Littauer Familie Baltensweiler designt seit drei Generationen Lampen

Baltensweiler strahlt vom Littauer Boden in die Design-Welt hinaus. Und die 91-jährige Gründerin der Leuchtenmanufaktur ist mit dem diesjährigen Schweizer Grand Prix Design 2019 ausgezeichnet worden.

Edith Arnold
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Drei Generationen fürs Lampendesign: die Familie Baltensweiler, Ilario Meier, Ria, Rosemarie, Gabriel, Karin Baltensweiler (von links). (Bild: Jakob Ineichen, Luzern, 6. August 2019)

Drei Generationen fürs Lampendesign: die Familie Baltensweiler, Ilario Meier, Ria, Rosemarie, Gabriel, Karin Baltensweiler (von links). (Bild: Jakob Ineichen, Luzern, 6. August 2019)

Am Anfang war Rosmarie Baltensweiler. Die Leuchtengestalterin «schrieb mit ihrem Mann Rico Schweizer Designgeschichte und gründete ein international erfolgreiches Unternehmen, das schon früh auf nachhaltige Produktion setzte.» Mit diesen Worten erhielt die 91-jährige Luzernerin kürzlich den Grand Prix Design 2019 des Bundesamts für Kultur. Parallel zur Feierlichkeit fand die Art Basel und Design Miami/Basel statt. Ein passendes Milieu.

Fast in Lichtgeschwindigkeit wurde bereits die erste Stehleuchte berühmt: «Type 600» gelang via «Knoll International» in eine Musterwohnung von

Le Corbusier, einem der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Das Objekt entstand bei der Luzerner Spreuerbrücke, flussabwärts mitten in der Reuss, wo heute eine Steininsel liegt. Diese war das Fundament zu einer Wäscherei und einem öffentlichen Bad, ab 1951 auch zu einem Atelierhaus für Künstler. Im Heck richteten Rosmarie und Rico Baltensweiler ihre Wohnwerkstatt ein. Die Designerin und Innenarchitektin assistierte damals bei Max Bill in Zürich. Rico, der Elektroingenieur arbeitete bei den SBB in Luzern. In der Freizeit entwickelte das junge Paar die Leuchte – zunächst zum Eigengebrauch.

Diskussion gehört zur Firmenkultur

In einem Video zum 60-Jahr-Firmenjubiläum testet Rosmarie Baltensweiler den 1,85 Meter grossen Leuchtkörper mit den sechs Bewegungsachsen. Dabei wirkt sie fast tänzerisch, fordert das durch eine Torsionsfeder gespannte Gestänge in jeder möglichen Position heraus. Nun tritt sie am neuen Firmensitz auf dem Littauer Boden bei der Kleinen Emme in Erscheinung. Die zierliche Frau trägt einen schwarzen Sommeranzug zu metallisch-farbenen Trekking-Sandalen, den Nagellack in Nude. Sie habe Design immer als Teamwork verstanden, eröffnet sie leise und bestimmt das Gespräch. Um den Konferenztisch versammeln sich zwei weitere Generationen: Gabriel Baltensweiler (65), Sohn, Tüftler/Erfinder, bis vor kurzem in der Geschäftsleitung. Ria Baltensweiler (31), Bachelor in Soziologie, und Ilario Meier (33), Produktionsmechaniker, beide als Enkel gut beleuchtet aufgewachsen und neu in der Geschäftsleitung. Man merkt schnell, dass Diskussion zur Firmenkultur gehört.

Es ist 9 Uhr. Schwarzer Kaffee wird in weissen Tassen serviert. Sonnenlicht dringt durch die Oblichter in die Halle. Die ausgestellten Wand-, Ständer-, Tisch- und Deckenleuchten wirken allein übers Design. Womit sich eine Leuchtenmanufaktur im helllichten Sommer beschäftigt? «Mit Ansteuerungsmöglichkeiten, sagt Ria Baltensweiler. Es gibt ja nicht nur den Schalter an der Wand oder an der Leuchte. Inzwischen kann man auch per Funk, Handy, Sprache auf Geräte zugreifen. Die Frage ist, welche Technologie morgen kommen könnte?»

Man dürfe keine Leuchte ohne Schalter machen, funkt Gabriel Baltensweiler dazwischen. Fernsteuerung nur, wenn sie ohne Batterie funktioniere, das sei ökologisch spannender. Ria für alle Baltensweilers: «Wir wollen Produkte anbieten, die so lange wie möglich Freude bereiten. Das ist unsere Philosophie. Unsere Leuchten müssen digital wie analog bedient werden können.»

