Luzerner Kriminalgericht
Messerstecherei beim KKL: Somalier muss nach der Haft die Schweiz verlassen

Zuerst prügelten sich die beiden Männer an der Baselstrasse in Luzern, einen Tag später eskalierte der Streit auf dem Europaplatz. Die Staatsanwaltschaft spricht von versuchtem Mord, die Verteidigung von Körperverletzung.

Sandra Monika Ziegler
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In den frühen Morgenstunden des 5. Juli 2020 kam es in der Stadt Luzern an der Baselstrasse zuerst zu einem handfesten Streit zwischen zwei Männern. Laut 62-seitiger Anklageschrift folgten den verbalen Attacken Faustschläge, die beiden Männer prügelten aufeinander ein. Die Polizei nahm beide in Gewahrsam, liess den einen jedoch später wieder auf freien Fuss.

Eingangsbereich beim Kriminalgericht Luzern am Alpenquai.

Eingangsbereich beim Kriminalgericht Luzern am Alpenquai.

Bild: Philipp Schmidli

Einen Tag später trafen die beiden Männer – ein Somalier und ein Tunesier – gegen 21 Uhr wieder zusammen, dieses Mal auf dem Europaplatz. Zwischen den beiden herrschte eine «aufgeheizte Stimmung», der Streit eskalierte. Der Beschuldigte nahm sein Taschenmesser und stach mit einer über 6 Zentimeter langen Klinge in den Rücken des anderen. Laut Anklage stach er insgesamt sechs Mal in den Rücken- und Nackenbereich des Opfers. In das Tatgeschehen mischten sich die Begleiter der Streithähne, vermochten jedoch nicht zu schlichten.

Mehrmals zugestochen

Nach einer kurzen Pause griffen sich die beiden erneut an. Der Beschuldigte stach ein weiteres Mal zu und kickte mit seinem Fuss gegen den Kopf des inzwischen zu Boden gegangenen Mannes. Später floh der Beschuldigte über den Bahnhofplatz und der Verletzte nutzte die Rolltreppe in den Bahnhof. Unten angekommen brach er zusammen, er wurde erstversorgt und mit der Ambulanz ins Spital gebracht. Die Stichverletzungen waren lebensbedrohlich, heisst es in der Anklage. Der Beschuldigte wurde verhaftet und sitzt seit dem 7. Juli 2020 in Sicherheitshaft. Bei den Einvernahmen betonte der Beschuldigte den Streit nicht verursacht zu haben. Der andere – Opfer und Privatkläger – sei es gewesen und dieser habe immer wieder seine Mutter und ihn beleidigt.

Videoaufnahmen und Zeugenaussagen belegen, dass der Privatkläger den Streit anzettelte und versuchte, dem Beschuldigten mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen, es habe nach einer «leichten Ohrfeige» ausgesehen. Der Beschuldigte musste zu diesem Zeitpunkt vom Privatkläger keinen Angriff mit der Bierflasche erwarten, wie er zuerst behauptete. An der Hauptverhandlung machte er alkohol- und aufregungsbedingte Erinnerungsschwierigkeiten geltend und widerrief sein Geständnis.

Versuchte vorsätzliche Tötung

Vom Gericht wurden die Erinnerungslücken jedoch als Schutzbehauptung gewertet. Eine direkte Tötungsabsicht, so das Gericht, sei knapp zu verneinen, jedoch habe er den Tod des Privatklägers in Kauf genommen. Es bedürfe keiner erhöhten Intelligenz, dass Stichverletzungen im Oberkörper – auch im Rücken – mit hoher Wahrscheinlichkeit tödliche Folgen haben können. Das Luzerner Kriminalgericht beschuldigt den Mann der versuchten vorsätzlichen Tötung und des Raufhandels. Schuldausschlussgründe seien keine vorhanden. Der 31-jährige Somalier wird zu 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt.

Der Beschuldigte kam 2015 als Flüchtling in die Schweiz und hat seit 2017 die Aufenthaltsbewilligung B, mit der er einer Berufstätigkeit nachgehen hätte können, was er nicht tat. Zudem hat er in der Schweiz keine Familienangehörigen und verfügt hierzulande über keine Bezugspersonen. Seine Integration in die Schweiz sei nach über 6 Jahren klar als ungenügend zu bezeichnen, so das Gericht. Zur Haftstrafe wird ein Landesverweis von 15 Jahren ausgesprochen. Gegen das Urteil wurde Berufung angemeldet.