Die IG öffentlicher Verkehr hat den Glauben an eine rasche Realisierung des Durchgangsbahnhofs verloren. Sie setzt deshalb auf ein neues Gleis am Rotsee.
Der Bushub Ebikon und die Verlängerung der Buslinie 1 sollen auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das fordert nicht etwa ein Automobilistenverband, sondern der VCS und die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Schweiz (IG ÖV). In ihrer Stellungnahme zum Konzept Agglomobil tre des Verkehrsverbundes Luzern äussern sich die Verbände – die sich sonst vehement für neue Busverbindungen einsetzen – gegen den Ausbau der Businfrastruktur. Was ist da los?
Der Verkehrsverbund (VVL) will, dass die Buslinien 22/23 künftig am Bahnhof Ebikon enden und nicht mehr nach Luzern fahren. Die Fahrgäste hätten ab 2020 die Wahl, ob sie die S-Bahn nehmen oder auf den 1er-Bus umsteigen wollen, der sie nach Luzern fährt. Verkehrsingenieur Hugo Fessler, Vorstandsmitglied der IG ÖV und des VCS, findet das nicht sinnvoll. Aus einem einfachen Grund: «Die Buslinie 1 hält im Gegensatz zu den heutigen Linien 22/23 häufiger und bleibt zu Hauptverkehrszeiten oft stecken. Es würde also länger dauern, zum Beispiel von Root in die Stadt zu fahren – der öffentliche Verkehr verliert dadurch massiv an Attraktivität.» Dies widerspreche dem Beschluss des Kantonsrates, dass durch die Einführung der Umsteigeknoten – Bushubs genannt – die Reisezeiten nicht verlängert werden dürfen.
Das Umsteigen auf die S-Bahn sei nicht attraktiver. «Zum einen kostet dieses Umsteigen ebenfalls Zeit, und zum anderen verkehrt die S-Bahn nur im Halbstundentakt nach Luzern.» Die IG ÖV fordert deshalb – genau wie der VCS und die SP übrigens –, dass die bisherigen Buslinien 22/23 weiter in die Stadt fahren, bis der Viertelstundentakt der Züge zwischen Ebikon und Luzern gewährleistet werden kann. «Auf die Verlängerung der Linie 1 kann bis dahin verzichtet werden. Dadurch spart der Verkehrsverbund vorerst 10 Millionen Franken», so Fessler.
Der Verkehrsverbund räumt im Konzept selber ein, dass erst ein zusätzlicher Halt des Regioexpress zwischen Luzern und Zürich die nötige Kapazität für den neuen Bushub Ebikon bringen wird. Gemäss der aktuellen Planung dürfte es aber noch mindestens zehn Jahre dauern, bis dieser eingeführt wird.
Zusätzliche Züge sind gemäss SBB wegen Engpässen vorerst nicht möglich. Grund: das Nadelöhr am Rotsee. Die Strecke kann dort nur einspurig befahren werden und ist durch die Verbindungen Richtung Zürich und Gotthard bereits ausgelastet. Abhilfe schaffen könnte der geplante Durchgangsbahnhof Luzern. Fessler glaubt aber nicht an eine rasche Realisierung. «Dieses Projekt wird dereinst 2,4 Milliarden Franken kosten. Die Durchmesserlinie Zürich hat genauso viel gekostet, nur ist das Potenzial der Fahrgäste zehnmal grösser. Es dürfte deshalb gemäss Bund nach 2040 werden, bis der Durchgangsbahnhof Luzern gebaut werden kann.»
Mit dieser Meinung ist Fessler nicht alleine. SVP-Kantonsrat Guido Müller, obschon sonst in Sachen Verkehrspolitik nicht auf einer Linie mit der IG ÖV und dem VCS, teilt seine Einschätzung. «Bis der Tiefbahnhof gebaut wird, dauert es noch ewig. Aber schon jetzt zeichnen sich Kapazitätsengpässe ab, die schnell zu beseitigen sind», sagte er letzte Woche in der «Neuen Luzerner Zeitung» (Ausgabe vom 18. Juli).
Müller hat einen konkreten Vorschlag, wie dies gelingen könnte. Er plant ein Postulat einzureichen, in dem er die rasche Realisierung eines zweiten Gleises am Rotsee fordert, um den 10-Minuten-Takt der S-Bahn von Luzern ins Rontal zu ermöglichen. Die alte Idee einer Doppelspur am Rotsee nimmt damit wieder Fahrt auf.
Bereits 2009 forderten SP, Grüne und VCS, als Alternative zum Tiefbahnhof Luzern auf die Doppelspur Rotsee zurück zu kommen, falls in «absehbarer Zeit» keine Lösung zu Stande komme. Allerdings wurde das Vorhaben von verschiedener Seite bekämpft, weil befürchtet wurde, dass es die Umsetzung des neuen Bahnhofs gefährde. Daran glaubt Hugo Fessler aber nicht. «Die Doppelspur würde ein Zehntel dessen kosten, was für das Projekt Durchgangsbahnhof veranschlagt wird. Entsprechend realistischer wäre die Umsetzung», ist er überzeugt.
Das Bundesprojekt Fabi Step stuft die Kapazitätserweiterung Rotsee in der ersten Dringlichkeit ein. Das Vorhaben ist demnach im Massnahmenbündel enthalten, das der Bund prioritär umsetzen kann. Er rechnet dafür insgesamt mit Kosten von 600 Millionen Franken. «Es kann also mit einer Finanzierung im Step 2030 gerechnet werden», so Fessler. «Die Investitionen werden praktisch amortisiert sein, bis der Durchgangsbahnhof gebaut wird.» Es sei daher nicht widersprüchlich, die Realisierung beider Projekte voranzutreiben.
Der Verkehrsverbund Luzern wertet die Stellungsnahmen zum Konzept Agglomobil tre derzeit aus und informiert im August über die Resultate der Vernehmlassung.
Lena Berger