Das Parkhaus Musegg soll die Innenstadt vom Verkehr entlasten. Oder bringt es erst recht Mehrverkehr? Der Parkhaus-Projektleiter und ein Volksmotionär kreuzen hier die Klingen.
Interview Hugo Bischof
Ist das Parkhaus Musegg die Lösung für die Verkehrsprobleme am Schwanenplatz?
Andreas Stäuble: Nein, das Parkhaus Musegg ist keine Lösung, es verschiebt nur das Problem innerhalb der Stadt vom Schwanenplatz zur Geissmattbrücke und in die dazu führenden Zubringerstrassen. Uns stört, dass es in der öffentlichen Debatte als einzige Lösung dargestellt wird. Tatsache ist: Das Parkhaus Musegg würde in einem Wohnquartier der Stadt eine fixe Verschlechterung der Situation mit sich bringen, die nicht mehr umkehrbar wäre. Es würde einen bereits stark belasteten Stadtteil noch mehr zerstören.
André Marti: Das Musegg-Parking ist tatsächlich die Lösung für die Verkehrsprobleme am Schwanenplatz. Dass dieser Car-frei wird, ist klar unser Ziel. Denn wir wollen eine attraktive Innenstadt. Das Musegg-Parking ist ein Beitrag, die Aufenthaltsqualität für die Bevölkerung und die Gäste zu steigern, ohne die Erreichbarkeit der Innenstadt zu verschlechtern.
Stäuble: Es gibt nur eine einzige Lösung für die Verkehrsprobleme: Man muss den Verkehr ausserhalb der Stadt abfangen und die Leute dann via öffentlichen Verkehr ins Stadtzentrum bringen.
Marti: Das funktioniert bei Pendlern, aber sicher nicht bei Touristengruppen. Diese würden dann einfach nicht mehr nach Luzern kommen.
Stäuble: Herr Marti, jetzt tun Sie so, als ob es für Touristen nicht zumutbar wäre, vom Bahnhof Luzern über die Seebrücke zum Schwanenplatz zu gehen. Das hätte für sie sogar einen Mehrwert: Dann könnten sie auf dem Weg die Kapellbrücke bestaunen.
Marti: Es geht nicht um den Spaziergang, sondern um die Anreise. Ein zusätzliches Umsteigen, eine zusätzliche ÖV-Fahrt und zwar hin und zurück –, das fällt zeitlich ins Gewicht. Entscheidend sind auch die Reiseveranstalter. Beim Umsteigezwang auf den ÖV ausserhalb der Stadt besteht die Gefahr, dass sie die Touristen gar nicht mehr nach Luzern bringen, sondern direkt nach Interlaken gehen oder die Schweiz ganz auslassen.
Mit dem Parkhaus Musegg wird es zu einer Verkehr-Mehrbelastung im Bereich Geissmattbrücke kommen. Das ist nicht wegzudiskutieren, oder?
Marti: Das Musegg-Parking mit Bus-Terminal wird das Gesamtverkehrssystem in Luzern entlasten. Es ist über den kürzestmöglichen Weg ab Autobahn zu erreichen. Vor allem der Bereich Pilatusstrasse/Seebrücke/Schweizerhofquai profitiert. Zudem entfällt ein grosser Teil des Parkplatz-Suchverkehrs in der Innenstadt. Zusätzliche Bewegungen werden nur über die Geissmattbrücke stattfinden. In der Bearbeitung des Vorprojekts werden wir das Verkehrsaufkommen berechnen und die Auswirkungen auf den Verkehrsfluss sowie den Lärm und die Luft aufzeigen.
Stäuble: Die Verkehr-Mehrbelastung betrifft auch alle Zufahrtsstrassen von der Obergrundstrasse über den Pilatusplatz bis Hirschengraben, Kasernenplatz, Basel-, Gütsch-, St.-Karli-, Spitalstrasse. Ins städtische Verkehrsleitbild von 1976 wurde – ohne Widerspruch – folgende Bemerkung aufgenommen: «Jeder Parkraum muss ebenso sehr als Anlage gesehen werden, die Verkehr erzeugt. In jenen Gebieten, in denen eine weitere Verkehrserzeugung unerwünscht ist, wäre es falsch, weitere Parkräume zu erstellen.» Durch das Parkhaus Musegg entstehen über 700 zusätzliche Parkplätze; im Gegenzug will der Stadtrat in der Innenstadt 300 Parkplätze abbauen. De facto entstehen also über 400 Parkplätze mehr in der Stadt – mit entsprechendem Mehrverkehr.
Marti: Wie viele Parkplätze in der Innenstadt aufgehoben werden, ist noch offen. Der Stadtrat sprach von 300 bis 600. Diese Zahl festzulegen, ist auch eine politische Aufgabe. Mit dem Musegg-Parking knüpfen wir an die Vorgaben der städtischen Mobilitätspolitik an und machen Massnahmen zur Aufwertung der Innenstadt konkreter möglich.
Stäuble: Geissmatt und die anliegenden Quartiere sind Wohnquartiere! Ist das Parkhaus Musegg während zehn Stunden voll belegt, bedeutet das 12 000 zusätzliche Ein- und Ausfahrten. Und das soll nicht zu Mehrverkehr im Quartier führen! Geplant ist zudem, das Parkhaus 24 Stunden offen zu haben.
Marti: Das ist absurd: Das Musegg-Parking wird nie während zehn Stunden zu 100 Prozent voll belegt sein. Heute fährt der gleiche Reisecar oft fünf- bis sechsmal täglich über die Achse Seebrücke-Schweizerhofquai. Das ist unsinnig. Dieses Problem wäre mit dem Bus-Terminal Musegg gelöst. Ich betone nochmals: Auf den Hauptachsen bleibt die Verkehrsbelastung gleich oder nimmt ab. Mehrverkehr gibts nur im Abschnitt Geissmattbrücke und nicht in den Wohnquartieren.
