Die Regeln waren klar: Der Verein Neubad kann das ehemalige Luzerner Hallenbad gratis nutzen, für die Stadt Luzern sollen aber keine Kosten anfallen. Das gilt heute nicht mehr.
Ein kleiner Posten im Budget 2016 der Stadt Luzern lässt die Stadtparlamentarier aufhorchen: Der Stadtrat plant einen Beitrag von 70 000 Franken an den Verein Neubad ein. Das Geld soll aus dem Kulturfonds, welcher mit Einnahmen aus der Billettsteuer gespiesen wird, bezahlt werden. Der Verein Neubad hat das ehemalige Hallenbad an der Bireggstrasse bis zu dessen Abriss (wohl 2020) als Zwischennutzung von der Stadt erhalten. Neben einem Gastrobetrieb finden im Neubad zahlreiche Veranstaltungen statt. Der städtische Beitrag hat die Politiker deshalb aufhorchen lassen, weil der Stadtrat bisher stets betont hatte, keine finanziellen Beiträge ans Neubad zu leisten. So schrieb er etwa 2013 in der Antwort auf eine Interpellation von Seiten der SVP: «Der Betrieb muss ohne Beitrag der Stadt funktionieren.» Auch in der Ausschreibung der Zwischennutzung wurde festgelegt, dass die Stadt keine Betriebsbeiträge leistet.
Was viele Stadtparlamentarier bisher nicht wussten: Die Luzerner Exekutive hat bereits in diesem Frühling einen Beitrag von 70 000 Franken ans «Neubad» gesprochen. Dies erklärte Rosie Bitterli Mucha, Chefin Kultur und Sport der Stadt Luzern, gegenüber unserer Zeitung. Das Geld wurde aus dem Kulturfonds entnommen. «Es handelt sich dabei nicht um einen Betriebs-, sondern einen Programmbeitrag», sagt Bitterli. Das Geld sei also nicht gedacht, um etwa die Löhne der Neubad-Mitarbeiter zu zahlen.
Die Betreiber hätten ein Gesuch um Beiträge aus dem Kulturfonds eingereicht, erklärt Bitterli. «Darauf hat der Stadtrat den Nutzen des Neubads neu beurteilt.» Er sei zum Schluss gekommen, dass die Zwischennutzung für die Stadt von grossem Wert sei und der Betrieb ein breites Publikum anspreche.
Laut Bitterli ist von den Betreibern bisher kein weiteres Gesuch um Beiträge aus dem Kulturfonds eingegangen. Man habe die 70 000 Franken vorsorglich ins Budget aufgenommen, um zu verhindern, dass wieder im laufenden Jahr ein nicht budgetierter Beitrag vom Stadtrat gesprochen werden muss. Dies auch im Sinne der Transparenz. «Der budgetierte Beitrag ist keine Zahlungsverpflichtung», hält Rosie Bitterli fest.
Wie mehrere Personen gegenüber unserer Zeitung bestätigen, war der budgetierte Beitrag ans Neubad auch Thema in der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Stadtparlaments, als diese das Budget 2016 beriet. Ein Antrag, den Beitrag zu streichen, wurde jedoch abgelehnt. Dass der Stadtrat bereits im Frühling 70 000 Franken gesprochen hat, wussten die Kommissionsmitglieder damals nicht.
Vor allem die bürgerlichen Politiker sind nicht erfreut, dass sich die Stadt nun doch finanziell an Zwischennutzungen beteiligt, wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt. Der städtische SVP-Präsident und GPK-Mitglied Peter With findet das «sehr seltsam». Dass der Stadtrat bereits Beiträge gesprochen hat, dies gegenüber der GPK aber nicht erwähnt, ärgert ihn. Mit Blick auf weitere mögliche Zwischennutzungen spricht With von einem Präjudiz: «Der Stadtrat öffnet ein Fass ohne Boden.» Der Grundsatz, wonach für die Zwischennutzung keine Miete bezahlt werden muss, sich die Stadt dafür nicht finanziell beteiligt, gelte offenbar nicht mehr. Die SVP will in der Budgetdebatte einen Antrag stellen, die 70 000 Franken fürs Neubad zu streichen.
Irritiert sind auch die GPK-Mitglieder Sonja Döbeli Stirnemann (Fraktionschefin FDP) und Franziska Bitzi Staub (Fraktionschefin CVP). «Persönlich finde ich das sehr schwierig, wenn man plötzlich die Spielregeln ändert», sagt Bitzi. «Das ist auch eine Frage des Vertrauens.» Die Art und Weise, wie der Stadtrat vorgegangen ist, sei wenig transparent.
Sonja Döbeli sagt, sie habe sich daran «extrem gestört. Der Stadtrat hat gefühlte 50-mal versprochen, dass es keine Zuschüsse gibt, und nun hält er doch nicht Wort.» Künftig müsse man in den Verträgen noch klarer regeln, dass es bei Zwischennutzungen keine städtischen Beiträge gibt.
Wenig überrascht ist GPK-Mitglied und SP-Vizepräsident Simon Roth. Die Investitionen, die der Verein Neubad tätigen musste, und die Betriebskosten seien deutlich höher als ursprünglich angenommen. Trotz der Kehrtwende des Stadtrats glaubt er nicht, dass nun ein Fass ohne Boden geöffnet wurde. «Das Neubad kann man nicht mit anderen Zwischennutzungen vergleichen. Diese sind üblicherweise viel kleiner.» Doch auch Roth übt Kritik am Stadtrat: «Er hätte von Anfang an erkennen müssen, dass das Neubad ohne städtische Gelder nicht auskommt.»
Das Neubad zählte letztes Jahr gemäss Geschäftsbericht 50 000 Besucher. Finanziell steht der Betrieb auf wackeligen Beinen, deshalb werden Gönner gesucht. Man werde während der gesamten Betriebszeit auf Drittmittel angewiesen sein, sagt Aurel Jörg, Co-Präsident des Vereins Neubad.
Christian Glaus