Der neue Direktor des Historischen Museums Luzern sagt, weshalb er für das Amt kein Experte sein muss – und wie er dem Natur-Museum eine Zukunft geben will.
Christoph Lichtin*, Sie waren jahrelang für Kunstmuseen tätig – jetzt sind Sie Direktor des Historischen Museums. Mussten Sie erst einen Crashkurs in Luzerner Geschichte absolvieren?
Christoph Lichtin: Ich bin immerhin schon seit neun Jahren in Luzern und kenne die Geschichte zumindest in den Grundzügen. Eine Koryphäe auf diesem Gebiet wie mein Vorgänger bin ich aber sicher nicht. Der Wechsel zeigt aber auch eine Generationenfrage. Denn um heute ein Museum zu leiten, muss man nicht mehr zwingend Experte auf einem Spezialgebiet sein. Man muss aber wissen, wie man mit unterschiedlichsten Fachleuten zusammenarbeiten kann. Denn die Wissensvermittlung in Museen ist eine komplexe Angelegenheit geworden.
Worin unterscheidet sich ein Historisches von einem Kunstmuseum?
Lichtin: Beim Historischen Museum spielt Kunst ja auch eine wichtige Rolle – sie ist allerdings eingebettet in einen geschichtlichen Kontext. Allgemein ist der Rahmen viel klarer gesetzt: Das Museum hat den Auftrag, die Geschichte des Kantons wiederzugeben. Im Kunstmuseum Luzern bewegt man sich viel stärker im internationalen Kontext – man muss sich ständig fragen, wie etwas beim internationalen Publikum ankommt.
Über Kunst wie über Geschichte wird gerne leidenschaftlich gestritten. Was für ein Geschichtsbild möchten Sie in Luzern vermitteln?
Lichtin: Wir können die Geschichte ja nie abschliessend beschreiben, wohl aber Dinge, die zu unserer Kultur gehören, in einen neuen Kontext stellen. Und dies immer unter dem Aspekt des Lokalbezugs, der für mich ganz wichtig ist.
Können Sie ein Beispiel geben?
Lichtin: Im Herbst 2014 wird die erste von mir konzipierte Sonderausstellung im Historischen Museum eröffnet. Sie steht unter dem Titel «Die Mauer – von Musegg bis Gaza». Ausgehend von der Luzerner Museggmauer, die jedem wohlvertraut ist, fragen wir, wozu denn Mauern überhaupt gebaut werden. Ich interessiere mich also für diesen speziellen Bautyp, der dazu dient, Menschengruppen zu trennen. Die Funktion der Museggmauer war früher militärisch bedingt, heute steht sie bildhaft für die Trennung von Stadt und Land. Bezeichnenderweise steht gleich hinter der Museggmauer eine grosse Wiese mit einem Bauernhof. Bei anderen Mauern – ob in Berlin oder Gaza – ist das Prinzip ähnlich. Nur geht es dann halt beispielsweise um eine Religionstrennung oder eine Trennung von Arm und Reich. Bei der Mauer-Ausstellung wird auch das Thema Graffiti eine Rolle spielen: Hier geht es um die Art und Weise, wie die Ausgeschlossenen mit den Mächtigen kommunizieren.
Das Historische Museum ist Teil der kantonalen Verwaltung – Sie sind jetzt sozusagen Chefbeamter. Wie liegt Ihnen diese Rolle?
Lichtin: Es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich in einem so grossen Betrieb wie dem Kanton arbeite. Was mich positiv überrascht hat, ist die Tatsache, dass es innerhalb der Verwaltung unglaublich viele kompetente Leute gibt. Die andere Seite ist, dass wir vor allem in finanzieller Hinsicht wenig Flexibilität besitzen. Alles spielt sich innerhalb des Jahresbudgets ab: Wenn ich einen bestimmten Posten nicht brauche, ist er nachher weg. Und wenn ich Mehreinnahmen erziele, fliessen diese in die Kantonsrechnung zurück.
Vom Kunstmuseum sind Sie sich den Umgang mit Sponsoren gewohnt. Wird dies nun auch fürs Historische Museum ein Thema?
Lichtin: Externe Finanzierung ist vor allem für Sonderprojekte ein Thema. Wir planen beispielsweise zusammen mit dem Freundeskreis des Museums eine Art Online-Kompendium über Luzerner Volkskunst und Brauchtum. Dafür gehe ich ganz gezielt auf Stiftungen und Sponsoren zu.
Wohin wird sich das Historische Museum langfristig entwickeln?
Lichtin: Das Museum ist heute stark nach innen orientiert. Ich möchte aber auch raus aus den eigenen Wänden. Das Historische Museum soll auch ausserhalb des Gebäudes präsent sein. Die Theaterprojekte, die zum festen Bestandteil des Vermittlungsangebots des Museums gehören, würden sich dafür geradezu anbieten.
Sie sind auch Gesamtleiter der kantonalen Museen – eine Position, die neu geschaffen wurde – und damit auch fürs Natur-Museum verantwortlich. Diese Kumulation wurde im Vorfeld kritisiert. Wie läuft nun die Zusammenarbeit?
Lichtin: Ich finde, sie ist sehr gut angelaufen. Es ist auf beiden Seiten Vertrauen da. Es beginnt ein neuer Prozess, in den alle einbezogen sind, um schliesslich Positives für beide Institutionen zu bewirken. Jeder Mitarbeiter muss sich künftig bei allem, was er tut, überlegen, inwiefern auch das andere Museum davon profitieren könnte.
Was ist Ihre vordringlichste Aufgabe als Gesamtleiter?
Lichtin: Es geht jetzt vorerst darum, die Kräfte im Bereich Marketing und Kommunikation zu bündeln. Diese Aufgabe ist zurzeit auf viele Schultern verteilt. Ich möchte aber eine Stelle, die sich um das Marketing für beide Museen kümmert. Die verstärkte Zusammenarbeit der beiden Museen werden mittelfristig sicher auch die Besucher bemerken und davon profitieren. Ich könnte mir auch vorstellen, für Projekte mit Institutionen wie Universität oder Hochschule zusammenzuarbeiten. Je nach Art des Projekts könnte man dieses dann im einen oder im anderen Museum realisieren. Generell werden wir künftig mehr Spielraum haben, da wir gegenüber aussen als grösserer Player auftreten können.
Beim Natur-Museum steht die längst fällige Erneuerung an. Was tun Sie, um das Projekt endlich zu realisieren?
Lichtin: Ich kann nur sagen, wir sind auf gutem Weg. Inhaltlich weiss man jetzt wesentlich mehr als noch vor einigen Monaten, wohin es gehen soll.
Hinweis
* Christoph Lichtin (50) stammt ursprünglich aus Solothurn und ist seit September 2013 Direktor des Historischen Museums Luzern sowie Gesamtleiter der kantonalen Museen. Bis im vergangenen Frühling war er Sammlungskonservator im Kunstmuseum Luzern, zuvor war er im Kunstmuseum Bern tätig. Er wohnt mit seiner Frau in der Stadt Luzern.