Lehrabschluss: Die praktische Prüfung findet im Kanton Luzern statt – mit Ausnahmen

Während sich der Streit um die Maturaprüfungen noch weiter zuspitzen dürfte, wurden wenigstens in Sachen Lehrabschluss wichtige Fragen geklärt.

Christian Peter Meier
Drucken

Ausgangslage

Allein im Kanton Luzern stehen derzeit rund 4800 junge Frauen und Männer vor ihrem Lehrabschluss. Doch wie wird die Prüfungsphase mitten in der Coronakrise bloss über die Bühne gehen? Diese Frage beschäftigte und beschäftigt nicht nur die Absolventen, sondern spätestens seit Anfang April ganz zentral auch viele Prüfungsverantwortliche und -experten. Damals schlug Bundesrat Guy Parmelin einen ersten Pflock ein, indem er verkündete, die Abschlussprüfungen in den Bereichen Allgemeinbildung und Berufskenntnisse würden gestrichen. Für das Zeugnis greife man hier auf Erfahrungsnoten und die Bewertung der so genannten Vertiefungsarbeit zurück.

Alles andere als geklärt war damit aber, wie sich in den rund 250 Lehrberufen der Rest der Prüfung gestalten soll. Zentrale Frage: Können die Lernenden zumindest ihre praktischen Fähigkeiten unter Beweis stellen? Nun ist klar: In den meisten Berufen können sie das. «Unterdessen sind die Entscheide für den Qualifikationsbereich Praktische Arbeit fast ohne Ausnahme gefällt», heisst es in einem Newsletter der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung. Das war fraglos eine echte Büez. Denn vorab hatte jeder nationale Berufs- oder Branchenverband für seine Lehrberufe ein Schutzkonzept zu entwickeln. Darin war aufzuzeigen, ob und wie die praktischen Arbeiten unter strikter Einhaltung der bekannten BAG-Schutzmassnahmen realisierbar sind. Roger Maurer, Prüfungsleiter des Kantons Luzern, weiss, dass dieser Prozess nicht überall reibungslos verlief. «Vor allem die Anforderung des Bundes, schweizweit gleiche Prüfungen durchzuführen, war für gewisse Verbände eine Herausforderung – weil das Gewerbe nun einmal nicht in allen Regionen gleich funktioniert.»

Autofachleute: Für sie geht es in Horw zur Sache

Nun liegt es an den Prüfungsorganisationen vor Ort, das Schutzkonzept konsequent umzusetzen. Gefordert ist zum Beispiel die Sektion Zentralschweiz des Autogewerbeverbandes. Sie betreibt in Horw ein Ausbildungszentrum für Automobilmechatroniker, Automobilfachleute und Automobilassistenten aus den Kantonen Luzern, Nid- sowie Obwalden und ist für die praktische Berufsbildung der Lernenden verantwortlich. 186 Kandidaten (davon 5 Frauen) fiebern in der Region aktuell dem Abschluss in einem der drei Berufe entgegen. Sie alle werden in Horw eine vorgegebene praktische Arbeit absolvieren. Damit gehören sie zur Mehrheit: In weiteren 108 Berufen wird nach ähnlichem Muster geprüft, sprich: zentral und im Rahmen einer für alle gleichlautenden Aufgabe. In weiteren 86 Berufen erfüllen die Absolventen ihre praktischen, teilweise individuellen Arbeiten dezentral, also in den Lehrbetrieben. Zehn Berufe haben sich für eine Mischform entschieden, während in 43 Berufen dieses Jahr keine praktische Prüfung verlangt wird.

Zurück in die Autobranche. Hubert Frei ist Chefexperte für die drei erwähnten Autoberufe und selber Inhaber einer Garage in Flühli und Sempach. Er verschweigt nicht, dass hektische Wochen hinter ihm liegen, und sagt:

«Die Planung ist ohnehin jedes Jahr aufwändig, unter anderem gilt es, für die Prüfungstage rund 100 verfügbare Experten zu finden.»

