Um das Reusstal vor Hochwasser zu schützen, will der Kanton dem Fluss grosse Mengen Kies entnehmen. Die Umweltverbände warnen.
Lena Berger
167 Millionen Franken sollen in den Hochwasserschutz und die ökologische Aufwertung des Reusstals investiert werden. Davon werden sicher auch die von Aussterben bedrohten Äschen profitieren, die in der Reuss leben könnte man meinen. Mitnichten, warnen allerdings die Umweltverbände Aqua Viva, Pro Natura und WWF. Sie befürchten genau das Gegenteil.
Kritisiert wird, dass sich die Lebensbedingungen für die bedrohten Wasserbewohner durch das Projekt massiv verschlechtern würden. Der Knackpunkt: Wenn das Projekt wie geplant umgesetzt wird, sollen der Reuss beim Reusszopf und im Abschnitt Schiltwald jährlich etwa 12 000 Kubikmeter Kies und Sand entnommen werden. Das entspreche 75 Prozent der gesamten Kies- und Sandmengen in diesem Abschnitt. «Eine Katastrophe für viele Fischarten», schreibt die Gewässerschutzorganisation Aqua Viva in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Vernehmlassung. «Fehlt es an Kies und Sand, finden Fische wie die Äsche keine geeigneten Lebensbedingungen vor und sterben früher oder später aus.» Sei der Kies weg, seien es die Fische auch bald. Dabei sei die Luzerner Reuss eine Äschenregion von nationaler Bedeutung.
Die Umweltverbände fordern unter anderem, die Kiesentnahme zu reduzieren, sowie die heute nicht oder nur teilweise funktionierenden Fischwanderhilfen bei den Wasserkraftwerken Mühlenplatz, Rathausen und Perlen im Rahmen des Projektes zu sanieren. Sie machen geltend, sie hätten ihre Vorschläge technisch, wissenschaftlich und ökologisch im Rahmen einer externen Machbarkeitsstudie abgestützt. «Letztlich handelt es sich um einen Expertenstreit», sagt Stefan Kunz, Geschäftsführer von Aqua Viva. «Wir behaupten aufgrund unserer Berechnungen, dass sich die Flusssohle nicht so entwickeln wird, wie der Kanton dies erwartet.»
Die Entnahme von Geschiebe ist allerdings eine der Kernmassnahmen, um den Hochwasserschutz zu gewährleisten. «Es gibt einen gewissen Zielkonflikt zwischen der Sicherheit und dem Schutz der Fische», räumt Kunz ein. Es sei völlig klar, dass Kies entnommen werden müsse. «Wir kritisieren aber den Umfang und stellen in Frage, ob es bauliche Hochwasserschutzmassnahmen in diesem Ausmass braucht.»
Der Kanton ist überzeugt, dass das Hochwasserschutzprojekt an der Reuss zusammen mit den geplanten Renaturierungsmassnahmen einen ökologischen Mehrwert bringen wird. Letzten Sonntag sagte Albin Schmidhauser, Abteilungsleiter Naturgefahren bei der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur, in unserer Zeitung: «Wir erfüllen die Kriterien, die der Bund in Stellungnahmen und in der Programmvereinbarung im Umweltbereich kommuniziert hat.»
Doch wie steht man nun zur Einschätzung der Umweltverbände, dass die Lebensbedingungen der Fische durch das Projekt massiv verschlechtert würden? Diese Frage lässt sich vorderhand nicht beantworten. Gemäss Schmidhauser würden keine einzelnen Stellungnahmen kommentiert. Aber: «Wir werden für die Formulierung des Mitberichts zum Vernehmlassungsverfahren mit einigen Vernehmlassungsteilnehmern Gespräche führen», erklärt er. Es dürfte also zu einer Aussprache mit den Umweltverbänden kommen. Im November wird das Projekt dann öffentlich aufgelegt.
Lena Berger