Alfred N. Becker hat in seinem Leben viel bewegt. Der Politiker und Wirtschaftsförderer feierte diese Woche seinen 75. Geburtstag. Trotzdem ist er kein bisschen müde.
Das war seine ganz grosse Woche: am Dienstag die Eröffnung der neuen Halle 1 der Messe Luzern. Und am Donnerstag sein 75. Geburtstag: Doch Alfred N. Becker, auch liebevoll ANB genannt, meint trocken, dass er lieber Feste für andere ausrichte, als sich selber in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist typisch. Ein Mittagessen mit Frau Anina und guten Freunden gönnt er sich, mehr nicht. Am Freitag sitzt er schon wieder im Büro. Ein Chrampfer, ein Macher. «Die Arbeit ist für mich Hobby», sagt er. «Als begeisterter Sportler bin ich sehr wettkampforientiert. Das kommt mir bei der Arbeit entgegen.» Und immer wieder werde ihm bewusst, dass wir hier in Luzern das Privileg hätten, in einer der schönsten Gegenden der Welt zu leben. «Das verpflichtet, ständig vorwärtszuschauen und etwas zu bewegen.»
Das kann man bei ihm wörtlich nehmen. Eigentlich bräuchte es drei oder vier Menschenleben für all das, was Alfred N. Becker in bisher 75 Jahren geschaffen und erlebt hat. ANB gehörte zu den führenden Figuren bei der 800-Jahr-Feier der Stadt Luzern 1978 und bei der Schacholympiade 1982. Er präsidierte den Verkehrsverein – heute Luzern Tourismus. Er war Mitglied der Kommission für Wirtschaftsförderung. Hinter den Kulissen zog er die Fäden für die Realisierung des KKL. Und er war Mitinitiant des Medienausbildungszentrums (MAZ). Sein Lebenswerk aber ist die Lumag, aus der die Messe Luzern AG hervorgegangen ist. Er ist der Baumeister des schweizweit und sogar international angesehenen Messeplatzes Luzern. Darauf ist der heutige Verwaltungsratspräsident (zu Recht) stolz. Ganz besonders, weil er im Jahr 1978 ohne grosse finanzielle Mittel gestartet war. Und weil er es nach Jahrzehnten geschafft hat, die Nachfolge zu regeln: «Etwas aufzubauen, ist das eine, aber rechtzeitig dafür zu sorgen, dass es erfolgreich mit gleichgesinnten Leuten weitergeht, das ist das andere», so Becker. Das sei ihm mit den beiden jetzigen Verantwortlichen Urs Hunkeler und Markus Lauber gelungen.
Ein Händchen für gute Leute hatte er immer. Kein Zufall. Das weiss niemand besser als Jörg Lienert, der Luzerner Doyen der Personalberatung sass mit Becker in der Kommission für Wirtschaftsförderung: «Er kann gut zuhören, auf Leute eingehen, erzählen, begeistern und mitreissen.» Dem kann Doris Michelotti nur beipflichten. Heute spielt sie Golf mit ANB – vor 40 Jahren lernte sie ihren «Mentor» im Verkehrsverein kennen, «wo er als Präsident mit Direktor Kurt H. Illi ein Traumgespann bildete». Sie bewundert sein phänomenales Gedächtnis. Das ist auch Markus Lauber, dem heutigen Leiter Messen bei der Luzern Messe AG, aufgefallen: «Im Zeitalter von Mail und digitaler Ablage überzeugt ANB immer wieder mit seiner akribischen Papierablage.» Wann immer er ältere Unterlagen benötige, habe Becker alle Protokollnotizen handschriftlich fein säuberlich abgelegt und finde alles mit wenigen Handgriffen in einer Vielzahl von Einzeldossiers in seinem Büro.
Eine grosse Beharrlichkeit und eine hohe Flexibilität in der Wahl der Methoden bezeichnet Alfred N. Becker selber als seine Stärken. Davon könnte der ehemalige Messeleiter und Lumag-VR Werner Fluder ein Liedchen singen: Vor 20 Jahren haben Bauern aus dem Hinterland eine Protestaktion für die Eröffnung der Luga geplant. Die Bauern waren unzufrieden mit der Politik und wollten aus Protest ein Fuder Mist direkt vor der Festhalle deponieren. ANB und Fluder haben die Rebellen in ein Restaurant in Zell eingeladen und einen Abend mit ihnen diskutiert. Dabei hat Becker laut Fluder bessere Protestideen entwickelt. «ANB war derart überzeugend, dass sie noch am selben Abend den Protest an der Luga-Eröffnung zurückgezogen haben.»