Dieses Jahr habe man die Arbeit quasi zweimal machen und weitere Aspekte klären müssen – etwa die Verpflegungsfrage: «Nun lassen wie das Essen für die Absolventen und Experten ins Ausbildungszentrum liefern.»

Dort, in Horw, sei die Infrastruktur grundsätzlich ideal für die praktischen Prüfungen. «Sie finden seit Jahren hier statt. Die Kandidaten absolvieren jeweils einen Parcours mit verschiedenen Posten, an denen sie während je einer Stunde an Modellen, Fahrzeugen oder Teilen von Fahrzeugen spezifische Probleme zu lösen haben, etwa in den Fachbereichen Komfortelektrik, Motordiagnose, Fahrwerk oder Antrieb», erklärt Hubert Frei. Um nun das vom Autogewerbeverband ausgearbeitete Schutzkonzept einhalten zu können, habe man die Anzahl der Posten halbiert. «Ein Mechatroniker zum Beispiel absolviert dieses Jahr nur 7 Stationen, normalerweise sind es 15. So können alle, wie gefordert, auf Distanz bleiben.»

Bäcker: Die Prüfung findet im Betrieb statt

Anders präsentiert sich die Situation bei den Bäckerinnen, Konditoren und Confiseuren. Fester Bestandteil der Ausbildung ist die so genannte Bertriebsprüfung. Sie findet traditionell dezentral in der Backstube des jeweiligen Lehrbetriebes statt. Aspiranten auf den Fähigkeitsausweis werden während zwölf Stunden an eineinhalb Tagen in der vertrauten Umgebung geprüft und erhalten pro Fachrichtung (es gibt davon zwei) schweizweit eine identische Wegleitung mit verschiedenen Aufgaben. Diese soll aber durchaus individuell und kreativ interpretiert werden. «Die Produktionsräume stehen in dieser Zeit exklusiv dem Lehrling zur Verfügung», sagt Esther Wehren, langjährige Chefexpertin, die zusammen mit ihrem Mann in Weggis eine Bäckerei-Konditorei mit Café betreibt und mit Olivia Zimmermann selber eine Lernende im dritten Lehrjahr im Betrieb hat. «In diesem Punkt sind wir im Vergleich zu anderen Berufen klar im Vorteil. Die BAG-Auflagen sind für uns kein Problem», weiss Wehren: «Entsprechend mussten wir am Prüfungsprozedere nichts ändern und konnten nach dem OK aus Bern gleich loslegen.» Wobei, eine Änderung gebe es: Die Experten, die den Prüfungsverlauf dezent auf Distanz beobachten, tragen nun Mundschutz.

Die Lernende Olivia Zimmermann (vorne) mit ihrer Chefin und Chefexpertin Esther Wehren in der Backstube der Bäckerei Wehren in Weggis.

Die Lernende Olivia Zimmermann (vorne) mit ihrer Chefin und Chefexpertin Esther Wehren in der Backstube der Bäckerei Wehren in Weggis.

Bild: Boris Bürgisser, Weggis, 28. April 2020

Während erste Prüfungen im Bäckereibereich schon stattgefunden haben, gilt es für die Berufsleute aus der Automobilbranche ab nächster Woche ernst. Wird ihr Lehrabschluss den gleichen Wert haben wie in anderen Jahren? Frei sagt:

«Unser Ziel ist es, eine faire Prüfung zu machen. Eine, bei der man übrigens auch durchfallen kann.»

Ausserdem seien die Lehrlinge schon während ihrer Ausbildung laufend geprüft worden. «Wir haben ganz tolle, junge Lernende, die während ihrer gesamten Ausbildungszeit grosse Leistung erbracht haben.»

Prüfungsleiter Roger Maurer unterstreicht diese Aussage. Im Gespräch zuckt er gleichsam zusammen, als vom Journalist der Begriff «abgespeckte Version» fällt. Maurer: «Unser oberster Anspruch ist, die Qualität auf dem üblichen Niveau zu halten. Wir wollen keine Alibiübungen, sondern praktische Prüfungen mit hoher Aussagekraft.»

Weitere beliebte Berufe: So wird die Abschlussprüfung durchgeführt