Die Erneuerung des Luzerner Theaters wird jetzt konkret. Architekten zeigen im Auftrag der Stadt, wie man das historische Gebäude erweitern – oder gar völlig neu bauen kann.
Wie weiter mit dem veralteten Luzerner Theatergebäude? Abreissen oder sanieren? Zu diesen Fragen hat die Stadt Luzern eine Testplanung durchgeführt, unter Mitwirkung von Kanton, Denkmalpflege, Theater und Architekten. Jetzt liegt der 70-seitige Schlussbericht vor. Eines vorweg: Einen Entscheid für oder gegen einen Neubau hat die Stadt noch nicht gefällt. Vielmehr zeigt der Bericht die Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten auf.
Allerdings lässt der Bericht durchblicken, dass die Studienautoren etwas mehr Sympathien für die Variante «Sanieren und Erweitern» haben. Dies zunächst einmal aus denkmalschützerischen Gründen. Zwar steht das Theatergebäude aus dem Jahr 1839 nicht unter Schutz. Doch die Eingriffe ins Stadtbild wären wären weniger gravierend als bei einem kompletten Neubau. Deshalb, so die Vermutung der Autoren, würde ein Sanierungsprojekt in der Bevölkerung auf mehr Wohlwollen stossen als ein Neubau. Wörtlich schreiben sie: «Durch den Abbruch des Theaters wird ein Stück gebaute Theatergeschichte gelöscht.»
Doch selbst wenn das historische Gebäude erhalten bleibt – das Gesicht des Ortes an der Reuss wird sich so oder so markant verändern. Denn eine blosse Sanierung des Theaters wurde schon gar nicht erst in die Überlegungen einbezogen. Klar ist, dass das Gebäude deutlich erweitert werden soll. Und diese Erweiterung ist nur in Richtung Theaterplatz, zur Jesuitenkirche hin, möglich.
Mehrere Architektenteams haben im Auftrag der Stadt Luzern bereits einen Entwurf erarbeitet, wie ein solcher Erweiterungsbau aussehen könnte. Viel Lob erhält dabei das Projekt der HHF Architekten in Basel. Ihnen ist es gelungen, das Theatergebäude deutlich zu erweitern, ohne aber den Theaterplatz vollständig zu opfern. Erreicht wird dies dank eines flexiblen und transparenten Erdgeschosses. Dieses kann man bei Bedarf öffnen – so verschmelzen der Innen- und Aussenraum. Insbesondere das Foyer soll in dieser Art gestaltet werden, und selbst das bestehende Gebäude soll teilweise aufgebrochen werden und so zum transparenten Erscheinungsbild beitragen. Zwischen dem Erweiterungsbau und der Jesuitenkirche soll zudem weiterhin ein – verkleinerter – Durchgang bestehen:
Möglichst flexibel soll in diesem Projekt auch das übrige Raumprogramm sein. Insbesondere die Bühnen- und Zuschauerräume sollen bei Bedarf flexibel miteinander verbunden werden. Damit wird ein Stück der Vision «Salle Modulable» wieder aufgenommen. Aus Sicht des Theaters ist dies unverzichtbar für einen modernen Theaterbetrieb. So schreibt Birgit Aufterbeck, Präsidentin der Stiftung Luzerner Theater, in der Einleitung zur Studie: «Betriebsabläufe müssen zwingend einfacher und preiswerter werden als heute. Der Schlüssel dazu sind klug positionierte und kombinierbare Räume, Hinter- und Seitenbühnen, die je nach Veranstaltungsprofil zu variablen Raumfolgen verbunden werden können.»
Damit wird das neue Theater für zwei Arten von Veranstaltungen wesentlich attraktiver als heute: Einerseits für kleinere Anlässe, andererseits aber für grosse Festivals und Opernaufführungen, die heute in Luzern nicht möglich sind – etwa aufwändig inszenierte Verdi- oder Wagner-Opern. Gerade Luzern mit seinem starken historischen Bezug zu Wagner, müsse in der Lage sein, auch dessen Opern aufzuführen, schreibt Birgit Aufterbeck weiter.
