Der Kanton wird überschwemmt mit Kurzarbeitsgesuchen. Bei der Auszahlung kommt es zu Verzögerungen, weil die Unternehmen unvollständige Unterlagen an die zuständige Behörde schicken.
Die Coronakrise schüttelt die Wirtschaft im Kanton Luzern kräftig durch. Das zeigen die aktuellen Zahlen zur Kurzarbeit im Kanton, welche die zuständige Behörde WAS wira Luzern gestern just zum Tag der Arbeit veröffentlicht hat. Demnach sind 97'000 Arbeitnehmer davon betroffen. Das entspricht rund 39 Prozent aller Arbeitnehmer im Kanton Luzern. Betroffen sind insgesamt 7500 Firmen.
Martin Bucherer, Leiter der Dienststelle WAS wira Luzern, sagt dazu:
«Das Volumen sprengt alle Erwartungen.»
Man habe mit einem grossen Anstieg gerechnet, aber nicht in diesen Dimensionen. Bei der Finanzkrise 2007/2008 habe es schon viele Gesuche um Kurzarbeit gegeben. Doch Corona übertrifft alles: «Es sind aktuell knapp zehnmal mehr Gesuche als während der Finanzkrise.»
Um dem Ansturm gerecht zu werden, hat die Behörde massiv Personal aufgestockt. Während vor der Krise ein 80-Prozent-Pensum für die Abrechnung der Kurzarbeitsentschädigung ausreichte, arbeiten in diesem Bereich ab Montag 30 Personen. Ein Teil des neuen Personals sei intern umplatziert worden. Etwa vom RAV, wo Beratungsgespräche nur noch telefonisch durchgeführt werden. «Viele Mitarbeiter sind auch neu eingestellt worden», so Bucherer. Und diese müssen Überstunden leisten – wenn auch in Massen. Bucherer sagt, er habe die Höchstarbeitszeit vorübergehend auf 48 Stunden pro Woche festgesetzt. Wochenendarbeit wie zu Beginn der Krise gebe es keine mehr. «Wir befinden uns nicht in einem Spurt, sondern in einem Marathon. Dafür müssen wir uns die Kräfte gut einteilen.»
Ein Problem, mit dem WAS wira kämpft, sind fehlerhafte Unterlagen, welche die betroffenen Unternehmen einreichen. Dies sorge für «enormen Zusatzaufwand und Verzögerungen bei der Auszahlung der Gelder», so Bucherer. Typische Fehler seien etwa falsche oder fehlende Zahlungsverbindungen, fehlende Lohnjournale oder Zeiterfassungen. «In solchen Fällen müssen wir mit den Firmen Kontakt aufnehmen, was sehr aufwendig ist», sagt Bucherer.
Laut Gaudenz Zemp, Direktor des KMU- und Gewerbeverbands Luzern (KGL), seien «rund 60 Prozent der Abrechnungen fehlerhaft». Diese Woche sind alle Mitglieder des grössten Wirtschaftsverbandes des Kantons noch einmal informiert worden, wie die Unterlagen richtig eingereicht werden. Zemp sagt, diese Fehler seien «sehr ärgerlich», denn sie führen zu massiven Verzögerungen bei den Auszahlungen.
Bis am 29. April konnten 1400 der insgesamt 3686 eingereichten Abrechnungen bearbeitet werden. Bis am 15. Mai sollen die März-Abrechnungen fertig sein, bis Ende Mai die April-Abrechnungen. Das bedeutet: Die Firmen warten auf viel Geld. Bisher hat WAS wira über 21 Millionen Franken ausbezahlt. Martin Bucherer rechnet mit insgesamt «60 bis 80 Millionen Franken pro Monat».
Die Arbeitnehmer sind von den Zahlungsverzögerungen nicht direkt betroffen. Das Geld fliesst an die Firmen, diese sind wiederum für die Lohnzahlungen zuständig. Wartet ein Betrieb auf Geld und hat darum Mühe, die Löhne zu zahlen, könne er einen Sonderkredit im Rahmen des Bundesprogrammes beantragen, sagt Martin Bucherer. Auch das WAS wira gewährt in Notsituationen Vorschüsse. «Diese werden in der Regel innert zwei Tagen bearbeitet», so Bucherer. Voraussetzung sei, dass alle Unterlagen vorliegen. Bislang habe man in 10 bis 20 Fällen zu diesem Mittel greifen müssen.
Der Behördenchef ist überzeugt, dass die Kurzarbeit in der Coronakrise ein «Schlüsselfaktor zur Verhinderung vieler Entlassungen» ist. Dennoch ist die Zahl der Stellensuchenden gestiegen. Per 29. April waren 8300 Personen auf Stellensuche. Das sind 1500 mehr als am gleichen Tag im Vorjahr. KGL-Direktor Gaudenz Zemp geht davon aus, dass diese Zahl noch ansteigen wird, wenn auch verzögert:
«Sobald die Kurzarbeit nicht mehr greift, wird die Arbeitslosigkeit ansteigen.»
Die Kurzarbeit selber sorge für Probleme: «Sie kompensiert nur 80 Prozent der Löhne. Das hat dramatische Auswirkungen auf das Konsumverhalten. Es fehlt das Geld zum Ausgeben.» Das führe dazu, dass den Betrieben Umsätze fehlten, sie würden nicht investieren, was wiederum andere Firmen trifft, die von diesen Investitionen profitiert hätten. «Da hängt ein ganzer Rattenschwanz dran», so Zemp.
Wenn die Märkte nicht rasch anziehen, rechnet er damit, dass «Konkurse wegen der Coronakrise massiv zunehmen» werden. Zemp nennt die Veranstaltungsbranche, die vor einem Sommer ohne Einnahmen stehe. Auch im Gastrobereich erwartet er «eine enorme Bereinigung», weil die Hälfte der Betriebe schon vor Corona nur knapp überlebensfähig gewesen sei.