Luzerner Kitas sollen Eltern ungenutzte, aber bezahlte Krippenplätze zurückerstatten. Das Geld des Kantons ist aber mit Bürokratie verbunden.
Die Situation ist verzwickt: Aufgrund der Coronakrise hat der Bundesrat Mütter und Väter angehalten, ihre Kinder zuhause zu betreuen, statt sie in die Krippe zu bringen. Kitas wiederum wurden verpflichtet, ihre Türen offen zu halten. Einnahmen, die Krippen und Tageselternvermittlungsstellen wegen Corona durch die Lappen gehen, will die Regierung nun mit Ausfallentschädigungen kompensieren. Vier Millionen Franken sind vorgesehen (Artikel vom 21. April).
Bloss: Die meisten Kitas haben derzeit gar keine Ausfälle. Denn: Eltern sind vertraglich verpflichtet, ihre Kitabeiträge zu zahlen. So sagt Claudio Conrad, Geschäftsleiter der Müsliburg GmbH, die täglich 104 Plätze anbietet: «Obwohl wir in unseren vier Tagesstätten in der Luzerner Allmend, im Alpenquai, im Citybay und in Stans nach dem Lockdown bis zu 70 Prozent weniger Kinder betreuten, verweigert niemand die Beitragszahlung.»
Nicht anders sieht es bei der Kinderkrippe Hurrlibus in Willisau aus, die von einem Verein getragen wird. Präsidentin Myriam Schärli sagt:
«Wir haben praktisch keine Ausfälle. Ich spreche den Eltern ein grosses Lob aus.»
Und dies, obwohl die 19 Plätze teils gar nicht mehr genutzt würden.
Auch die Kita «Kleine Matrosen» mit 19 Plätzen in Hitzkirch betreut aktuell nur einen Bruchteil der Kinder, die sonst anwesend sind. «Dennoch haben unsere Eltern die Beiträge fristgerecht beglichen», sagt Geschäftsführerin Janina Bavendiek. Allerdings habe es auch erste Kündigungen von Kitaplätzen gegeben. Sie habe zu Beginn des Lockdowns die Eltern informiert, dass die Kita ihren Betrieb aufrechterhalte, der Verzicht aber freiwillig sei und die Betreuungsbeiträge geschuldet bleiben. «Wir animieren die Eltern nun, ihre Töchter und Söhne wieder an den Kita-Alltag zu gewöhnen. Sonst wird es emotional schwierig.»
Rund 100 Kitas gibt’s im Kanton Luzern, 36 davon in der Stadt Luzern. Mittels Umfrage wollte man von ihnen erfahren, wie es um Einbussen steht. Das Resultat der 29 Rückmeldungen: Viele Eltern zahlen die Beiträge weiterhin, wenn auch zähneknirschend. Zugleich sank die Belegung von 80 auf 25 Prozent. Ruedi Meyer, Leiter der städtischen Abteilung Kinder, Jugend und Familie sagt: «Bisher ist uns nicht bekannt, dass eine Kita unmittelbar wegen des jetzigen Lockdowns Konkurs anmelden musste. Aber Eltern, die aktuell Einkommenseinbussen haben, sind doppelt belastet. Hier braucht es dringend eine Unterstützung.»
Bei den Kitas könnte vor allem in der Zeit nach Corona eine Lücke entstehen. «Neueintritte wurden verschoben.» Und weiter:
«Drei Prozent der Eltern haben ihren Kitaplatz bereits gekündigt.»
Auch Conrad von den Müsliburg-Kitas sagt: «Die brenzlige Phase kommt erst noch. Einzelne Eltern, deren Kind ab August den Chindsgi besucht, haben aufgrund von Corona den Platz früher als geplant gekündigt. Anfragen für Kitaplätze ab Schulanfang fehlen komplett.»
Die Reaktionen der Kitas zeigen: Der Begriff «Ausfallentschädigung» verwirrt. Edith Lang, Leiterin der Dienststelle Soziales und Gesellschaft, sagt: «Das Ziel der Ausfallentschädigung ist der Erhalt der Kitas und Tagesfamilienvermittlungsorganisationen und damit verbunden die finanzielle Entlastung der Eltern.» Dass man Strukturen unterstütze und nicht gleich Beiträge ungenutzter Kitaplätze an Eltern rückerstatte, liege auch an den Zuständigkeiten: «Rund 30 Gemeinden kennen Unterstützungsleistungen an Eltern und setzen Betreuungsgutscheine als finanzielle Unterstützung für die familienergänzende Betreuung von Kindern im Vorschulalter ein.»
Damit Kitas Elternbeiträge ungenutzter Plätze im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni zurückzahlen können, müssen sie für die vertraglich vereinbarten Betreuungstage ein Gesuch einreichen. Heisst: Werden Kitas nicht aktiv, bleiben die Eltern auf den Kosten sitzen. Lang sagt:
«Wir empfehlen Kitas und Tageselternvermittlungsstellen bereits erfolgte Zahlungen an eine spätere Nutzung anzurechnen.»
Kitas müssen dem Kanton nun die betroffenen Plätze melden und unter anderem einen Halbjahresabschluss senden. Denn Entschädigung gibt's nur, sofern Ende Juni kein Gewinn anfällt. Kurzarbeitsentschädigungen werden abgezogen. «Ein Musterbeispiel wäre begrüssenswert gewesen. Dann würde ich sehen, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt», sagt Conrad von der Müsliburg Gmbh. «Das Ganze ist nicht zu Ende gedacht.» Er plant, für die Juni-Beiträge einen Rabatt zu gewähren und Jokertage gutzuschreiben.
Bei der SP, die per Petition eine Unterstützung der Kitas gefordert hat, ist man erfreut, setzt die Regierung endlich ein Zeichen. Kantonsrat Urban Sager sagt: «Es geht um einen namhaften Betrag. Und es wäre falsch, wenn dieser nun einzig von den Eltern getragen werden müsste, damit die Kitastrukturen bestehen bleiben.»
Die Regierung habe die Kitafrage aber lange verdrängt, in der Hoffnung, der Bund löse das Problem. Und tatsächlich: Sowohl aus dem Ständerat wie auch aus dem Nationalrat wurden Kommissionsmotionen eingereicht, um familienergänzende Kinderbetreuung zu unterstützen. Der grossen Kammer schwebt ein Kredit von 100 Millionen vor. Sager sagt: «Runtergerechnet auf die Luzerner Bevölkerung ergäbe dies ebenfalls rund 4 bis 5 Millionen Franken. Das ist wohl kein Zufall.»