Landwirte, ÖV, Demokratie: Das beschäftigt die Luzerner Parteien

Ab dem kommenden Montag trifft sich der Luzerner Kantonsrat zur nächsten Session. Die sechs Fraktionen geben Einblick in Geschäfte, die sie bewegen – zum Beispiel die geplante Neuaufteilung von Strassen- und ÖV-Geldern.

Alexander von Däniken
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Blick in eine Session des Luzerner Kantonsrats.(Bild: Dominik Wunderli, Luzern, 11. September 2017)

Blick in eine Session des Luzerner Kantonsrats.
(Bild: Dominik Wunderli, Luzern, 11. September 2017)

Sollen Landwirte in Berggebieten vom Gewerbestatus profitieren? Soll ein Teil der Mittel für den Strassenbau für den öffentlichen Verkehr verwendet werden? Antworten auf diese Fragen gibt es am nächsten Montag, am Dienstag und am Montag, 17. September. Dann tagt der Luzerner Kantonsrat. Auch traktandiert sind zweite Beratungen und verschiedene Vorstösse. Unsere Zeitung berichtet während der Session online über die wichtigsten Ergebnisse (www.luzernerzeitung.ch).

Hinweis: Die Kantonsratssession (Bahnhofstrasse 15, Luzern) ist öffentlich und dauert an den Montagen von 9 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr, am Dienstag von 9 bis 11.30 Uhr.

CVP: Gewerbegrenze bei Bauernhöfen senken

Pius Kaufmann, Kantonsrat CVP, Wiggen. (Bild: PD)

Pius Kaufmann, Kantonsrat CVP, Wiggen. (Bild: PD)

Die Zahl der Luzerner Bauernhöfe hat zwischen 2000 und 2016 um einen Fünftel abgenommen, am stärksten im Berggebiet. Mit dem «Agrarpaket Herbst 2015» des Bundes wurde die Anpassung der Standardarbeitskräfte (SAK) an den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft umgesetzt. Deshalb haben Betriebe mit den genau gleichen Kenngrössen nun aus technischen Gründen tiefere SAK-Zahlen und verlieren den Gewerbestatus. Höfe mit Gewerbestatus haben im Bezug auf das bäuerliche Bodenrecht mehr Spielraum. Punkto Raumplanung können beispielsweise Einrichtungen für Agrotourismus so bewilligt werden. Der Bund gibt den Kantonen die Möglichkeit die Gewerbegrenze zu senken.
Mit der Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes soll dieser Spielraum nun im Berggebiet ausgenutzt werden. So kann dem Ziel im kantonalen Richtplan, dass in Gemeinden mit traditioneller Streubauweise und Abwanderungstendenzen die Dauerbesiedlung gezielt gefördert, nachgelebt werden. Innovative Bauern sollen nicht gebremst werden und von einfacheren Bewilligungsverfahren profitieren.
Wer etwa einen Stall für Schlafen im Stroh umnutzen will, soll dies machen können. Die CVP hat sich bei Erarbeitung und Überweisung, der dafür nötigen Motion eingesetzt und unterstützt nun die Gesetzesanpassung. Es gilt, das Gleichgewicht zwischen Stadt und Land zu erhalten.

SVP: Finger weg vom Honigtopf!

Daniel Keller, Kantonsrat SVP, Udligenswil. (Bild: PD)

Daniel Keller, Kantonsrat SVP, Udligenswil. (Bild: PD)

