Startseite
Zentralschweiz
Luzern
Der kanadische Astronaut David Saint-Jacques umfliegt die Erde sechzehnmal pro Tag. Am Montag sprach er per Funk mit Luzerner Kantischülern. Eine ihrer Fragen erwischte ihn auf dem falschen Fuss.
Sie umkreist die Erde mit einer Geschwindigkeit von 28 000 Kilometern pro Stunde. Die Rede ist von der Internationalen Raumstation (ISS). Auf der Umlaufbahn befindet sie sich seit stolzen achtzehn Jahren. Am Montagnachmittag gewährte die dreiköpfige Besatzung der ISS Einblick in ihren Alltag. Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Musegg erhielten Gelegenheit, den kanadischen Astronauten David Saint-Jacques zu befragen.
Ein Interview der ganz besonderen Art, das sich im kleinen Funkraum des Departements Technik & Architektur der Hochschule Luzern abspielte. Der Zugang zu diesem Raum könnte unscheinbarer nicht sein: Er befindet sich neben einem Getränkeautomaten im dritten Stock der Hochschule in Horw. Daneben stehen zwei Töggelikästen, die rege genutzt werden. Eine Handvoll Kantischüler hat sie in Beschlag genommen. Sie gehören zu den zwanzig Auserwählten, die schon bald mit Saint-Jacques sprechen dürfen.
Zu den Glücklichen gehören auch die beiden 17-Jährigen Alina Keiser und Natalie Siegenthaler. Sie sind hier, weil sie im schulinternen Wettbewerb besonders kluge Fragen eingereicht haben. Nervös seien sie gar nicht, sagen sie. Noch nicht jedenfalls. «Aber es wird bestimmt stressig», sagt Alina. «Wir haben vorhin geübt, wir müssen innerhalb von sechs Minuten zwanzig Fragen stellen. Wir wissen nicht, ob wir überhaupt zum Fragestellen kommen.» Alina und Natalie kommen erst als 15. und 16. an die Reihe.
Wer in den Funkraum tritt, trifft auf konzentrierte Vorbereitungsarbeiten. Zwei Amateurfunker sitzen jeweils vor einem gut 15 Jahre alten Transceiver, der senden und empfangen kann. Auf einem Bildschirm verfolgen die Funker den Standort der Raumstation. Es ist 15.45 Uhr, die ISS schwebt über dem Südatlantik. In weniger als einer Stunde wird sich David Saint-Jacques über Horw befinden, 400 Kilometer über der Erdoberfläche. «Die Berge sorgen für einige Herausforderungen», sagt Martin Klaper, pensionierter Informatik-Dozent der Hochschule und leidenschaftlicher Amateurfunker:
«Der Pilatus unterbricht unsere Funkverbindung für eine Weile, weswegen wir nur wenig Zeit für das Interview haben.»
Dann wird’s ernst. Die zwanzig Kantischüler betreten den Raum und stellen sich der Reihe nach auf. Der Amateurfunker Armin Rösch nimmt Kontakt auf mit der ISS. Mehrmals spricht er die Raumstation an. Keine Antwort. Bis schliesslich alle die Stimme Saint-Jacques’ vernehmen; körnig, doch klar verständlich. Er sei bereit für die Fragen. «Schiessen Sie los!», sagt er auf Englisch.
Welche Stadt findet der Astronaut von oben betrachtet am schönsten? «Moskau», erwidert Saint-Jacques. Im Schnee sehe die russische Hauptstadt toll aus. Kann man von der ISS aus abstimmen? «Gute Frage!», meint Saint-Jacques. «Das sollte möglich sein. Ich werde das abklären müssen.» Auch Natalie und Alina kommen noch an die Reihe. «Hat man auf der ISS Freizeit?», fragt Natalie. «Ja. Ich persönlich beobachte die Städte und versuche zu erraten, wie sie heissen», antwortet Saint-Jacques. Und Alina fragt: «Kann man auf der ISS krank werden?» Könne man, sagt der Astronaut. Obwohl es im Weltall keine Bakterien gebe.
Danach wird Saint-Jacques Stimme zum Rauschen. Die ISS ist jetzt rund 1700 Kilometer entfernt, geht in der Nähe der Rigi unter. Die letzten vier Schüler können ihre Fragen leider nicht mehr stellen. Alina und Natalie steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. «Es war megacool», sagt Alina. Natalie: «Ich hatte schon Angst, dass wir nicht mehr drankommen.»
Applaus ertönt, der Funkspruch ist geglückt. Mathe- und Physiklehrer Kevin Zihlmann ergreift das Mikrofon und tritt vor die Kamera. Das Geschehen wurde live in die Kantonsschule Musegg übertragen. «Ich habe richtige Gänsehaut», sagt Zihlmann, der lange auf diesen Funkkontakt hingearbeitet hat. Die Astronauten hätten mit diesem Gespräch eindrucksvoll gezeigt, wie ernst sie junge Menschen nehmen – und wie wichtig die Schüler von heute für die Zukunft seien.