Der Kanton will auch grosse Firmen anlocken. Das Problem: Im Richtplan ist dafür nur je ein Areal in Sempach, Inwil und Reiden vorgesehen.
Alexander von Däniken
Es war ein dicker Fisch, den der Kanton Luzern kürzlich an der Angel hatte: Die an der US-Börse kotierte Firma Biogen mit Hauptsitz in Zug will ab 2019 rund 400 neue Arbeitsplätze in der Schweiz anbieten. Luzern war einer der Standortkantone, die sich interessierten – doch der Fisch ging im solothurnischen Luterbach ins 22 Hektaren grosse Netz (Ausgaben vom Mittwoch und Donnerstag). Luzern hätte zwar die tieferen Steuern gehabt, den Ausschlag gaben aber die Platzverhältnisse.
Tiefe Steuern gleich mehr Unternehmen ergibt mehr Angestellte und damit mehr Steuerzahler: Diese Gleichung verfolgt der Luzerner Finanzdirektor Marcel Schwerzmann (parteilos) mit der kantonalen Finanzstrategie. Kernpunkt: Auf 2012 wurde die Unternehmensgewinnsteuer um die Hälfte gesenkt. Das Zwischenfazit ausgewählter Gemeinden ist gespalten. Nicht überall konnten seither die tieferen Steuereinnahmen mit neu angesiedelten Firmen kompensiert werden. Immerhin zeigen die aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Statistik in die richtige Richtung. Wurden 2011 im Kanton Luzern 430 Firmen gegründet, waren es im Jahr 2013 495 Unternehmen (Ausgabe vom Mittwoch). Noch stärker stieg die Zahl der Beschäftigten von neu gegründeten Firmen (siehe Kasten).
Nur: Wie viel Platz ist im Kanton für neue Firmen überhaupt noch vorhanden? Vor allem für Grossbetriebe mit hohem wirtschaftlichem Nutzen wird es eng. Dies zeigt ein Blick auf den aktuellen Richtplan, der von der Regierung teilrevidiert worden ist und der im September dem Kantonsrat vorgelegt wird. Demnach suchen regelmässig international und national tätige Grossunternehmen in der Schweiz nach geeigneten Standorten. «Die Ansiedelung solcher Unternehmen kann dem Wirtschaftsstandort Luzern wichtige Impulse verleihen», heisst es im Richtplan.
Allerdings steht im nächsten Absatz: «Im Kanton Luzern fehlt ein Angebot an Standorten, die das Anforderungsprofil solcher Unternehmungen erfüllen.» Dazu gehören etwa nahe gelegene Autobahn- und Bahnanschlüsse. Der Kanton hat sich hierzu in einer früheren, noch gültigen Richtplan-Fassung aus dem Jahr 2009 auf acht Standorte konzentriert: Gisikon-Root Südwest, Gisikon-Root Nordwest, Inwil Schweissmatt, Rothenburg Südwest, Sursee Nordost, Dagmersellen West, Reiden Süd und Reiden Südost. In der aktuellen Richtplan-Version blieben nur noch drei Standorte übrig: Schweissmatt in Inwil, Honrich in Sempach und Mehlsecken in Reiden.
Warum sind es nur noch drei Standorte? Mike Siegrist, Kantonsplaner und Abteilungsleiter Raumentwicklung, erklärt: «Die acht Standorte waren nur zur vertieften Prüfung vorgeschlagen. Es war schon 2009 klar, dass nicht alle das Potenzial haben, als definitiver Standort festgelegt zu werden.» Die drei übrig gebliebenen Areale sind nun definitiv im Richtplan und als Reservezonen in den kommunalen Zonenplänen festgelegt.
