Schon 2025 könnte das Luzerner Theater geschlossen werden. Was kommt danach? Darüber beginnt Luzern jetzt leidenschaftlich zu diskutieren. Auch der Regierungspräsident meldet sich – mit einem fragwürdigen Tweet.
Stadt und Kanton Luzern haben sich auf einen neuen Kostenteiler bei der Finanzierung der fünf grossen Kulturbetriebe geeinigt: Die Stadt zahlt neu etwas mehr (40 Prozent), der Kanton etwas weniger (60 Prozent). Die Gesamtsumme von 28,5 Millionen Franken pro Jahr bleibt aber gleich. Zudem wurde vereinbart, dass die Stadt beim geplanten Theater-Neubau den Lead übernimmt und den grössten Teil davon auch bezahlt (wir berichteten). Die neue Verteilung der Kosten und Aufgaben verdeckt allerdings den Blick auf eine weit grössere und relevantere Frage: Wie soll das Luzerner Theater des 21. Jahrhunderts überhaupt aussehen? Dabei geht es weniger um die Architektur des neuen Gebäudes, sondern um das, was darin stattfinden soll. «Die Kulturverantwortlichen des Kantons und der Stadt müssten den Anspruch haben, das Konzept in Hinblick auf die Zukunft grundlegend zu überdenken», sagt FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp. Er hat im Parlament eine Anfrage eingereicht und will von der Regierung wissen, wie sie sich die konzeptionelle Entwicklung des Luzerner Theaters vorstellt.
Auch Grünen-Kantonsrat Urban Frye findet, dass die Diskussion über die Zukunft des Theaters bisher ungenügend geführt wurde. Damit drohe sich das Drama um die Salle Modulable zu wiederholen:
«Schon bei der Salle Modulable wusste man bis zuletzt nicht genau, was in dem neuen Theaterhaus genau stattfinden soll. Das war einer der Gründe für das Scheitern im Kantonsrat.»
Und wie damals läuft auch heute wieder die Zeit davon. Denn gemäss einem technischen Gutachten sollte das baufällige Stadttheater spätestens 2025 geschlossen werden. Doch von einem allfälligen Neubau existiert bis jetzt nicht mehr als eine vage Vorstellung – sowohl in architektonischer als auch inhaltlicher Hinsicht. Urban Frye sagt: «Wir müssen uns zuerst fragen, welche Funktion das neue Theater erfüllen und wer darin auftreten soll. Erst dann kann man abschätzen, welche Hülle dieses Theater braucht. Doch ich fürchte, dass man jetzt bei der Hülle anfängt und dann versucht, diese mit Inhalt zu füllen.»
Frye, der selber als Kulturwissenschaftler und -produzent tätig ist, weiss auch schon, in welche inhaltliche Richtung das neue Luzerner Theater gehen soll: An die Stelle eines Stadttheaters als abgeschottetem Kosmos soll eine deutlich flexiblere und durchlässigere Institution treten. So soll etwa die freie Theaterszene viel stärker eingebunden werden. In diese Richtung zielte zwar auch das Projekt «Neue Theater Infrastruktur» (NTI) von Stadt und Kanton. Doch konkrete Resultate seien kaum zu sehen, so Frye:
«Jetzt scheint es einfach wieder auf ein klassisches Dreispartenhaus mit Intendant hinauszulaufen.»
Das kritisiert auch Gaudenz Zemp: «Bei der Suche nach der Nachfolge von Benedikt von Peter fand keine Diskussion des Profils statt. Man signalisiert damit: Weiter wie bisher.»
Das Luzerner Theater ist mit jährlich über 20 Millionen Franken mit Abstand der grösste kulturelle Subventionsempfänger (allerdings fliessen 4 Millionen davon gleich weiter ans Luzerner Sinfonieorchester als Abgeltung für die Operndienste). Zemp wie Frye sind sich einig, dass man auch über Geld reden muss. «Letztlich hängt die Finanzierung von den zu erreichenden Zielen ab», sagt Zemp und fügt hinzu:
«Wenn eine Kürzung von Subventionen das Theater zwingt, eine breitere Bevölkerung anzusprechen, dann kann dies sinnvoll sein.»
Gleichzeitig könne man auch zum Schluss kommen, die Beiträge zu erhöhen – sofern dies der Leistungsauftrag rechtfertige. Zuerst müssten aber verschiedene Varianten zum Vergleich vorliegen. Zemp verweist auf erfolgreiche Theaterhäuser in London und New York, die ganz ohne Subventionen auskommen – «während die staatlich finanzierten Theater in der Schweiz mit einer Abnahme ihrer gesellschaftlichen Bedeutung kämpfen.»
In eine ähnliche Richtung zielte kürzlich ein Meinungsbeitrag in der NZZ, welcher an den hoch subventionierten Zürcher Theaterhäusern kein gutes Haar liess und dafür die rentablen Spielstätten in angelsächsischen Grossstädten lobte. Der Beitrag veranlasste sogar den Luzerner Regierungspräsidenten Paul Winiker (SVP) dazu, sich in die Debatte einzubringen. So schrieb er auf Facebook:
Was bedeutet dies für die Luzerner Theater-Debatte? Auf Anfrage unserer Zeitung schreibt Paul Winiker: «Theater haben die Aufgabe, immer wieder neue und provokative Inhalte zu liefern.» Was er damit meint, führte der Regierungspräsident gestern per Twitter aus:
Urban Frye würde eine Subventionskürzung für das Luzerner Theater kaum gutheissen, wohl aber eine Neuverteilung der Gelder. So könnte man beispielsweise dank Kooperationen mit anderen Theatern viel Geld sparen, das man dann für neue Projekte einsetzen kann. Auch für Gaudenz Zemp ist die bisherige Praxis des Luzerner Theaters, «mit 400 Mitarbeitenden bis zu den Perücken alles allein zu machen», nicht mehr zeitgemäss. Wenn dank Kooperationen eine Produktion 30 Mal in der ganzen Schweiz gezeigt werden könne statt bloss 10 Mal in Luzern, könnte dies «die Qualität erhöhen und die Kosten senken.»
«Die Initianten des KKL haben es geschafft, die ganze Bevölkerung hinter sich zu bringen. Davon träume ich auch beim neuen Theater.»
Eine Inhalts-Debatte dürfe aber nicht dazu führen, dass die Theater-Erneuerung auf weitere Jahre hin blockiert bleibt, mahnt derweil SP-Präsident David Roth. «Das Beispiel der ZHB-Sanierung hat gezeigt, dass man Projekte so lange in die Länge ziehen kann, dass die Institution am Ende Schaden nimmt. Zentral ist deshalb, den Theater-Neubau zügig voranzutreiben.»