Die Botschaft 132 verlangt eine «Neuregelung der Mittelverwendung für Strassen und ÖV». Oder mit anderen Worten: Der Kanton will mit zweckgebundenen Mitteln für den Strassenbau Löcher in der Staatskasse stopfen.
Eine Reduktion des zweckgebundenen Anteils kommt für die SVP grundsätzlich nicht in Frage. Das Strassenbauprogramm muss auch in Zukunft zwingend durch ein zweckgebundenes Finanzierungsprogramm sichergestellt werden. Dieses System hat sich in der Vergangenheit bewährt. Bricht man dieses Tabu, fehlen künftig Millionen im Strassenbau für Unterhalt, Planung und die Umsetzung wichtiger Projekte! Für die grossen und kostenintensiven Projekte in der Luzerner Agglomeration werden die Mittel sehr wohl noch reichen.
Die Landgemeinden dürften aber in der Endloswarteschleife auf die Realisierung ihrer Projekte aus dem Strassenbauprogramm noch viel länger warten müssen. Darum Finger weg vom Honigtopf: Keine Zweckentfremdung der Gelder für den Strassenbau- und Unterhalt! Aus diesem Grund hat die SVP in der vorberatenden Kommission, der Verkehrs- und Baukommission, den Antrag gestellt, auf dieses Geschäft erst gar nicht einzutreten. Dem Antrag wurde klar zugestimmt, der finale Entscheid des Kantonsrats steht nun an.

FDP: Notfallpauschale - Ein erster Schritt

Herbert Widmer, Kantonsrat FDP, Luzern. (Bild: PD)

Herbert Widmer, Kantonsrat FDP, Luzern. (Bild: PD)

Der Kostenanstieg im Gesundheitswesen wird heftig diskutiert und kritisiert. Eine Expertengruppe schlug vor allem eine Deckelung der Ausgaben mittels der Einführung eines Globalbudgets und von Sanktionen bei Nichterreichen vor, Politiker haben sich dieser Idee teilweise angeschlossen. Bei Patientenorganisationen, Krankenkassen, Pflegepersonal, Spitex, Spitälern, Ärzten und anderen fand man dafür keine Unterstützung. Nachdem die Gründe für den Kostenanstieg bisher nicht tiefgehend analysiert wurden, sollten diese Aufgabe an die Hand genommen und Massnahmen eingeleitet werden. Die Jahresberichte der Spitäler zeigen, dass immer mehr Leute – vor allem Junge und Ausländer – direkt in deren Notfallstationen gehen, da sie keinen Hausarzt haben oder nicht auf einen Termin warten wollen. Dies führt in diesem Bereich zu zwei bis drei Mal höheren Ausgaben.
Eine vom Patienten zu tragende Notfallpauschale soll dazu beitragen, dass vor allem echte Notfälle die Notfallstationen aufsuchen. Selbstverständlich soll eine entsprechende Lösung sozial ausgestaltet sein und echte Notfälle nicht von der notwendigen Hilfeleistung fernhalten. Das heute gültige KVG verhindert die von uns in einem Postulat geforderte Lösung. Es ist daher richtig, dass die Thematik in die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren eingebracht wird. Ein erster, konkreter Schritt zur Bremsung des Kostenanstiegs im Gesundheitswesen.

SP: Kahlschlag beim ÖV verhindern

Marcel Budmiger, Kantonsrat SP, Luzern. (Bild: PD)

Marcel Budmiger, Kantonsrat SP, Luzern. (Bild: PD)

Um die Staatskasse zu entlasten, will der Regierungsrat die stetig steigenden Einnahmen aus den Verkehrssteuern neu verteilen. Statt immer mehr Geld in den Strassenbau zu stecken, soll auch der unterfinanzierte öffentliche Verkehr von den Mehreinnahmen profitieren. Unter dem Strich bleibt für den Strassenbau der gleiche Beitrag zur Verfügung wie bisher. Eine faire Lösung, die auch die Kantonsfinanzen entlastet.
Dennoch wehrt sich nun die Strassenlobby gegen die öV-Förderung. Das «miteinander statt gegeneinander» der verschiedenen Verkehrsträger gilt plötzlich nicht mehr, wenn es ums Geld geht. Falls der Kantonsrat nun der vorberatenden Kommission folgt und nicht auf die Neuregelung eintritt, fehlen dem ÖV auf einen Schlag 6,8 Millionen Franken vom Kanton. Die SP will diesen Kahlschlag verhindern. Wir unterstützen den Vorschlag zur Neuregelung der Mittelverteilung. Falls die bürgerlichen Parteien ihren Regierungsräten nicht folgen, verlangen wir mit einem dringlichen Vorstoss eine Kompensation im Budget 2019. Und falls die Ratsmehrheit auch dies ablehnt, hat die Bevölkerung glücklicherweise die Möglichkeit mit einem Ja zur ÖV-Initiative am 23. September für gleich lange Spiesse zwischen Strasse und ÖV zu sorgen. Statt einem Angebotsabbau und höheren Billettpreisen gäbe es dann endlich genügend Mittel für die Mobilitätsbedürfnisse von Menschen mit Behinderung zur Verfügung.

