In ihrer aktuellen Kolumne erzählt Journalistin Luzia Mattmann von einem Erlebnis auf dem Spielplatz und sagt, weshalb sie ihre Kinder das nächste Mal wieder einfach machen lässt.
Die besten Eltern sind jene, die ihre Kinder einfach machen lassen, dachte ich immer. Kinder können auch mal allein spielen. Die mögen das. Eltern, die immer reinfunken, sind peinlich. Dann kam jener Nachmittag im Sandkasten. Der Grosse hatte seine grosse Sandschaufel dabei, die vom Grosi. Ein sehr begehrtes Stück, das gerne – auch ungefragt – ausgeliehen wird. An jenem Nachmittag war’s ein selbstsicherer Dreijähriger, der sich das Teil gekrallt hatte und munter drauflos schippte.
Der Grosse tippte mich an: «Das ist meine.» Ich: «Ja, ich weiss.» Er: «Ich will sie wiederhaben.» Ich: «Dann hol sie dir.» Er hasst solche Konfrontationen, nahm aber allen Mut zusammen und murmelte: «Ich will die wieder.» Der andere tat keinen Wank. Der Grosse kam zurück. «Er hat sie immer noch». Ich: «Du musst ihm richtig laut sagen, dass du die Schaufel willst. Und dass sie dir gehört.» Er, etwas lauter und sehr finster: «Ich will die wieder. Das ist meine.» Der andere: «Nein.» Er: «Er will sie nicht hergeben.» Ich: «Dann gehst du nochmals hin, fragst ihn nochmals und wenn er nicht will, nimmst du sie dir einfach.»
Spätestens an dieser Stelle zweifelte ich stark, ob das didaktisch und moralisch klug war. Aber ich konnte nicht mehr zurück. Im Gegenteil. Ich setzte noch einen drauf. «Wenn’s nicht klappt, komme ich.» Uiuiui. Natürlich half es nichts, der kleine Wicht klammerte sich weiter verbissen an die Schaufel, und ich stand wie ein Depp im Sandkasten und bettelte um das Spielzeug. Glücklicherweise kam endlich die Mutter. Die Schaufel war schnell weg. Der Grosse strahlte. Der andere tobte. Und ich stand belämmert im Sandkasten. Beim nächsten Mal lässt du sie einfach machen.
Hinweis: Am Freitag äussern sich jeweils Gastkolumnisten und Redaktoren unserer Zeitung zu einem frei gewählten Thema.