Die Areale sind in Reiden und Inwil knapp 20 beziehungsweise 30 Hektaren gross, jenes in Sempach rund 10 Hektaren. Reicht das? Zum Vergleich: Der in Ebikon ansässige Aufzughersteller Schindler allein beansprucht eine Fläche von 11 Hektaren, was rund 16 Fussballfeldern entspricht. Mike Siegrist betont, dass sich nicht jedes Jahr ein internationales Grossunternehmen für eine Ansiedelung in der ganzen Schweiz interessiere. «Und 20 Hektaren sind nicht wenig.» Das sieht auch Rouven Willimann so, der bei der Wirtschaftsförderung Luzern für die Ansiedelung von Unternehmen zuständig ist.
Laut Willimann gibt es durchschnittlich eine unverbindliche Anfrage eines Grossunternehmens pro Jahr; dabei müsse sich der Kanton oft mit internationalen Standortkonkurrenten oder anderen Kantonen messen. Wie hart der Wettbewerb ist, zeigt Willimann an einem Beispiel: «Kurz nach der Halbierung der Unternehmensgewinnsteuer hat sich ein Grossunternehmen für einen anderen Kanton entschieden.» Der Steuersatz konnte demnach keine Rolle gespielt haben, wohl aber ein «Zückerchen» des anderen Kantons: «Einzelne Kantone bieten den Unternehmen eine Steuerreduktion an oder erlassen die Steuern gleich ganz.» Der Kanton Luzern verzichte auf solche Tricks – wegen des sowieso schon tiefsten Steuersatzes und um bestehende Unternehmen nicht zu verärgern.
Die Areale sind nicht als Bauzone ausgeschieden, dafür stehen sie als Reservezonen bereit. Bei einem konkreten Interesse eines Unternehmens soll die Standortgemeinde möglichst rasch die planerischen und baulichen Schritte einleiten können. Denn wenn ein Grossunternehmen ein Interesse bekundet, will es laut Siegrist innerhalb von rund 20 Monaten oder rascher mit dem Bauen beginnen.
Der Spielraum für neue Zonen ist nicht nur im Kanton Luzern begrenzt. Gemäss einer Vorgabe des Bundes dürfen in der Schweiz nur noch bei klar begründetem Bedarf Neueinzonungen vorgenommen werden. Primär sollen vorhandene Zonen besser ausgenutzt werden, was auf verdichtetes Bauen hinausläuft.
Für den ganzen Kanton Luzern sieht der Status quo per Ende 2014 gemäss der Dienststelle Raum und Wirtschaft wie folgt aus: In reinen Wohnzonen und in gemischten Wohn- und Arbeitszonen sind noch jeweils 12,2 Prozent nicht überbaut. In reinen Arbeitszonen sind noch 23,1 Prozent oder 430 Hektaren der Flächen frei. Das entspricht ungefähr der Fläche der Gemeinde Buchrain oder 590 Fussballfeldern. Diese freien Arbeitsflächen sind über alle Gemeinden des Kantons verteilt. In Honau und Nottwil sind die Arbeitszonen vollständig bebaut, während in Emmen (45,7 Hektaren), Root (23,6) und Sursee (21,9) am meisten Flächen frei sind.
Diese freien Flächen sind aber oft nicht zusammenhängend; kommen also für Unternehmen mit grösserem Platzbedarf nicht in Frage. Kantonsplaner Mike Siegrist kennt das Problem: «Gerade in der Stadt Luzern gibt es an guten Lagen kaum Platz für Firmen. Allerdings gelten die Vorgaben des Bundes nach Verdichtung überall.» Auch Wirtschaftsförderer Willimann weiss um die Platznot in der Stadt: «Ich hoffe darum, dass das neue Industriegebiet Rösslimatt beim Bahnhof von den SBB bald umgesetzt wird.»
Stichwort Stadt Luzern: Gemäss neuem Richtplan sollen die regionalen Entwicklungsträger wie Luzern Plus für Stadt und Agglomeration stärker in die Verantwortung genommen werden. Diese Gemeindeverbände wissen laut Siegrist am besten Bescheid, wie es um die bestehenden Unternehmen steht.