule für Technik Rapperswil und am Institut für Raumentwicklung (IRAP).
Wie wär es mit einer Seilbahn über das Luzerner Seebecken?
Grundsätzlich können Seilbahnen einen Beitrag zur Bewältigung der städtischen Mobilität leisten. Es genügt aber nicht, die Seilbahnen nur im staugeplagten Korridor zu bauen. Die Personen, die im Stau stehen, fahren in Luzern ja nicht nur etwa vom Pilatusplatz zum Luzernerhof. Seilbahnen haben dann eine Chance, wenn sie die Menschen nahe an ihr Ziel bringen oder Verbindungen anbieten, die der übrige Verkehr nur schwer anbieten kann – etwa als Zubringer zu stark verkehrsintensiven Nutzungen.
Zum Beispiel?
Eine Idee wäre zum Beispiel, den neuen Bushub Emmenbrücke per Seilbahn mit dem Kantonsspital zu verbinden.
Könnte das den geplanten Autobahnzubringer Spange Nord überflüssig machen?
Die Spange Nord übernimmt nicht nur den Verkehr von und zum Spital, sondern soll mehrere Stadtquartiere direkt an die Autobahn anbinden. Die Seilbahn könnte nur ein Element in einem umfassenden Konzept sein, damit eine valable Alternative zur Spange Nord entstehen kann.
Was sagen Sie zum Vorschlag einer Seilbahn von Kriens nach Luzern?
Bei Seilbahnen ist der Abstand der Haltestellen länger. Somit ist es schwierig, bestehende Buslinien zu ersetzen, da dann der Zugangsweg zum öffentlichen Verkehr länger wird. So könnte eine Seilbahn Kriens–Luzern die Trolleybuslinie wohl nicht ersetzen, ausser die Bevölkerung ist bereit, diese längeren Zugangswege in Kauf zu nehmen.
Wäre da eine Hochbahn, wie der jüngste Vorschlag lautet, geeigneter?
Hier gilt dieselbe Überlegung: Eine separate Infrastruktur für den ÖV ist teuer, insbesondere die Haltestellen. Bushaltestellen lassen sich ja relativ einfach im bestehenden Strassenraum unterbringen. Dies führt dazu, dass auch bei einer Hochbahn weniger Haltestellen als bei einer Buslinie bestehen würden.
Seilbahn oder Tram? Was ist besser?
Das kommt ganz auf die Situation an. Beim Tram sind sowohl kurze Haltestellenabstände als auch hohe Kapazitäten möglich. Dafür besteht die Gefahr, dass das Tram im Stau steht, wenn es die Fahrbahn mit dem Individualverkehr teilen muss. Die Seilbahn hat demgegenüber immer freie Fahrt und kann ähnliche Kapazitäten anbieten.
Gilt dies auch für den Bus?
Der Bus kann nicht so grosse Kapazitäten anbieten wie Tram oder Seilbahn. Einerseits sind auch Doppelgelenkbusse kleiner als Trams. Andererseits besteht bei Bussen, die in hoher Taktdichte fahren, die Gefahr von «Paketbildung». Das heisst, dass bei einer Verspätung einer oder mehrere nachfolgende Busse unmittelbar hinter dem verspäteten Kurs fahren. Die Fahrgäste steigen dabei immer in den vorderen Bus ein, die hinteren bleiben leer. Damit kann die theoretische Kapazität der Buslinie gar nicht ausgeschöpft werden.
Worauf gilt es beim Bau von Stadt-Seilbahnen zu achten?
Wichtig ist die Vernetzung mit dem übrigen öffentlichen Verkehr. Seilbahnen sollen das öffentliche Verkehrsnetz ergänzen. Sie sollen Lücken schliessen, Netzwerke ermöglichen, Strecken verlängern, Verbindungen schaffen, bestehende Verkehrsangebote und Strassen entlasten sowie topografische Hindernisse kostengünstig und rasch überwinden. Seilbahn-Haltestellen müssen nahe bei Parkhäusern, ÖV-Haltestellen, Bahnhof-Veloständern sein.
(hb)