Kantonsangestellte sind häufig Ziel von Drohungen oder gar Gewalttaten – besonders oft trifft es Polizisten. Nun reagiert der Kanton.
Beleidigungen, schriftliche Drohungen oder sogar Gewalt gibt es im Kanton Luzern gegenüber Angestellten im öffentlichen Dienst immer häufiger. Im Jahr 2014 waren es noch 188 Drohungen oder Gewalttaten, 2015 stieg die Zahl dieser Straftaten auf 200 – das sind 6 Prozent mehr. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat sich die Zahl dieser Fälle praktisch verdoppelt: 2010 waren es 106. In der ganzen Schweiz ist die Zunahme der «Gewalt und Drohung gegen Beamte» gegenüber dem Vorjahr mit 10 Prozent noch höher als in Luzern. 2015 wurden schweizweit 2800 solcher Fälle gemeldet.
Der Luzerner Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) äusserte sich dazu letzte Woche an der Medienkonferenz zur Kriminalstatistik: «Diese Entwicklung gibt uns sehr zu denken.» Die Regierung nehme das sehr ernst, sagt er.
Von den Drohungen oder Gewalttaten sind vor allem Polizisten betroffen – aber nicht ausschliesslich, wie Winiker sagt. Auch Mitarbeiter aus der Verwaltung oder der Staatsanwaltschaft wurden bereits Zielscheibe von drohenden Äusserungen, Gewalt oder etwa Vorwürfen des Amtsmissbrauchs. Oft seien es zum Beispiel Verwaltungsangestellte, die vom Parlament beschlossene Gesetze im Detail umsetzen müssten und so zur Zielscheibe würden, sagt Winiker. Es könne somit Leute aus den verschiedensten Ämtern treffen: das Bauamt wegen unpopulärer Bauvorhaben, das Betreibungsamt, das Sozialamt oder das Migrationsamt.
Kommt es zu einer Drohung, sind die Angestellten Winiker zufolge oft unsicher, ob sie diese ernst nehmen müssen oder nicht. Für viele sei dies natürlich belastend. «Ob das Gefahrenpotenzial nun wirklich da ist oder nicht, ist nicht immer leicht abzuschätzen.» Besorgnis erregend ist laut Winiker, dass die gezielte Gewalt in den letzten Jahren eine neue Dimension angenommen hat.
Als Reaktion auf die Zunahme der Gewalt und Drohungen gegen Behörden sowie andere Entwicklungen bildet die Luzerner Polizei eine Fachgruppe Gewaltschutz. Diese ist nun im Aufbau. Von dieser und der Stelle für Bedrohungsmanagement wurde bisher eine interne Schulungswoche für Fachpersonen aus der Polizei oder für weitere Personen aus Stellen, die mit Gewalt zu tun haben, durchgeführt (etwa Experten aus der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, den Strafverfolgungsbehörden sowie der Forensischen Psychiatrie). Den Teilnehmern wurden zum Beispiel verschiedene Instrumente zur Gefährdungseinschätzung vermittelt.
Andere Weiterbildungen oder Erfahrungsaustausche (zum Beispiel für Frauenhäuser oder Opferschutzstellen) werden bei Bedarf erfolgen, wie Othmar Roth, Fachgruppenchef für Gewaltschutz und Vizepräsident des Verbandes Luzerner Polizei, sagt. Die interne Schulung wurde unter anderem von ihm und von Andrea Wechlin geführt. Wechlin arbeitet als Kontaktperson für die Stelle Bedrohungsmanagement im Justiz- und Sicherheitsdepartement. Die Stelle ist ebenfalls noch relativ neu: Sie wurde vor gut einem Jahr geschaffen. Ihr Ziel ist, gefährliche Situationen – etwa auch in Schulen oder am Arbeitsplatz – frühzeitig zu erkennen und schwere Gewalttaten zu verhindern.
Hinsichtlich der gestiegenen Drohungen und der Gewalt gegen Kantonsangestellte stellt sich auch die Frage nach der Sicherheit am Arbeitsplatz. Hans-Urs Baumann, Kantonsbaumeister von der Dienststelle Immobilien, bestätigt, dass die Sensibilität nach Sicherheit in den letzten Jahren entsprechend gestiegen ist. Die Sicherheitsvorkehrungen seien nach dem Attentat in Zug im September 2001 überprüft worden. Verstärkte Sicherheitsmassnahmen wurden Baumann zufolge unter anderem bei den Gerichten, dem Regierungsgebäude, den Polizeiposten sowie den Dienststellen im Sozialbereich mit Kundenkontakt umgesetzt. Ebenfalls werde bei der geplanten zentralen Verwaltung am Seetalplatz die Sicherheit ein wichtiger Planungsbestandteil sein. Zu den Massnahmen gehören zum Beispiel Kontrollmechanismen bei den Eingängen.
Während Drohungen und Gewalt gegen Kantonsangestellte zunehmen, ist die Jugendkriminalität in Luzern in den vergangenen fünf Jahren stark rückläufig. Dies geht aus der Kriminalstatistik der Luzerner Polizei hervor.
Die häufigsten Delikte, die von Jugendlichen verübt werden, sind nach wie vor Vermögensdelikte (zum Beispiel Diebstahl, siehe Tabelle). 2011 waren es noch 277, 2015 lediglich 174. Straftaten, bei denen es um Leib und Leben geht, gingen von 76 auf 30 zurück.
Einzig Delikte gegen die sexuelle Integrität (zum Beispiel sexuelle Belästigung) sind von 9 im Jahr 2011 auf 21 im vergangenen Jahr gestiegen. Bei vielen der Fälle spielen weiche Drogen wie Marihuana oder Alkoholkonsum eine Rolle.
Laut Kripo-Chef Daniel Bussmann sind die Ursachen für den Rückgang schwer zu ergründen. Eine erhöhte Präventionsarbeit gab es im Vergleich zu früher nicht. Eine Prognose für die weitere Entwicklung zu machen, sei deshalb schwierig. Wichtig sind Bussmann zufolge insbesondere ein gutes Umfeld und Ausbildungsplätze.
gabriela jordan