LUZERN: «Reformtempo ist gedrosselt»

Der Kanton verfüge über eine schlanke Bildungsverwaltung, reagiert Regierungsrat Reto Wyss auf Kritik aus Lehrerkreisen. Er räumt ein, dass die administrative Belastung für die Lehrer hoch sei.

Rainer Rickenbach
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Bildungsdirektor Reto Wyss. (Bild: Manuela Jans / Neue LZ)

Bildungsdirektor Reto Wyss. (Bild: Manuela Jans / Neue LZ)

Das Personal beim Bildungsdepartement ist in den zurückliegenden Jahren recht stark gewachsen (Grafik). Dazu zählen zwar auch die Lehrpersonen an den Gymnasien und Berufsschulen, doch deren Zahl ist wegen der stagnierenden Schülerzahlen und der grösseren Klassen stabil und bald sogar leicht rückläufig. In Lehrerkreisen wird das Wachstum der Verwaltung im Bildungsbereich kritisiert – auch vor dem Hintergrund der von der Regierung angekündigten Sparzwangsferien (Ausgaben von 16. und 19. November).

Wo entstehen die neuen Stellen? Warum wird bei den Schullektionen und nicht bei der Verwaltung gespart?

Reto Wyss, ein früherer Rektor der Kanti Alpenquai kritisiert: «Die künstlich konstruierte Komplexität des Bildungswesens rief nach unzähligen Verwaltungsstellen.» Was läuft falsch?

Reto Wyss*: Da gab es sicher eine Entwicklung. Die Schule und ihre Aufgaben wurden komplexer, denn die Schule ist ein Abbild unserer Gesellschaft. Bei der Aussage stellt sich freilich die Frage: Was genau zählt zur Verwaltung? Dazu gehören nämlich vom Schulsekretariat über den Hausabwart bis zum Mensapersonal alle. Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass wir unsere Aufgaben effizient und schlank erfüllen. Aufgaben, die bestimmt nicht weniger wurden.

Von 2010 bis 2013 entstanden aber beim Bildungs- und Kulturdepartement 208 neue Vollzeitstellen. An den Lehrpersonen kann es nicht liegen, ihre Zahl ist stabil.

Wyss: Es handelt sich nicht um neue, sondern um bestehende Stellen im heilpädagogischen Bereich. Er war vorher Sache der Gemeinden, in den letzten paar Jahren wurden die heilpädagogischen Tagesschulen und Früherkennungsdienste kantonalisiert. Zudem war es nötig, die heilpädagogische Betreuung auszubauen. Deshalb tauchen in diesem Zeitraum 180 Stellen neu im Stellenplan des Departementes auf. Was das Verwaltungs- und Betriebspersonal angeht, so nimmt die Zahl der Vollzeitbeschäftigungen sogar leicht ab. Blickt man weiter zurück, lässt sich die Verschlankung bei der Bildungsverwaltung deutlich erkennen: Seit 2000 entwickelte sich die Zahl der Bildungsverwaltungsstellen etwa in der Dienststelle Volksschulbildung von 74 auf knapp 50 Vollzeitstellen zurück.

Mit der Zwangsferienwoche an den Gymnasien und Berufsschulen ist die Diskussion über die Bildungsverwaltung neu entfacht. Was halten Sie der Kritik entgegen, das Gleich­gewicht stimme nicht?

Wyss: Ich veranschauliche es an einem Beispiel: An der Kantonsschule Reussbühl gibt es 6,6 Verwaltungsstellen. Ihnen stehen in Reussbühl 121 Lehrpersonen und 916 Schüler gegenüber. Dazu kommen 3,8 Stellen in der Departementszentrale, deren Inhaber sich um alle acht Gymnasien im Kanton kümmern. Bei solchen Zahlen kann doch von einer überbordenden Verwaltung keine Rede sein. Unsere Verwaltung ist schlank. In den nächsten vier Jahren ist im Bereich Berufs- und Weiterbildung die Einsparung von weiteren neun Stellen geplant.

Sie sparen im Back­office?

Wyss: In der Dienststelle Volksschulbildung wurden Verwaltungsstellen nicht mehr ersetzt, und der Stellenetat beim Beratungsangebot der Berufsschulbildung ist ebenfalls kleiner geworden – er sank in den letzten drei Jahren um 17 Mitarbeitende. Die neuen Sparmassnahmen bringen zudem die Schliessung von Bibliotheken mit sich.

Trotzdem steigen die Ausgaben des Bildungsdepartements im kommenden Jahr auch mit der Einsparung durch die Zwangsferien um 3,5 Millionen Franken. Warum?

Wyss: Der Kanton zahlt den Gemeinden wieder mehr Pro-Kopf-Beiträge für die Schüler. Denn in den Kindergärten steigt die Zahl der Kinder bereits wieder, in zwei Jahren wird das auch in den Primarschulen der Fall sein. Dazu gesellt sich der höhere Aufwand für die Sonderschulen, insbesondere für Sonderschüler, die eine intensive Betreuung benötigen. In der Berufsbildung gibt es gut hundert Lehrlinge mehr als vor einem Jahr. Das hat mehr Klassen zur Folge. Ein wichtiger Kostentreiber sind die Hochschulen. Wir haben mehr Luzerner Studierende, die auswärts studieren. Die Beiträge für sie kosten uns fast doppelt so viel wie der Gesamtaufwand für die Universität Luzern.

Wenn doch die Luzerner Bildungsverwaltung so schlank ist, warum beschweren sich dann zahlreiche Lehrpersonen, die Schule sei überadministriert?

Wyss: Diese Klagen gibt es, und das Unbehagen darüber ist auf hohem Niveau konstant. Die Lehrpersonen absolvieren viele Sitzungen und schreiben zahlreiche Berichte. Bei den Berufsschulen haben wir darum bereits administrative Erleichterungen eingeleitet, damit sich die Lehrerinnen und Lehrer besser auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.

In der Volksschule steht mit dem Lehrplan 21 eine weitere Neuerung an.

Wyss: Bei den Volksschulen ist das Reformtempo gedrosselt, der Lehrplan 21 bringt für die Lehrpersonen keinen zusätzlichen Schreibkram mit sich. Die Entwicklung der letzten Jahre war für die Lehrer sehr anspruchsvoll, das räume ich ein. Doch unsere Volksschulen befinden sich dafür in einer guten Verfassung. Dieses Lob höre ich oft.

Das Bildungsdepartement beschäftigt eine PR- und Medienagentur mit einem Dauerauftrag. Zählt das wirklich zu den Kernaufgaben einer öffentlichen Dienstleistungseinrichtung?

Wyss: Ein Werbebüro produziert für uns Hefte für die Berufsschule und die Volksschule. Diese sind kostendeckend durch Inserate gedeckt, sie kosten die Steuerzahler also keinen Rappen. Die Hefte gehen zweimal im Jahr in jeden Haushalt im Kanton. Für uns ist es wichtig, mit den Eltern und der Privatwirtschaft zu kommunizieren. Wir wollen schliesslich unsere Leistungen auch bekannt und auf unser Schulangebot aufmerksam machen.

HINWEIS

* Reto Wyss (50, CVP) ist seit 2011 Regierungs- rat im Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern.