Wenn die Schlagerstars auftreten, geht die Post ab. In der ausverkauften Halle 1 der Messe war das nicht anders. Einige Fans drohten schier zu überhitzen.
Die Temperatur im Raum steigt im Minutentakt. Die Halle 1 der Messe Luzern ist am Sonntagabend rappelvoll. 5000 Schlagerfans tanzen, klatschen und singen zur Musik ihrer Lieblinge. Noch vor der Pause nähert sich der Abend dem Höhepunkt. Die Schuld trägt der Österreicher Marc Pircher, der die Menge nach wenigen Takten des Ohrwurms «Schatzi, schenk mir ein Foto» auf die Tische oder in die Gänge treibt.
Wer nicht an einer Polonaise oder einem Tanz beteiligt ist, johlt lauthals mit. Kaum jemand, der sich nicht anstecken lässt. Abgesehen von den fleissigen Servicemitarbeiterinnen und den Sicherheitsleuten. Wobei Letztere nur zum Zuweisen der Tische gebraucht wurden, wie Veranstalter Samuel Honegger sagte. «Fantastisch. Die Halle ist voll und die Stimmung ausgelassen, aber dennoch friedlich.»
Mit Klassikern wie «Sierra Madre» oder dem Oldie «Y.M.C.A.» hat Pircher die Leute bald im Sack. Einen kecken Auftritt legte zuvor die noch weniger bekannte Hannah aus Tirol hin. Sie verstand es, mit dem Publikum zu kokettieren. So sprang sie schnurstracks von der Bühne und nahm mit einem Francesco aus dem Publikum Tuchfühlung auf. «Na, ist dir ‹hoass›?», fragte sie ihn und zog seinen Kopf bedrohlich nahe an ihr Décolleté. «Natürlich, schau dich doch an. Das ist ganz schön hitzig», entgegnete dieser. Als Hannah von der Schweiz und den schönen Städten und Seen schwärmte, meinte Francesco: «Komm zu mir nach Hause, dort siehts ganz anders aus.» Die Halle tobte. Als die Tirolerin die Fans aufforderte, sich zu erheben, war der Bann gebrochen.
Leonard und die weiteren Künstler hatten danach leichtes Spiel, die Fans waren in Fahrt. Einige sind auffällig früh auf die Tische gestiegen. «Wir feiern hier unser Betriebsfest. Ich mag die Musik und besuche solche Anlässe häufig», sagt Nicole (18) aus Luzern, die wie viele Frauen ein Dirndl trägt. Einige ihrer Kolleginnen geniessen «bloss die Stimmung. Die Musik ist nicht unser Ding», sagt die 16-jährige Sabrina im schwarz-rot karierten Hemd, die mal hier, dann dort herumhüpft. Auch der 24-jährige Dominic lässt sich eher von der Stimmung als von der Musik treiben. Lederhosen trägt er auch nicht. «Ich sehe auch ohne gut aus», scherzt er und bringt Nicole zum Lachen.
Fans jeden Alters sind da. Bernadette (54) aus Müswangen reiste mit Tochter Vanessa (21) an. Die Tochter freute sich am frühen Abend auf Beatrice Egli, die Mutter auf Semino Rossi. «Der berührt die Seele.» Als die Amigos die Bühne besteigen, leuchten Vanessas Augen. «Die Musik habe ich immer mit Papi im Auto gesungen.» Und warum ist dieser nicht dabei? «Wir hatten nur zwei Tickets», sagt Bernadette schmunzelnd.
Roger Rüegger