Die Exekutive ist mit dem Vorprojekt zur neuen Zubringerstrasse nicht zufrieden. Erstmals spricht sie sogar davon, die «Spange» ganz abzulehnen.
Robert Knobel
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Das Grossprojekt Spange Nord hat in der Stadt Luzern keinen leichten Stand: Schon 2014 machte der Stadtrat klar, dass er dem Vorhaben in der damaligen Form nicht zustimmen könne. Unter anderem aufgrund der Kritik aus der Stadt überarbeitete der Kanton das Projekt nochmals – worauf sich die Kosten auf 185 Millionen Franken verdoppelten. Doch auch mit der jetzigen Version kann der Stadtrat nichts anfangen. Das zeigt die Vernehmlassungsantwort des Stadtrats. Er anerkennt zwar, dass die Pläne für den Fuss- und Veloverkehr optimiert wurden. Auch der von 150 auf 350 Meter verlängerte Friedental-Tunnel stösst auf Zustimmung.
Doch das alles ändert nichts an der Tatsache, dass der Stadtrat das ganze Projekt massiv überdimensioniert findet – mit gravierenden Auswirkungen auf die Quartiere. Betroffen sind insbesondere die Gebiete zwischen Maihof, Kantonsspital und Friedental. Die Spange Nord ist eine zumeist vierspurige Zubringerstrasse zur A 2, die gleichzeitig die neue Autobahnumfahrung Bypass erschliessen soll (siehe Grafik). Die Zahl der Spuren ist denn auch der Hauptkritikpunkt des Stadtrats. Beim überarbeiteten Projekt sind sogar noch zusätzliche Fahrspuren dazugekommen. So ist die Fluhmühlebrücke über die Reuss neu mit vier statt drei Spuren geplant. Auch die Zürichstrasse soll von heute zwei auf drei Spuren ausgebaut werden.
«Unsere Bedingungen sind in zentralen Punkten nicht erfüllt», sagt der für Verkehr zuständige Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) und fügt hinzu: «Das Projekt ist in dieser Form nicht stadtverträglich und der betroffenen Bevölkerung nicht zumutbar.» Deshalb fordere man eine weitere Optimierung des Projekts, damit die Auswirkungen auf die Quartiere weniger gravierend ausfallen.>
Sollte eine stadtverträgliche Lösung nicht möglich sein, fordert der Stadtrat, auf die Spange Nord ganz zu verzichten. Dies ist das erste Mal, dass der Stadtrat sie zumindest indirekt in Frage stellt. Bisher lautete die offizielle Position der Luzerner Stadtregierung immer zu Gunsten der beiden Projekte Bypass und Spange Nord. Das Projekt Bypass unterstützt der Stadtrat auch weiterhin – aber notfalls eben ohne die Zubringerstrasse. Der Bund, der den Bypass finanziert, hat allerdings immer klargemacht, dass die beiden Projekte zusammengehören. Ein Bypass ohne Zubringer könne seine Entlastungswirkung nicht entfalten und mache daher keinen Sinn, so der Tenor aus Bern. In der Stadt Luzern scheint man aber ohnehin daran zu zweifeln, dass das Projekt Bypass/Spange Nord den erhofften Quantensprung darstellt. Wird die Innenstadt dank der Umfahrung wirklich massiv vom Autoverkehr entlastet? Oder wäre die Entlastung auch ohne teure Neubauten möglich?
Adrian Borgula betont, dass die Stadt nie entsprechende Berechnungen gemacht habe und dass dies Aufgabe des Bundes sei. Die Verkehrszahlen am Beispiel der Seebrücke lassen allerdings aufhorchen. «Der Autoverkehr geht dort seit Jahren zurück», sagt Borgula. Aktuell passieren täglich rund 36 000 Fahrzeuge die Seebrücke. Gemäss Berechnungen des Bundes würde diese Zahl nach Eröffnung von Bypass/Spange Nord auf 28 000 Fahrzeuge pro Tag sinken. Dies würde es erlauben, zwei von vier Autospuren zwischen Kupferhammer und Luzernerhof als Busspuren zu nutzen.
Eine Autobahnumfahrung für knapp 2 Milliarden, um die Zahl der Fahrzeuge in der Innenstadt um 8000 zu senken? Lohnt sich das? Adrian Borgula sagt dazu lediglich: «Die Entlastungswirkung ist kleiner als ursprünglich angenommen.» Ob sich die von der Stadt schon lange gewünschte durchgehende Busspur auch ohne Bypass/Spange Nord realisieren liesse, lässt Borgula offen.
Den Grossprojekten weht auch anderswo ein steifer Wind entgegen. So fordern in Kriens sämtliche Parteien eine Überarbeitung des Bypass – die neue Autobahn soll weitmöglichst unterirdisch oder überdacht verlaufen. Positiver steht dem Vorhaben der Gemeindeverband Luzern Plus gegenüber. Er unterstütze das überarbeitete Spange-Nord-Projekt, heisst es in einer Mitteilung. Pikant: Bei Luzern Plus ist auch die Stadt Luzern dabei. Adrian Borgula sagt denn auch, dass der Stadtrat nicht hinter der Stellungnahme des Gemeindeverbands stehen könne. Immerhin fordert auch Luzern Plus eine stärkere Beteiligung der betroffenen Anwohner. Auch die FDP und die IG Wirtschaft und Mobilität Luzern stehen hinter dem Projekt des Kantons – und ärgern sich entsprechend über die Haltung des Stadtrats. «Wir nehmen den Kurswechsel in der Mobilitätsstrategie der Stadt Luzern mit Bedauern und Sorge zur Kenntnis», schreibt etwa die IG.
Wie geht es nun weiter? Der Kanton wird nun sämtliche Vernehmlassungsantworten analysieren und dann das weitere Vorgehen festlegen. In einer Mitteilung des Kantons heisst es: «Die erneut kritische Haltung der Stadt Luzern stellt den weiteren Planungs- und Umsetzungsprozess des Projekts vor Herausforderungen.» Man werde deshalb zusammen mit der Stadt nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten suchen.