Der Fall um den Strafbefehl wegen angeblich überzogener Ladenöffnungszeiten wirkt nach: Regierung, Staatsanwaltschaft, Polizei und Detailhändler haben sich zu einer Aussprache getroffen.
Jérôme Martinu
Das hat in Luzern für gehörig Gesprächsstoff gesorgt: Das Seifen- und Kosmetikgeschäft Lush in der Luzerner Innenstadt war von der Polizei wegen eines Verstosses gegen das Ladenschlussgesetz angezeigt und gebüsst worden. Zum Zeitpunkt der Kontrolle an einem Samstag vor Weihnachten waren gegen 16.15 Uhr noch Kunden im Geschäft, die Ladentür war aber bereits geschlossen. Zwei Zivilpolizisten verschafften sich mittels Ausweiszeigen Einlass und wiesen das Personal zurecht. Im Februar folgte der Strafbefehl vom Übertretungsstrafrichter über insgesamt 360 Franken.
Nachdem unsere Zeitung den Fall öffentlich machte, sowie nach erneuter Überprüfung der Fakten hob die Luzerner Staatsanwaltschaft den Strafbefehl auf.
Wie Recherchen zeigen, wirkt der Fall aber noch immer nach. In dieser Woche ist es deswegen zu einem regelrechten Gipfeltreffen gekommen: Regierungsrätin und Justizdirektorin Yvonne Schärli sass zusammen am Tisch mit Oberstaatsanwalt Daniel Burri, Polizeikommandant Adi Achermann, dem Chef der Gastgewerbe- und Gewerbepolizei Thomas Christen sowie Vertretern der Cityvereinigung und des Detaillistenverbandes des Kantons Luzern mit Präsident Heinz Bossert.
Die Beteiligten halten sich bedeckt. Cityvereinigung-Präsident Franz Stalder bestätigt auf Anfrage zwar das Treffen. Er möchte derzeit aber nichts dazu sagen, dies mit Verweis auf die zuerst erfolgende interne Kommunikation. Auch das Justiz- und Sicherheitsdepartement bestätigt die Zusammenkunft. Gemäss Sprecher Erwin Rast soll im Verlauf der nächsten Woche die Öffentlichkeit informiert werden.
Klar ist, dass der Fall Lush Fragen zur Praxis der Öffnungszeiten aufgeworfen hat. Klar ist darum auch, dass das Treffen nebst Aussprache dazu diente, alle in Sachen Ladenschlusspraxis involvierten Protagonisten auf den gleichen Stand der Dinge zu bringen, Unklarheiten zu beseitigen – oder anders formuliert: eine «unité de doctrine» zu vermitteln.
Das war wohl auch nötig, denn aufgrund des Einzelfalls Lush-Filiale zeigte sich, dass polizeiliche Kontrollpraxis und rechtliche Auslegung der Staatsanwaltschaft nicht kongruent waren. Die Polizei hatte sich auf den Punkt gestellt, dass nach Ladenschluss grundsätzlich «keine Kundschaft mehr bedient» werden darf. Gleichzeitig schien es in dieser Sache auch seitens des Detailhandels unterschiedliche Auffassungen zu geben.
Aufgrund des staatsanwaltschaftlichen Entscheids im Fall Lush sind dies die daraus abgeleiteten Spielregeln:
Damit ist insbesondere für die Detailhändler unmissverständlich klar, dass es keine «weichen» Schliesszeiten gibt. Die gerne kolportierte «viertelstündige Toleranzgrenze» ist nicht zulässig – mit Ausnahme des beschriebenen «Ausbedienens». Die Gastgewerbe- und Gewerbepolizei kann auf Gesuch hin ausserhalb der geltenden Öffnungszeiten ausnahmsweise Werbeveranstaltungen, Ausstellungen, Vorführungen oder Ähnliches bewilligen.
Die Luzerner Polizei wird ihre Kontrollarbeit nun an die staatsanwaltschaftliche Auslegung anpassen müssen. Denn laut dem Lush-Geschäftsführer hatte der kontrollierende Polizist in der Filiale klar gemacht, «dass ab 16 Uhr keine Kunden mehr im Laden sein dürften». Nach der Aufhebung des Strafbefehls beantwortete Polizeisprecher Kurt Graf die Frage, ob eine Praxisanpassung nötig sei, wie folgt: «Für die Luzerner Polizei ändert sich grundsätzlich, dass unsere Mitarbeitenden die Situation in solchen Momenten noch detaillierter klären.»
Ladenschlusszeiten werden von der Luzerner Polizei «nicht gezielt» kontrolliert, sondern erfolgen im Normalfall während der üblichen Patrouillentätigkeit. 2013 hat die Polizei in 29 Fällen und 2014 in 25 Fällen rapportiert. Anzeigen werden an den zuständigen Übertretungsstrafrichter übermittelt. Dieser fällt abschliessend den Entscheid, ob eine Busse ausgesprochen wird.