KRIENS: Grosshof Gefängnis: Neubau hinter Gittern

Zwei Jahre lang war der Grosshof Gefängnis und Baustelle zugleich. Dabei ist es wohl zu einer Budgetüberschreitung gekommen, nicht aber zu einem Ausbruchversuch.

Christian Peter Meier
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So sieht eine der neuen Zellen aus. (Bild: Pius Amrein (Kriens, 16. November 2017))

So sieht eine der neuen Zellen aus. (Bild: Pius Amrein (Kriens, 16. November 2017))

Christian Peter Meier

christian.meier@luzernerzeitung.ch

Gregor Schäli nimmt sich Zeit für die Besucher von der «Luzerner Zeitung». Als Leiter des Bereichs Sicherheit und Technik führt er durch die meisten der neuen und einige der alten Gefängnisteile, öffnet Schleusen, Zellen, Innenhöfe. Er erklärt und erzählt – und vermeidet gleichzeitig jeden Kontakt zwischen Gästen und Häftlingen. Das ist zwar sehr schade, aber Teil der Abmachung: Denn beim von langer Hand vorbereiteten Termin geht es erklärtermassen um die Besichtigung der neuen Infrastruktur.

14,9 Millionen Franken hat der Luzerner Kantonsrat für den Ausbau der Justizvollzugsanstalt Grosshof in Kriens bewilligt (siehe Kasten). Was haben die Steuerzahler für das investierte Geld bekommen? Auf den ersten Blick nicht so viel. Denn von aussen sieht das von einer hohen Betonmauer umgebene Gefängnis mit angegliederter Staatsanwaltschaft noch fast so aus wie 1998, als es eröffnet wurde. Doch erste Blicke trügen oft. Im südlichen Bereich des Areals steht nun auf dem ehemaligen Rasenplatz ein zusätzlicher Bau. Drei bisherige Trakte wurden überdies um eine Etage aufgestockt. Der Grosshof erfuhr also eine klassische Verdichtung nach innen.

Kommission hatte die Platzverhältnisse kritisiert

Noch aus einem weiteren Grund fällt die Gefängniserweiterung kaum auf – sie spricht die genau gleiche architektonische Sprache wie der ursprüngliche Bau: rechte Winkel, Sichtbeton, ein identisches Farbkonzept mit überwiegend weissen Wänden, gelben Böden, blauen Farbakzenten. Eigentlich alles recht freundlich. Zumindest für alle, die es eher nüchtern mögen. Noch nicht einmal die massiven schwarzen Gitter vor den Fenstern sind hässlich – und führen trotzdem ganz klar vor Augen, dass ­eingesperrt ist, wer hier lebt. «Damit müssen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klarkommen», sagt Gregor Schäli. Doch die meisten, die sich für ­einen Job im Justizvollzug entscheiden würden, könnten sich mit dieser Arbeitsbedingung schnell arrangieren. Im Gross­hof sind das derzeit 63 Personen, die sich rund 53 Vollzeitstellen teilen.

Sie betreuen in der Regel gut hundert Häftlinge. Seit der Erweiterung verfügt der Grosshof über 104 Zellen, von denen einige wenige als Zweierzellen angelegt sind. Aber auch die Einzelzellen können bei Bedarf mit zwei Personen belegt werden. Vor der Erweiterung war das hier wegen notorischer Platznot gang und gäbe. «Nach einem Besuch im Jahr 2011 kritisierte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) unsere Platzverhältnisse, die mangelnde Bewegungsfreiheit und die fehlende Frischluftzufuhr», erinnert sich Schäli.

Der Kanton Luzern stand also unter Zugzwang, weil die NKVF die Bedingungen als nicht menschenrechtskonform und einen Ausbau als dringend notwendig erachtete. Konkret wurde das Gefängnis seither um 30 Zellen für Untersuchungshäftlinge und Personen im ­ordentlichen Vollzug ergänzt. Ausserdem entstand ein spezieller Bereich mit vier Arrestzellen für die Unterbringung ­gefährlicher Straftäter (Sicherheitsvollzug). Ergänzt wurde die Anlage schliesslich um einen grösseren Mehrzweckraum – der vorwiegend für Sportstunden genutzt wird – einen Werkraum, eine ­Bibliothek, einen Spazierhof sowie um diverse Arbeits-, Aufenthalts-, Verwaltungs- und Technikräume.