Was sagen Sie zur entstehenden Feinstaub-Mehrbelastung durch Mehrverkehr im Bereich Geissmattbrücke?
Stäuble: Mehrverkehr wird mehr Feinstaubbelastung verursachen. Diese kann kein Filter vollständig beseitigen. Im Gegenteil: Gerade die kleinsten, schädlichsten Partikel durchdringen jeden Filter.
Marti: Gemäss einer Empa-Studie der ETH von 2012 ist die Feinstaubbelastung durch den Strassenverkehr stark rückläufig, an belasteten innerstädtischen Standorten in den untersuchten zehn Jahren um bis zu 50 Prozent. Grund dafür sind verbesserte Verbrennungsmotoren, aber auch die Zunahme der Elektromobilität. Daher ist trotz anzunehmendem Mehrverkehr auf längere Sicht keine wesentliche Feinstaub-Mehrbelastung für das Quartier zu erwarten.
Ist die Museggmauer durch die unterirdischen Bohrarbeiten gefährdet?
Marti: Wir stellen sicher, dass die Museggmauer weder im Bau noch im Betrieb gefährdet wird. Der Musegghügel-Fels ist für den Ausbruch gut geeignet und von früheren Untertagbauten gut bekannt. Beim Schirmertor wurde während des Zweiten Weltkriegs ein Kommandobunker sehr nahe an der Mauer gebaut, ohne Schäden zu hinterlassen. Moderne Abbaumethoden erlauben vielerorts das Bauen unter bestehenden Gebäuden. Beispiele sind die S-Bahn Zürich oder das kurz vor Baubeginn stehende Parkhausprojekt unter dem Schloss Thun.
Stäuble: In einem Grundsatzpapier der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege steht geschrieben: «Bauen im historischen Bereich ist immer gleichbedeutend mit einer materiellen Gefährdung desselben, auch dann, wenn die beteiligten Fachleute die Sache im Griff zu haben bescheinigen; die Erfahrung zeigt drastisch ein anderes Bild!» Es geht zudem nicht nur um das Bauen. Mit über 700 Autos und Cars unter einem Denkmal setzt man quasi eine Bombe, die bei einem Brand auch hochgehen kann.
Marti: Mit dem Ausdruck Bombe übertreiben Sie nun wirklich. Die Sicherheit ist gewährleistet und alltäglich gelebt. Niemand spricht so über bereits bestehende Parkhäuser wie im Löwencenter, am Schweizerhof oder beim Bahnhof. Zu den Bauarbeiten betone ich nochmals: Wir werden grösste Sorgfalt anwenden; es sind erfahrene Fachleute am Werk. Nebst modernsten Abbaumethoden wird auch ein genügend grosser Bereich unberührter Fels zwischen Kaverne und Mauer belassen.
Braucht es überhaupt neue Parkhäuser? Oder müsste man vermehrt auf ÖV und Park and ride setzen?
Stäuble: Genau dies hat das Stadtluzerner Stimmvolk 2010 mit dem Reglement für eine nachhaltige städtische Mobilität beschlossen. Das Projekt Parkhaus Musegg widerspricht diesem Volksentscheid massiv. Das Schlimme ist: Niemand kümmert sich darum, nicht einmal der Stadtrat.
Marti: Es braucht beides, Parkhäuser und Park-and-ride-Angebote. Für den Reisecar-Tourismus ist Park and ride aber wie gesagt völlig untauglich. Auch künftig werden Besucher von nah und fern eine Anreise mit dem Privatauto bevorzugen.
Heute Donnerstag entscheidet das Stadtparlament, ob es der Volksmotion zustimmt oder sie ablehnt. Wie bindend wird der Parlamentsentscheid für Sie sein?
Marti: Wir nehmen die inhaltlichen Anliegen der Volksmotion ernst und tragen diesen in unserer Planung Rechnung. Was uns stört, ist der Untertitel «Gegen das Parkhaus Musegg!». Man fordert einen Planungsbericht zu Fragen des Verkehrs und des Schutzes der Museggmauer Nachweise, die wir sowieso erbringen müssen. Man will aber mit der Forderung im Untertitel verhindern, dass wir überhaupt mit der Arbeit beginnen. Das kommt einem Denkverbot gleich, was wir sehr bedauern. Wir wollen beweisen, dass das Musegg-Parking ein guter Beitrag zur Stadtentwicklung ist, der Entscheid darüber liegt dann letztlich beim Stimmvolk. Natürlich könnten wir unsere Arbeit auch nach einer Annahme der Motion fortführen – ob dies Sinn macht, ist dann zu beurteilen.
Stäuble: Eine Annahme der Volksmotion würde bedeuten, dass der Stadtrat in der Pflicht ist, unsere Anliegen zu berücksichtigen. Was den Untertitel unserer Volksmotion betrifft: Das ist kein Denkverbot, das ist einfach eine demokratische Gegenmeinung zu Ihrer Position, und dazu stehen wir: Wir halten das Parkhaus Musegg für die falsche Lösung, und eine solche wollen wir nicht.
Andreas Stäuble (52) ist Mitverfasser der Volksmotion «Gegen das Parkhaus Musegg!» Er ist Geschäftsleiter des Innerschweizer Heimatschutzes und Filmemacher. Stäuble ist verheiratet und wohnt mit seiner Familie im Brambergquartier Luzern.
Befürworter André Marti (42) ist Projektleiter des von Privaten geplanten Musegg-Parkings mit 700 unterirdischen Auto- und 36 Carparkplätzen. Er ist diplomierter Architekt und Wirtschaftsingenieur. Marti wohnt mit seiner Partnerin in Willisau.