Verhandlung Kriminalgericht Luzern
Sexuelle Belästigung: Eine junge Frau schwieg aus Angst, die Stelle zu verlieren – Lehrmeister streitet Vorwürfe ab

Für die damals 16-jährige Auszubildende war das Verhalten ihres Vorgesetzten ein Albtraum. Aus Angst und Scham schwieg sie zuerst. Jetzt muss sich der damalige Lehrmeister vor dem Luzerner Kriminalgericht verantworten.

Sandra Monika Ziegler
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Das Luzerner Kriminalgericht am Alpenquai.

Das Luzerner Kriminalgericht am Alpenquai.

Bild: Pius Amrein (Luzern)

Die heute 22-jährige Frau hat vor sechs Jahren eine Lehre in einem Luzerner Produktionsbetrieb begonnen. Kaum hat sie im Betrieb angefangen zu arbeiten, fing der für sie zuständige Lehrmeister an, ihr gegenüber anzügliche Kommentare zu machen, verbal und per Whatsapp. Laut Anklageschrift in der Art von: «Willst du ihn nicht gleich in den Mund nehmen» oder «entweder du oder du triibsch eini uf, ha ha».

Es sei aber nicht bei den verbalen Äusserungen geblieben, sagte die Frau bei der Einvernahme. Der knapp neun Jahre ältere Vorgesetzte habe sie auch an den Brüsten, am Hintern und im Intimbereich angefasst. Dies manchmal mehrmals am Tag. Er habe erst von ihr gelassen, wenn jemand hinzukam. Und er habe ihr mehrmals gedroht, dass, falls sie jemandem etwas davon erzähle, er ohne weiteres dafür sorgen könne, dass sie die Lehrstelle verlieren werde. Sie schwieg aus Angst.

Für sie war es eine Tortur

Die junge Frau gab eine Attacke im Keller zu Protokoll: Er habe sie an den Armen gepackt und später gegen ein Regal gedrückt und sie gegen ihren Willen geküsst. Sie habe ihm klar gesagt, er solle damit aufhören, sie wolle das nicht. Er hörte jedoch nicht auf und bedrängte sie weiter und erneut im Keller: zuerst verbal mit den Worten: «Du bist so geil, du törnst mich an, ich würde dich ...» Danach befahl er ihr mit ernster Stimme, ihm zu folgen, er müsse ihr etwas zeigen. Sie gehorchte. Zwischen zwei Paletten verlangte er von ihr orale Befriedigung. Dazu drückte er sie in die Hocke und hielt ihren Kopf fest.

Nach einiger Zeit schaffte sie es, sich zu befreien, und flüchtete weinend in die Toilette, um sich das Gesicht zu waschen. Dort traf sie auf eine andere Mitarbeiterin. Auf deren Frage, was denn los sei, sagte sie, sie habe einen Holzsplitter ins Auge bekommen. Erst zwei Wochen nach diesem Vorfall habe sie sich einer anderen Stiftin anvertraut. Es kam zur Strafanzeige. Bei der Einvernahme gab sie an, sie habe geschwiegen, weil sie Angst hatte, die Lehrstelle zu verlieren. Die sexuellen Nötigungen sollen im Zeitraum vom August 2015 bis Dezember 2016 an diversen Orten auf dem Betriebsgelände vorgefallen sein.

Für ihn war es ein Spass

Der beklagte Lehrmeister streitet die Vorwürfe der Nötigung ab. Er habe sich lediglich einen Spass mit den anzüglichen Worten gemacht. Den Vorwurf der sexuellen Nötigung, sexuellen Handlungen mit Abhängigen und sexuellen Belästigung bestreitet er. Der Strafantrag lautet auf zwölf Monate bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren.