Nicht nur weltbekannte Persönlichkeiten, sondern auch «normale» Gäste wie Karl Frey aus Olten, steigen im Hotel Schweizerhof in Luzern ab. Der 97-Jährige erhält dank einer riskanten Prognose ein eigenes Zimmer.
Der 97-jährige Karl Frey aus Olten gewinnt mit seiner Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg den Zimmergeschichten-Wettbewerb des Hotels Schweizerhof Luzern. Das Hotel, das in fünfter Generation von der Besitzerfamilie Hauser geführte wird, suchte Ende 2013 eine Geschichte aus der lokalen Bevölkerung, um Zimmer nach einem ganz speziellen Muster zu gestalten.
Als Leutnant und Chef des Wetterdienstes musste Karl Frey im Mai 1943 wichtige Wetterprognosen für ein entscheidendes Manöver der Schweizer Armee erstellen. Und dies notabene frühmorgens von der winzigen Dachterrasse des Hotels Schweizerhof Luzern. Praktisch minutengenau lag Karl Frey richtig, was von seinen Vorgesetzten mit einer guten Flasche Wein honoriert wurde (siehe Box).
Laut einer Mitteilung des Hotels reiht sich Karl Frey mit einem eigenen Zimmer nicht nur in die Liste weltbekannter Namen ein, sondern darf dieses im April 2014 auch als erstes bewohnen.
Seit Januar bis April 2014 werden derzeit in einer zweiten Etappe 49 Zimmer und Suiten umgebaut. Die Zimmer erzählen Geschichten, die Persönlichkeiten wie Schriftsteller, Musiker oder Schauspieler im Hotel erlebt haben. So ist beispielsweise zu erfahren, wie sich Hotelgäste im Jahre 1859 gegen den Lärm des
komponierenden Zimmernachbarn Richard Wagner geschützt haben. Oder wie Winston Churchill, 19-jährig, im Jahre 1893 vom elektrischen Licht des Schweizerhofs geschwärmt hat. Auch Anekdoten von Festivals dürfen nicht fehlen, wie zum Beispiel als Konzertgast B.B. King 2002 im Zeugheersaal spontan zu seiner eigenen Gitarre griff. Ebenso haben aber auch spezielle Erlebnisse von nicht berühmten Hotelgästen dazu geführt, dass diesen ein eigenes Zimmer gewidmet wurde.
Für diese zweite Etappe stehen dem Hotel genügend Geschichten zur Verfügung. Leo Tolstoj, General Dufour und Gianna Nannini sind beispielsweise einige der neuen Persönlichkeiten, deren Erlebnisse im Hotel Schweizerhof Luzern künftig erzählt werden.
Die vier nächstrangierten Geschichten des Wettbewerbs werden zudem in einem Buch sämtlicher Zimmergeschichten ebenfalls erzählt werden. Auf den weiteren Rängen folgen das Ehepaar Käch-Schaffhauser aus Udligenswil, welches sich im Schweizerhof an der Fasnacht kennen- und lieben gelernt hat und Jahre später in den selben Räumlichkeiten ihre romantische Hochzeit feierte. Rang 3 erreichte die Luzernerin Peggy Dilks, welche seit den 50-er Jahren stetiger Gast im Hotel ist und seit kurzer Zeit wieder in ihrem Lieblingshotel wenige hundert Meter vom eigenen Zuhause entfernt Ferien macht.
Insgesamt sind laut Mitteilung rund 60 Geschichten eingesandt worden. Eine Jury um die Besitzer und das Management des Hotels Schweizerhof sowie den beiden Musikern Sven und Philipp Fankhauser wählte den Gewinner aus. Beiden Sängern wurde bereits die Ehre eines eigenen Zimmer im Festivalhotel zuteil.
pd/rem
Es ist der Abend des 21. Mai 1943. Es scheint, als sei der Zweite Weltkrieg endlich an einem Wendepunkt angekommen, denn der Widerstand an allen Fronten wird stärker. Der Stab der vierten Division der Schweizer Armee ist im Hotel Schweizerhof Luzern einquartiert. Sie dienen hier als Leutnant und Chef des Wetterdienstes. In dieser Funktion hat Ihnen der Stabschef soeben folgenden Auftrag erteilt: „Herr Leutnant, wie sie bereits wissen, findet morgen von neun bis elf Uhr auf dem Stanserhorn die Besprechung der soeben stattgefundenen Manöver des zweiten Armeecorps statt. Aufgeboten sind alle höheren Offiziere vom Hauptmann bis zum Divisionskommandanten und dem Oberstcorpskommandanten als höchste leitende Instanz. Ich erwarte sie morgen um 5.45 Uhr auf der Dachterrasse des Hotels zur Entgegennahme der Wetterprognose. Wir benötigen freie Sicht und können keinen Regen brauchen.“
Ein grosser militärischer Anlass steht also bevor, vergleichbar mit dem „Rüttlirapport“ des Generals Henri Guisan vor drei Jahren. Dieser war übrigens auch schon Gast im Schweizerhof. Sie sind wegen des äusserst verantwortungsvollen Auftrags mehr als aufgeregt. Besorgt betrachten sie den Himmel, an dem bereits einige Cirrus- und Altocumuluswolken aufziehen – Vorboten des Endes der bestehenden Schönwetterlage. Für eine Prognose ist dies eine der schwierigsten Wetterlagen. Trotzdem schlafen sie erholsam in Ihrem prächtigen Zimmer mit Blick auf den Pilatus. Am nächsten Morgen begeben sie sich in aller Frühe zum Wetterbüro. Zu Ihrem Entsetzen regnet es in der Westschweiz bereits. Auf der Dachterrasse betrachten sie nachdenklich die geschlossene Wolkendecke einer Warmfront, die noch auf einer Höhe von ca. 4000 Metern liegt. Doch da entdecken sie im Süden eine kleine blaue Wolkenlücke, ein sogenanntes Föhnfenster. Nicht ohne Risiko aber optimistisch erstellen sie eine gute Wetterprognose für das hohe militärische Treffen und wollen dies umgehend dem Oberstdivisionär melden. Als er sie auf Ihr Klopfen hin auffordert, sein Zimmer – eines der schönsten des ganzen Hotels – zu betreten, bietet sich Ihnen ein seltsames, fast filmreifes Bild, das einer gewissen Komik nicht entbehrt: sie, in Uniform, melden sich korrekt in Achtungsstellung, während der eben dem Bett entstiegene Oberstdivisionär in Pyjama dasteht. Scheinbar unbeeindruckt stellen Sie Ihre riskante Prognose: „Herr Oberstdivisionär, eine atlantische Störung hat bereits den Westen des Landes erreicht. Bei uns bleibt es meist bedeckt, unter leichtem Föhneinfluss wird jedoch vor elf Uhr kein Regen fallen.“ Daraufhin entscheidet dieser trotz unpassendem Tenue schnell und klar: „Herr Leutnant, teilen sie dem Stabschef sofort mit, dass die militärische Veranstaltung auf dem Stanserhorn wie vorgesehen stattfindet.“
Zu Ihrer Erleichterung beginnt der Rapport pünktlich und kann, bei langsam absinkender Wolkendecke und trockener Witterung, kurz vor elf Uhr beendet werden. Erst während der Talfahrt, um zwanzig nach elf, fallen die ersten Regentropfen und ein Gewitter bringt auch hier das Ende der Schönwetterlage. Ihre riskante Wetterprognose aber ist geglückt. Ausgelassen trinken Sie zum Mittagessen im Schweizerhof einen guten Wein.
Der schwache, jedoch wirksame Südföhn, der den Beginn des Regens in der Region Luzern in der gewünschten Weise um einige Stunden verzögerte, und der Aufenthalt im Hotel Schweizerhof sind Ihnen bis heute, siebzig Jahre später, in eindrücklicher und schöner Erinnerung geblieben. Heute mit 97 Jahren sind für sie die Worte des Dichters Jean Paul so wahr wie nie zuvor: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus welchem wir nicht vertrieben werden können.“
P.S.: Etwas mehr als ein Jahr später, am 5. Juni 1944, fand in England ein ähnliches „Prognoseereignis“ statt. Die höchsten Kommandanten der gewaltigen Invasionsarmee erhielten die Wetterprognose: “Bei unbeständigem Wetter wird morgen zwischen zwei Wetterfronten eine kurze Wetterbesserung eintreten“. General Eisenhower entschied: „Well, we will go.“