Grüne: Es braucht ein gut ausgebautes ÖV-Netz

Hannes Koch, Kantonsrat Grüne, Horw. (Bild: PD)

Hannes Koch, Kantonsrat Grüne, Horw. (Bild: PD)

Die Botschaft B132 zur Neuregelung der Mittelverteilung zwischen Strassen und ÖV trifft ein Grundanliegen der Grünen und allen, welche einen flüssigen Verkehr anstreben. Der ÖV soll mehr Mittel erhalten. Was auf den ersten Blick nach einer Massnahme für den ÖV aussieht, entpuppt sich jedoch zu einer Sparmassnahme, mit der 6,3 Millionen Franken eingespart werden sollen.
An der Ratssitzung vom kommenden Montag wird sich zeigen, wer den öffentlichen Verkehr stärken will. Es wird sich aber auch zeigen, wer sparen und wer den ÖV behindern will. Wenn die Neuregelung der Mittelverteilung Strassen und ÖV abgelehnt wird, bedeutet dies, dass dem ÖV die 6,3 Millionen nicht zugesprochen werden. Und da im Budget bereits Sparmassnahmen von 6 Millionen vorgesehen sind, ist dies faktisch eine massive Kürzung der Mittel für den ÖV. Die bürgerlichen Parteien haben nun die Chance zu zeigen, dass sie es mit dem Sparen ernst meinen, dass sie nicht nur bei der Bildung, Kultur und Gesundheit sparen, sondern auch bei den Strassen.
Damit das Mobilitätsbedürfnis und damit der zunehmende Verkehr bewältigt werden kann, braucht es ein gut ausgebautes ÖV-Netz, welches so interessant ausgebaut ist, dass es genutzt wird und die Strassen entlastet. Die Liste der verzögerten Ausbauten ist lange und gerade auf dem Land braucht es dringend Investitionen. Darum: Stimmen Sie am 23. September JA zur ÖV-Initiative!

GLP: Angriff auf das Demokratieverständnis

Claudia Huser, Kantonsrätin GLP, Luzern. (Bild: PD)

Claudia Huser, Kantonsrätin GLP, Luzern. (Bild: PD)

Unsere Demokratie basiert darauf, dass Mehrheiten entscheiden und diese Entscheide von allen mitgetragen werden. Urschweizerisch ist dabei, dass Meinungen von Minderheiten ihren Platz finden und der Diskurs gepflegt wird. Mitmachen können alle – zugehört wird allen – so zumindest bisher.
Mittels zwei von der FDP eingereichten Vorstössen, soll dies nun geändert werden. Bewährte demokratische Spielregeln sollen abgeschafft und die Mitwirkung aller Parteien Schritt für Schritt eingeschränkt werden. Zum einen sollen künftig zum zweiten Wahlgang bei Majorzwahlen nur noch Kandidierende zugelassen werden, die im ersten Wahlgang mehr als 10 Prozent des absoluten Mehrs erreicht haben. Zum anderen sollen künftig Vorstösse in der Form von Anfragen im Kantonsrat nur noch diskutiert werden, wenn die Mehrheit dies möchte. Minderheiten dürfen ihre Meinung also nur noch äussern, wenn die staatstragende Mehrheit dies erlaubt. Damit werden Minderheiten quasi mundtot gemacht! Bei beiden Vorstössen werden zeitliche wie finanzielle Effizienzüberlegungen als Gründe angegeben. Effizienz in allen Ehren – aber zu einer Demokratie gehört, dass alle eine reelle Chance haben sollen, dass Diskussionen geführt und auch Meinungen von Minderheiten gehört werden. Die GLP wird sich vehement gegen den Abbau der Demokratie einsetzen und beide Vorstösse entschieden ablehnen.