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Zentralschweiz
Luzern
Das Luzerner Kriminalgericht spricht einen Serben unter anderem des versuchten strafbaren Schwangerschaftsabbruchs schuldig. Weil ein Härtefall vorliegt, kommt es nicht zum Landesverweis.
Schlaftrunken öffnet sie an jenem Novembermorgen 2016 die Tür. Vor ihr steht ein damals 31-jähriger Mann aus der Region, der Vater ihres ungeborenen Kindes. Die Luzernerin ist im sechsten Monat schwanger. Das Resultat einer Affäre, die Jahre zuvor ihren Lauf genommen hatte.
Der Kindsvater hat auf eine Abtreibung gedrängt. Er fürchtet den Verlust seiner langjährigen Partnerin, bangt um seinen gesellschaftlichen Status. Die Frau aber weigert sich. Deswegen wird der Serbe an jenem Morgen handgreiflich, will einen Abort herbeiführen: Er schlägt mit einem Gummihammer auf die Luzernerin ein, traktiert sie mit einem Elektroschockgerät. Irgendwann kann sie sich aus dem Handgemenge befreien, flieht nach draussen. Er folgt ihr, reisst sie zu Boden. Ein Nachbar wird durch Schreie geweckt, eilt herbei. Der Mann lässt von ihr ab, fährt davon, zur Arbeit. Die Frau wird umgehend hospitalisiert. Mit Verletzungen am Bauch, einem Rippenbruch und unzähligen Blutergüssen. Das Kind aber lebt.
Das Luzerner Kriminalgericht hat den heute 34-Jährigen nun zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen versuchten strafbaren Schwangerschaftsabbruchs, einfacher Körperverletzung und Drohung. Ein Jahr davon muss er absitzen. Für die restlichen 24 Monate wird dem Beschuldigten bei einer Probezeit von drei Jahren der bedingte Vollzug gewährt.
Wie aus dem am Montag veröffentlichten Urteil hervorgeht, wollte der Beschuldigte zunächst nichts von ausgeteilten Schlägen wissen. Im Laufe der Untersuchung machte er dann aber Zugeständnisse zum Tatablauf. Bis zum Schluss bestritt er allerdings, der Schwangeren Stromstösse verpasst zu haben. Ein rechtsmedizinisches Gutachten aber legt den Einsatz eines Elektroschockgerätes nahe.
Eigentlich würde der Tatbestand des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs eine obligatorische Ausschaffung des Beschuldigten nach sich ziehen. Doch: «Eine Landesverweisung würde für ihn zweifelsohne einen schweren persönlichen Härtefall darstellen», heisst es im Urteil. Der Beschuldigte, der als Bub in die Schweiz gekommen ist, lebt in geordneten familiären und beruflichen Verhältnissen. Er hat die Vaterschaft seiner mittlerweile zweijährigen Tochter formell anerkannt und bezahlt Unterhalt. Laut Urteil ist er «mustergültig integriert», hat keine Vorstrafen, sein Arbeitgeber stellt ihm ein tadelloses Zeugnis aus.
Auf den Beschuldigten kommen Zivilforderungen zu, die er gemäss Urteil vorbehaltlos anerkannt hat: Er hat der Luzernerin und seiner Tochter, die im Prozess als Privatklägerinnen auftraten, Genugtuung und Schadenersatz in der Höhe von über 32'000 Franken zu zahlen. Ferner hat der Beschuldigte Verfahrenskosten von rund 30'000 Franken zu tragen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten hat den Fall ans Kantonsgericht weitergezogen. Er hatte eine bedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr gefordert. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und einen Landesverweis verlangt. Der Vertreter der Privatklägerinnen beantragte eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten, davon 12 Monate unbedingt.