LUZERN: Hohe Hürden für den Abschuss

Der Luchs ist ein geschütztes Tier. Dennoch kann er geschossen werden. Allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen.

Interview Cyril Aregger
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Zwei Jungluchse mit einem Rehkadaver. Die Tiere tappten im Oktober in Graubünden erstmals in eine Fotofalle. (Bild: Amt für Jagd und Fischerei Graubünden)

Zwei Jungluchse mit einem Rehkadaver. Die Tiere tappten im Oktober in Graubünden erstmals in eine Fotofalle. (Bild: Amt für Jagd und Fischerei Graubünden)

15 selbstständige Luchse tummeln sich auf Luzerner, Berner, Nid- und Obwaldner Boden. Dies ergab ein Fotofallen-Monitoring der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) des Kantons Luzern. Die Jäger bekommen die Anwesenheit der Raubkatzen besonders zu spüren (siehe Ausgabe vom 11. Oktober). Für sie ist die Grenze der Population, besonders im Entlebuch, erreicht. Otto Holzgang, Abteilungsleiter Natur, Jagd und Fischerei beim Lawa, erklärt, wie es um Luchs und Jäger steht.

Otto Holzgang, die Jäger stellen seit der Anwesenheit des Luchses fest, dass das Wild scheuer geworden ist. Können Sie diese Erfahrung bestätigen?
Otto Holzgang:
Man kann davon ausgehen, dass die Tiere vorsichtiger geworden sind. Der Luchs als Pirschjäger reisst nicht nur kranke und schwache Tiere, sondern eben auch gesunde, aber unvorsichtige Tiere. Weil jeder Luchs ein grosses Revier durchstreift, kann sich das Wild an dessen Präsenz nur mit seinem Verhalten anpassen. Dauerhaft vorsichtigere Tiere haben damit eine grössere Überlebenschance.

Was bedeutet dies für die Jäger?
Holzgang:
Die Jagd wird definitiv schwieriger. Bevor ein Jäger schiessen kann, muss er das Wild ansprechen. Das heisst, er muss vor der Schussabgabe Tierart, Alter und Geschlecht feststellen. Das ist bei scheuen Tieren viel schwieriger – erst recht in Jagdgebieten mit guter Deckung.

Markus Stalder, Präsident der Revierjagd Sektion Entlebuch, ist der Ansicht, dass die Populationsgrenze des Luchses aus biologischer Sicht im Entlebuch erreicht sei.
Holzgang:
Das ist eigentlich gar nicht das Thema. Die zentrale Frage ist nämlich, ob die Luchspopulation die gesellschaftlich akzeptierte Grösse erreicht hat oder nicht.

Das heisst?
Holzgang:
Auch wenn es biologisch noch mehr Luchse in einer Region verkraften würde, heisst das nicht, dass die Bevölkerung mehr Tiere akzeptiert. Man muss sehen, dass wir bei uns schon lange kein natürliches Ökosystem mehr haben und daher auch der Mensch in die Überlegungen mit einbezogen werden muss. Der Mensch beeinflusst die Natur sehr stark. Weniger durch die Jagd, sondern vielmehr durch Strassen, Siedlungen, Land- und Waldwirtschaft oder auch den Tourismus mit seinen Infrastrukturbauten.

Was geschieht denn, wenn diese gesellschaftlich akzeptierte Grösse erreicht ist?
Holzgang:
Dann können wir handeln. Es gibt gesetzliche Grundlagen, nach denen ein Eingriff in die Population auch bei einem geschützten Tier wie dem Luchs möglich ist. Der Eingriff ist aber nur möglich, wenn es im Jagdregal grosse Einbussen gibt, wenn also zum Beispiel die Verpachtung von Revieren nicht mehr möglich ist, weil der Wildbestand stark abnehmend ist.

Das klingt nicht sehr konkret ...
Holzgang:
Der Bund ist derzeit daran, das bestehende Luchskonzept zu überarbeiten. Dort wird dies genauer geregelt. Die Hürden werden hoch sein: Neben dem abnehmenden Wildbestand muss auch ein hoher Luchsbestand nachgewiesen werden – und zum Schluss braucht es dann noch den Beweis, dass der hohe Luchsbestand auch wirklich mit der Abnahme des Wildes zu tun hat.

Gibt es auch Regelungen, wann ein Luchs geschossen werden kann, falls er Nutztiere reisst?
Holzgang:
Ja. Ein Luchs kann geschossen werden, wenn er innerhalb von 12 Monaten 15 Nutztiere reisst – und das in einem Radius von 5 Kilometern. Vom Luchs gerissene Nutztiere sind jedoch im Kanton Luzern selten.

Wird der Luchs dereinst im gesamten Kanton Luzern heimisch werden?
Holzgang:
Ich weiss es nicht – wer hätte denn vor 30 Jahren gedacht, dass der Wolf mal wieder ein Thema würde? Der Luchs ist zwar heimlich, das heisst, kaum zu sehen, aber er ist nicht sehr menschenscheu. Er kann auch in relativer Nähe zu Menschen leben. Möglich wäre es also.

Hinweis: Das Luchskonzept »