Eine Baustelle mitten im Gefängnis

Ein Gefängnis auszubauen und gleichzeitig weiterzubetreiben – das dürfte eine logistische Herausforderung gewesen sein. Gregor Schäli bestätigt dies: «Wir hatten eine eigene Schleuse mit Personenkontrolle für die Leute vom Bau. Ausserdem erfolgten die zweijährigen Bauarbeiten unter steter Überwachung und Sicherheitsbegleitung.» Die aufzustockenden Gebäude seien im Übrigen während der Bauphase fast nahtlos weitergenutzt worden. «Die Häftlinge lebten also phasenweise quasi unter der Baustelle», illustriert Schäli die Situation. Zumindest im Film käme es bei einer solchen Übungsanlage mit Sicherheit zu einem spektakulären Gefängnisausbruch. Nicht so in der Realität. Gregor Schäli: «Es ereignete sich während der ganzen Bauzeit kein einziger sicherheitsrelevanter Vorfall.»

Seit Mai herrscht im Grosshof wieder Normalbetrieb. Doch was heisst das überhaupt für einen hier Inhaftierten? Zur Beantwortung dieser Frage muss Schäli etwas ausholen: «Unsere Trakte sind eigentlich kleine Gefängnisse im Gefängnis – also in sich geschlossene und überwachte Einheiten. Für die Inhaftierten hat dies den Vorteil, dass sie sich innerhalb ihres Traktes vergleichsweise frei bewegen können – sofern sie hier im Vollzug leben. Nur während der Nacht werden sie in ihrer Zelle eingesperrt.»

Zur Illustration führt Schäli die Gäste durch den Trakt E. Was sofort auffällt: Musik schallt durch die Gänge. Einer der Häftlinge hat offensichtlich einen Putzjob gefasst und hält sich mit Hip-Hop bei Laune. Im Trakt E leben laut Schäli auf zwei Zellengeschossen insgesamt 22 Männer in einer Art Wohngemeinschaft. Ein Arbeitsgeschoss sowie ein Sozialgeschoss mit Aufenthaltsraum und Spazierhof samt Töggelikasten ergänzen den Trakt. Zum «Normal­betrieb» gehört Arbeit. Das können wie erwähnt Reinigungsarbeiten sein oder ­Küchendienste. «Die meisten Häftlinge sind aber unter Anleitung eines Arbeitsagogen mit Verpackungsaufträgen beschäftigt», so Schäli. Darauf sei der Grosshof nämlich spezialisiert.

Viele Inhaftierte bleiben nur kurz im Grosshof

Für eine anspruchsvollere Arbeit oder gar für eine berufliche Ausbildung, wie sie in anderen Gefängnissen angeboten wird, ist der Grosshof dagegen nicht ausgelegt. «Dafür bleiben die meisten Häftlinge zu wenig lang hier», erklärt Gregor Schäli. Denn wer eine langjährige Haftstrafe verbüssen müsse, werde in der ­Regel vom Grosshof in ein anderes Gefängnis verlegt.

Ein Blick in die Statistik illustriert, dass in der Tat viele Inhaftierte nur vergleichsweise kurz im Grosshof leben: So verzeichnete das Gefängnis im Jahr 2016 nicht weniger als 750 Eintritte bei 761 Austritten. 60 bis 80 Prozent der Inhaftierten seien Ausländer, ergänzt Schäli – und macht dann fast beiläufig noch eine weitere bemerkenswerte Aussage: «Es sind grundsätzlich Männer, die straffällig werden, nicht Frauen.» Entsprechend werde derzeit im Grosshof nur ein einziger kleiner Trakt für Frauen gebraucht.