LEBEN: Ihm liegt keine Messlatte zu hoch

Ob im Sport, im Studium oder bei der Arbeit: Wenn Fabian Meier etwas anpackt, hat er Erfolg. Auch eine unheilbare Nierenkrankheit kann dem 33-jährigen Ettiswiler nur wenig anhaben.

Daniel Schriber
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Die Lebensfreude sieht man ihm an: Fabian Meier (33) in einer Bar in der Stadt Luzern. (Bild Dominik Wunderli)

Die Lebensfreude sieht man ihm an: Fabian Meier (33) in einer Bar in der Stadt Luzern. (Bild Dominik Wunderli)

Fabian Meier hat in seinem bisherigen Leben gelernt, dass ein Versuch nicht immer ausreicht, um ein Ziel zu erreichen. «Wer weiterkommen will, braucht Beständigkeit, Beharrlichkeit, Entschlossenheit», sagt der 33-Jährige. In jüngeren Jahren war der Ettiswiler ein talentierter Hochspringer. Trotzdem brauchte das Mitglied des STV Willisau Jahre, um die magische 2-Meter-Marke zu knacken. Er schaffte die 1,98 Meter, übersprang die 1,99 Meter – aber bei 2 Metern scheiterte er regelmässig. Doch der junge Sportler gab nicht auf. Er trainierte nicht nur fast täglich auf dem Leichtathletikplatz, sondern auch mit einem Mentaltrainer. Und irgendwann, an einem Wettkampf in Deutschland, klappte es tatsächlich. «Von diesem Moment an übersprang ich die 2-Meter-Latte ohne Probleme.»

Abschluss an berühmter Schule

Beständigkeit, Beharrlichkeit, Entschlossenheit. Diese Begriffe ziehen sich wie ein roter Faden durch Fabian Meiers Leben. Beim Sport hat der ehemalige Hochspringer gelernt, dass man mit Training, Arbeit und Disziplin vieles erreichen kann. Und was im Sport gilt, funktioniert oftmals auch in anderen Bereichen des Lebens – das hat er erst vor wenigen Wochen wieder einmal bewiesen.

Der studierte Maschineningenieur hat an der IMD Business School in Lausanne Anfang Dezember den Abschluss «Master of Business Administration» gemeistert. Das IMD Lausanne ist nicht irgendein Weiterbildungsinstitut, sondern eines der renommiertesten überhaupt. Die Zeitschrift «Financial Times» hat die private Wirtschaftshochschule wiederholt zur besten Schule für «Executive Education»-Kurse gekürt. Kein Wunder, bewerben sich jedes Jahr Hunderte Studenten aus der ganzen Welt um die 90 begehrten Plätze an der Eliteschule, die in der Rangliste der «Financial Times» sogar die berühmte Harvard Business School in Boston weit hinter sich lässt. «Das Bewerbungsverfahren war anspruchsvoll und streng.» Doch Fabian Meier packte auch diese Hürde, genauso wie die anschliessenden Studienmonate. Dass er Anfang Monat sein Diplom mit Auszeichnung erhielt, erfüllt ihn mit Stolz. «Es war ein intensives Jahr. Die Vorlesungen und Projektarbeiten dauerten oft bis 10 Uhr abends.»

Die Diagnose kam 2010

Intensiv war Fabian Meiers Leben schon immer. Nach der Kanti besuchte er die ETH Zürich und machte dort den «Master of Science» im Fach Maschinenbau. Nach dem Universitätsabschluss heuerte er bei der Holcim-Gruppe an, einem der grössten Baustoffhersteller der Welt. Für Holcim ist der Ettiswiler später auch mehrere Jahre in Indien, Osteuropa und Lateinamerika unterwegs. «Andere Kulturen haben mich schon immer interessiert.» Was Fabian Meier nicht mag, ist Stillstand.

Doch dann, Anfang 2010, stand plötzlich alles still.

Die ersten Symptome bemerkte er auf einer Indien-Reise Ende 2009. Zuerst waren es die geschwollenen Knöchel, die schweren Augenlider, die Kopfschmerzen. Nach einem Arztbesuch im Januar 2010 stellte sich heraus: Fabian Meier leidet an einer Niereninsuffizienz und ist irreparabel krank. Als die Ärzte die Krankheit bemerken, ist diese schon so weit fortgeschritten, dass die lebensnotwendigen Nieren in seinem Körper nur noch 10 Prozent leistungsfähig sind. Im Klartext: Fabian Meier sieht sich im jungen Alter von 29 Jahren auf einmal mit einer lebensbedrohlichen Situation konfrontiert. Nach der Diagnose befindet sich der junge Mann, der sonst immer alles positiv sieht und sich jeder Herausforderung stellt, zum ersten Mal in seinem Leben in einer Krise. «Innerhalb von ein paar Stunden ist für mich die ganze Welt zusammengebrochen. Ich wusste für einen Moment nicht mehr, wie weiter.» Er fürchtete nicht so sehr die körperlichen Auswirkungen, sondern vielmehr die ungewisse Zukunft. «Ich hatte Angst, dass ich mein Leben nicht mehr so leben kann, wie ich es liebe.»

Mutter spendet Niere

Es war die grosse Unterstützung der Familie, der Freundin und des damaligen Arbeitgebers, die ihm gut tat – und bald schon keimte wieder etwas Hoffnung auf. Aus medizinischer Sicht gab es zwei Möglichkeiten: Bei der ersten, der Dialyse, hätte sich der Nierenkranke den Rest seines Lebens alle zwei bis drei Tage im Spital behandeln lassen müssen, um sein Blut zu waschen. Für den freiheitsliebenden Menschen war so etwas undenkbar. Variante zwei: eine Transplantation. Und so kam es dann auch. Seine eigene Mutter hat Fabian Meier mit einer Spenderniere ein zweites Leben geschenkt.

Obwohl er jeden Tag viele Medikamente schlucken muss, führt Fabian Meier ein normales, aktives und grundsätzlich uneingeschränktes Leben. «Dafür bin ich sehr dankbar.» Er weiss, dass sich das irgendwann wieder ändern könnte. Es ist eine medizinische Tatsache, dass auch seine neue Niere im Laufe der Zeit wieder schwächer wird. Ob das in 10, 20 oder 30 Jahren so weit sein wird, kann derzeit niemand sagen.

Umzug nach Chile

Heute verschwendet Fabian Meier deshalb so wenig Gedanken wie möglich an seine Nieren. «Ich glaube nicht, dass es hilft, wenn man sich zu viele Sorgen macht.» Viel lieber nimmt der Ettiswiler nun sein nächstes grosses Projekt in Angriff. Läuft alles nach Plan, zieht er noch im Frühjahr mit seiner Freundin nach Chile. Dort wird er den Bau eines Wasserkraftwerks leiten und versuchen, Investoren für weitere Wasserkraft-Projekte in ganz Chile zu finden.

Vor den beruflichen und kulturellen Herausforderungen, die in Südamerika auf ihn warten mögen, fürchtet sich der 33-Jährige nicht – im Gegenteil. «Ich freue mich darauf und liebe es, Neues zu entdecken.» Und ausserdem hat Fabian Meier in seinen 33 Lebensjahren schon viel höhere Hürden übersprungen.