Eine Mitarbeiterin des Littauer Familienbetriebs. (Bild: Jakob Ineichen, Luzern, 6. August 2019)

Eine Mitarbeiterin des Littauer Familienbetriebs. (Bild: Jakob Ineichen, Luzern, 6. August 2019)

Potenzial der LED-Lampen früh erkannt

Baltensweiler entwickle gerade eine neue Stehleuchte, verrät Ilario Meier. Ziel sei die Präsentation an der Messe Light + Building 2020 in Frankfurt. Bis dahin soll jedes Detail stimmen: Design, Ansteuerung, Effizienz, Farbwiedergabe, Indirekt- und Direktlicht, Dimmbarkeit. Bei jüngeren Nutzern sind «dim to warm»-Systeme im Trend. Diese bieten das volle Spektrum: von weissem Tageslicht bis zu rötlichem Kerzenlicht. Die neue Leuchte muss alles können.

Immerhin findet Rosmarie Baltensweiler «das Experiment vielsprechend». Ihre Lieblingsleuchte? «Bezüglich Design noch immer die ‹Halo› von 1973 mit Halogen. Ich mag den voll ausgeleuchteten Raum!» Klar, an der «Halo» sei nichts dran, bemerkt Gabriel Baltensweiler, nur Rohr und Licht. Aber es sei ein gutes Zeichen, dass sie zu Hause auch zwei «FEZ» von 2015 im Einsatz habe. «FEZ» und «Topolino» gehören zu seinen Lieblingsleuchten. Als Höhlenbewohner möge er Dunkelheit und Lichtinseln dort, wo er lese, denke, arbeite. Elf Leuchten-Familien sind im Handel, alle in Material- und Leuchtmittelvarianten. Einige lassen sich von der einen zur anderen Technologie umrüsten. Auch Reparaturen sind im Sinn der Manufaktur. Denn schlichte, ausgetüftelte Designs überdauert elegant die Zeit. Wie die «ZETT».

2002 realisierten Gabriel Baltensweiler und Designer Lukas Niederberger, dass LED die Zukunft ist, selbst wenn die Leuchtdioden noch wie «Mondlicht» schienen. Sie experimentierten mit der Technologie, adäquaten Formen und Materialien. 2004 reisten sie mit der «ZETT» an die Frankfurter Messe. Sie inszenierten die LED-Tischleuchte auf dem Boden, damit sich mögliche Nachahmer bücken mussten. Kopien aus Fernost folgten auf dem Fuss. «ZETT» bleibt ein Highlight: schlicht, brillantes Licht, zusammenklappbar wie ein Laptop. Ilario Meier hat in seinem Tessiner Alphaus eine FEZ-LED-Pendelleuchte eingebaut. Diese beleuchtet indirekt das Deckengebälk, direkt den runden Holztisch. Und sie funktioniert über Solarpanels auf dem Dach. Strom für die Innenbeleuchtung müsse von aussen zugeführt werden, findet er. Nicht nur der Ästhetik wegen: mit LED ist bereits eine energiesparende Technologie in Gang. Jetzt gilt es, das Licht so einzusetzen, dass es nicht den Biorhythmus des Menschen stört, sondern ihn unterstützt.

«Hier dürfen wir nicht sparen»

Wie ist das Licht der Zukunft? «Sparsam, mit wenig Emissionen, wegen der Farbwiedergabe möglichst nahe bei Glühlampen und Sonnenlicht mit Index 100», sagt Gabriel Baltensweiler. «Unsere Augen sind ja vom Sonnenlicht geformt worden. Es hat für unsere Wahrnehmung das beste Spektrum. LED hat einen blauen Chip und einen gelben Leuchtstoff, der das blaue Licht zu einem schönen Weiss macht. Hier dürfen wir nicht sparen.» Inzwischen fällt noch mehr Tageslicht schräg auf die weissen Kaffeetassen. Diese erstrahlen in blendenstem Weiss. Rosmarie Baltensweiler erklärt: «90 Prozent Sonnenlicht und 10 Prozent ‹FEZ›-Licht. Sonnenlicht ist immer viel heller als Kunstlicht.» Was sie am Licht die ganze Zeit fasziniert? «Licht hat das Leben hervorgebracht.»