Die Architektenteams studierten aber auch die Frage eines kompletten Neubaus. Viel versprechend tönt aus Sicht der Studienautoren das Projekt des Luzerner Teams Bosshard&Luchsinger. Besonders spannend: Sie rücken das neue Gebäude etwas von der Theaterstrasse weg, ganz zur Jesuitenkirche hin. Der heutige Theaterplatz geht so zwar verloren, doch im Bereich der Theaterstrasse würde ein neuer kleiner Platz entstehen. Der heutige «Hinterhof» des Theaters, wo bisher die Bühnenanlieferung erfolgte, würde so neu in den Fokus rücken. Als Fortführung der Achse Kornmarkt-Rathaussteg und zusammen mit der neu gestalteten Bahnhofstrasse würde eine deutliche städtebauliche Aufwertung entstehen. Auch der Haupteingang würde auf diesem neuen Theaterplatz zu liegen kommen. Der Neubau wäre maximal 25 Meter hoch, gegen die Jesuitenkirche hin aber etwas abgeflacht. Hauptattraktion des Neubaus wären das 9 Meter hohe Foyer mit spektakulärem Blick auf die Reuss sowie eine «Roof Top Bar»:
Finanziell würden sich die Varianten Neubau und Erweiterung in etwa die Waage halten – zumindest, was die Baukosten betrifft. Bei den Betriebskosten wäre der Neubau hingegen im Vorteil.
Wie geht’s nun weiter? Im Gutachten heisst es, dass die Erneuerung der Theaterinfrastruktur «binnen 7 bis 9 Jahren überaus dringlich» sei (siehe Kasten unten). Der Luzerner Stadtrat teilt mit, dass er noch keine Schlussfolgerungen und auch keine Entscheide über das weitere Vorgehen getroffen habe. «Im gegebenen Zeitpunkt» werde er aber mit konkreten Anträgen ans Stadtparlament herantreten. Noch zu verhandeln sein wird auch der Kostenteiler für die Baukosten zwischen Kanton und Stadt. Die Stadt als Standortgemeinde und Besitzerin der Liegenschaft hat mit der Testplanung zwar den ersten Schritt gemacht, doch vermutlich wird der Kanton den Löwenanteil der Investitionskosten tragen müssen.
Die vollständige Studie finden Sie hier
Wie lange kann das heutige Theatergebäude in Luzern überhaupt noch sicher betrieben werden? Auch diese Frage wurde in einem separaten Gutachten eingehend untersucht. Die Resultate sind wenig erstaunlich: Das Theater, das seit dem Bau 1839 erst dreimal saniert wurde, ist in vielerlei Hinsicht am Ende seiner Lebensdauer angelangt. Spätestens 2025 drängt sich eine Komplettsanierung, also ein Rückbau auf den Rohbau, auf. Andernfalls «wird die Gefahr einer Kettenreaktion durch Ausstieg mehrerer Bauelemente gross und kann den Betrieb gefährden», heisst es im Bericht. So sind etwa die elektrischen Anlagen völlig veraltet. Ein Checkup vom vergangenen März zeigt, dass die Betriebssicherheit gefährdet sein kann. Auch würden einige Normen nicht mehr eingehalten — so gibt es etwa elektrische Apparate mit fehlendem Berührungsschutz. Die Statik des Gebäudes wurde letztmals 2005 überprüft. Damals zeigten sich keine Auffälligkeiten, angesichts des hohen Alters des Gebäudes wurde aber eine jährliche Kontrolle empfohlen.
Die Sanierungskosten beziffern die Gutachter auf 17 bis 20 Millionen Franken. Dies reicht aber nur gerade, um den Betrieb im bisherigen Rahmen weiterzuführen. Hinzu kommen Kosten beispielsweise für die Erdbebensicherheit, Altlastensanierung und Wärmedämmung. Auch ein allfälliger Erweiterungsbau ist in diesen Kosten nicht enthalten. Und selbst die Sofortmassnahmen, die es braucht, um den Betrieb bis 2025 noch aufrecht zu erhalten, werden auf 3,7 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.
Die vollständige Zustands-Analyse zum Theatergebäude finden Sie hier: