In der Gassechuchi dürfen Drogen konsumiert werden. Randständige, die «clean» sind, kommen so zwangsläufig mit Drogen in Kontakt. Eine neue Küche soll nun Abhilfe schaffen.
In Luzern befinden sich die Gassechuchi und die Kontakt- und Anlaufstelle (K+A) der kirchlichen Gassenarbeit im selben Gebäude am Geissensteinring. In der K+A ist es Drogenabhängigen möglich, in hygienischer Umgebung ihren mitgebrachten Stoff zu konsumieren. Durch das Nebeneinander von Gassechuchi und K+A verkehren viele Süchtige in der Gassechuchi. Dadurch besteht eine grosse Rückfallgefahr für ehemalige Junkies, die sich im Methadon-Programm befinden. Auch für andere Randständige besteht das Risiko, durch den Kontakt mit Süchtigen drogensüchtig zu werden.
Für Arjen Faber, ehemaliger Leiter der Gassechuchi, der heute in der Notschlafstelle Obdach tätig ist, ist dies ein unhaltbarer Zustand. «Luzern ist die einzige Stadt neben Solothurn, in der Gassechuchi und K+A im selben Gebäude sind.» In Solothurn sei die Situation aber besser kontrollierbar, da die Institution viel kleiner sei. Man habe dort dieses Modell wegen Geldmangels gewählt. International gehe der Trend dahin, Suchthilfe-Angebote zu dezentralisieren. Dies, weil Drogensüchtige dazu neigen, sich gegenseitig aber auch andere Menschen zum Drogenkonsum zu animieren. Tatsächlich sind bereits Fälle von Gassechuchi-Besuchern bekannt, die durch den Kontakt mit Süchtigen selbst begonnen haben, Drogen zu nehmen.
«Der Fixerraum übt auf Armutsbetroffene, die nicht süchtig sind, eine Sogwirkung aus», so Faber. «Das Angebot des Fixerraums ist für sie eine akute Gefahr.» Es dürfe keine Vermischung der beiden Angebote geben. Bei der kirchlichen Gassenarbeit ist man sich dieses Problems bewusst. Man sei inmitten eines Organisationsentwicklungsprozesses, erklärt Fridolin Wyss, Geschäftsleiter der kirchlichen Gassenarbeit, auf Anfrage unserer Zeitung. «Dabei beschäftigen uns unter anderem genau diese Fragen.» Was im Rahmen dieses Prozesses geplant werde, könne er aber frühestens Ende Jahr bekannt geben.
Tatsächlich gibt es Anzeichen, dass sich die kirchliche Gassenarbeit auf die Schwersüchtigen konzentrieren will und eine Verschmelzung von Gassechuchi und K+A anstrebt. Zugangsberechtigt seien nur noch Randständige, die auch drogensüchtig sind, heisst es in den Vorgaben zur Projektentwicklung. Bei der Gassenarbeit will man dazu keine Auskunft geben. «Aufgrund des laufenden Prozesses, in den die Mitarbeitenden eingebunden sind, können wir dazu keine Aussage machen», sagt Wyss. «Es sind noch keine Entscheide gefallen.»
Im Hinblick auf den kommenden Winter macht sich Arjen Faber Sorgen um die Randständigen, die auf der Strasse leben. Die Gäste der Notschlafstelle müssen jeweils morgens um 9 Uhr das Quartier verlassen. «Ich möchte die Leute gerne irgendwo hinschicken, wo sie eine warme Mahlzeit erhalten», so Faber. Doch etwa die Hälfte könne er wegen des Drogenproblems in der Gassechuchi nicht dorthin schicken. In Luzern gebe es mindestens 400 Personen, die den Tag auf der Strasse verbringen müssen, die aber nicht drogenabhängig sind. «Für diese Leute brauchen wir eine Alternative.»
Deshalb plant Faber mit einer Gruppe von Fachleuten den Aufbau einer neuen Gassenküche, die frei von Drogenkonsum und Drogendeal ist. Die Idee ist, einen drogenfreien Ort anzubieten, an dem man sehr günstig essen kann. Das Lokal soll Montag bis Freitag geöffnet sein und sicher mittags, nach Möglichkeit auch abends, warme Mahlzeiten anbieten. Randständige, die dazu in der Lage sind, sollen beim Kochen helfen dürfen.
Faber strebt damit auch Integration und soziale Durchmischung an. «Es soll ein Treffpunkt sein, wo nicht nur Armutsbetroffene, sondern auch andere Leute zusammenkommen.» Denn es gebe immer wieder berufstätige Menschen, die Interesse an einem solchen Kontakt haben. Faber kann sich vorstellen, am Wochenende oder abends kulturelle Anlässe anzubieten, beispielsweise kleine Konzerte. Das Konzept der neuen Gassenküche gleicht jenem des Treffpunkts Stutzegg am Kreuzstutz. Dieser ist ein Begegnungsort, wo neben Mahlzeiten auch Ateliers, Film- und Lottoabende und Ausflüge angeboten werden und die Gäste beim Kochen mithelfen dürfen.
Für die Realisierung des vorläufig auf zwei Jahre befristeten Projekts braucht Faber 250 000 Franken pro Jahr. Dafür ist er auf Sponsoren angewiesen: «Wir werden versuchen, ohne staatliche Mittel durchzukommen.» Faber möchte mit der drogenfreien Gassenküche nicht gegen die bestehenden Angebote konkurrieren. «Ich sehe das als Entlastung und Ergänzung zur Gassechuchi.» Dann könne diese sich nämlich besser auf die Schwerstabhängigen konzentrieren und die Türen für andere Randgruppen schliessen. Damit könne die Gefahr, dass diese dort in den Drogensog geraten, ausgeschlossen werden.
Im Moment sei man in der Konzeptentwicklung und auf der Suche nach möglichen Räumen, so Faber. Sobald das Konzept erarbeitet sei, werde man mit allen gassennahen Institutionen in Luzern Kontakt aufnehmen und abklären, ob Synergien genutzt werden können. Arjen Faber steht mit verschiedenen Personen aus dem Umfeld der Gassenarbeit in Kontakt und hat diese über sein Vorhaben informiert. Bereits in den kommenden Wochen soll das Projekt konkrete Formen annehmen.
Auch beim Verein Hôtel-Dieu, der den Treffpunkt Stutzegg führt, hat man über ein drogenfreies Lokal nachgedacht. «Wir hatten dieses Frühjahr eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die das Thema einer drogenfreien Stube für Menschen mit einer Suchtproblematik andiskutiert hat», sagt Jacqueline Keune, Co-Präsidentin des Vereins. «Die Gruppe hat sich zu einigen Sitzungen getroffen und sich dann wieder aufgelöst.» Der Verein müsse im Moment andere Prioritäten setzen und seine Energie in den bestehenden Treffpunkt an der Baselstrasse investieren, so Keune. «Es ist gut möglich, dass so eine Stube für Suchtbetroffene wieder einmal ein Thema für uns wird, im Moment ist er aber keines.»