Selber will Becker seine positiven Eigenschaften nicht weiter kommentieren. Nur so viel: «Die schönsten Komplimente sind doch die, die über einen gesagt werden und die man am Rande gerade noch so aufschnappt», meint er lachend. Wie zum Beispiel dieses von Werner Fluder:«Er ist ein unglaublich kreativer Kopf. Während der Luga haben wir uns jeweils ein feines Nachtessen gegönnt. Dabei sind immer die guten Ideen für die nächste Luga entstanden, die ANB dann auf einer Serviette aufgezeichnet und sie mir für die Umsetzung übergeben hat», erinnert sich Fluder.
Oder das Lob von alt Stadtpräsident Franz Kurzmeyer:«Luzern hatte immer das Glück, dass sich aussergewöhnliche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft in den Dienst der Allgemeinheit stellten. An prominenter Stelle ist da sicher Alfred N. Becker zu nennen.» Alle hätten gewusst: Wenn «Fredi» etwas anpackt, dann kommt es gut heraus. Besonders imponiert habe ihm, dass Becker jeweils nicht nur beharrlich seine Ziele im Auge gehabt, sondern auch immer Verständnis für das Gegenüber aufgebracht habe: «Der Stadtrat hatte nicht immer all seinen Begehren entsprochen. Aber er blieb immer fair – und am Schluss fanden wir den Rank», betont Kurzmeyer.
Kennen gelernt hatten sich die beiden im Militär. Kurzmeyer verdiente den Leutnant ab, ANB war Rekrut. Ein witziges Ereignis aus dieser Zeit passt zu Alfred N. Becker. Es spielte sich auf dem Schiessplatz der Allmend ab. Ein Besuch des griechischen Königs war angesagt – für einen Kasernenbetrieb unüblich, wurden weisse Tischtücher aufgetragen. Eher widerwillig denn freudig mussten die Rekruten für den König und dessen Entourage Spalier stehen. Dem hohen ausländischen Gast sollte das Schweizer Sturmgewehr schmackhaft gemacht werden. Bei Schiessversuchen der Soldaten sollte sich der König von der Treffsicherheit der Waffe überzeugen. Und in der Tat: Bei der Auswertung der Schüsse versammelte sich die gesamte Gästeschar rund um die Scheibe und bestaunte all die Treffer. Alfred N. Becker kam das merkwürdig vor. Er traute der Sache nicht und fragte den Velofahrer, der die Scheibe gebracht hatte: Dieser bestätigte ihm, dass man hinten beim Scheibenstand einfach eine Scheibe mit mehr Treffern genommen hatte. Das bewog ANB, in der Zeitung die Glosse «Mouchen für den König» zu schreiben – der Skandal war perfekt!
Schon als Lehrling bei der Kantonalbank schrieb Becker Sportberichte. Mit 20 machte er sich selbstständig: «Ich hatte kein Geld – nur eine alte Schreibmaschine und die Note 6 im Fach Aufsatz – da wird man Journalist.» Für verschiedene grosse Schweizer Tageszeitungen war er Luzerner Korrespondent. Ein paar Jahre später gründete er eine PR- und Werbeagentur. Sein langjähriger Mitstreiter Kurt H. Illi sagte über ihn: «ANB müsste man Mr. PR nennen – ich kenne niemanden, der so vernetzt denken und handeln kann.»
Das grosse Vorbild von Becker war bereits in der Jugendzeit der Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler. Dessen Tun und Ansichten animierten ihn auch, in die Politik einzusteigen: «‹Dutti› hatte am gleichen Tag Geburtstag wie ich», so Becker, «und er hatte am Anfang wie ich auch kein Geld.» Als damals jüngstes Mitglied wurde Becker auf Anhieb für den Landesring in den Grossen Rat gewählt – diesen prägte er dann sage und schreibe 16 Jahre lang.
Max Fischer