Kann das links-grüne Lager seine Gewinne bei den Luzerner Kantonsratswahlen im Herbst auch nur annähernd wiederholen, verlieren CVP und SVP je einen Sitz. Voraussetzung dafür ist der Schulterschluss zwischen SP, Grünen und GLP.
SP und Grüne halten zwei der aktuell zehn Luzerner Sitze im 200-köpfigen Nationalrat – und sie haben zusammen mit der GLP gute Chancen, ihren 20-Prozent-Anteil am 20. Oktober 2019 auf 33,3 Prozent zu erhöhen. Erstens deshalb, weil Luzern künftig nur noch neun Mandate besetzen kann, und zweitens darum, weil sich das links-grüne Lager im Hoch befindet, während CVP, SVP und FDP Wähleranteile einbüssen.
Unsere Zeitung hat in vier Varianten berechnet, wie sich die Gewinne von links-grün bei den Kantonsratswahlen vom 31. März auf die nationalen Wahlen im Herbst auswirken können (siehe Grafik).
In der schlechtesten Ausgangsposition befindet sich die CVP. Sie würde ihren dritten Sitz bei gleichen Wähleranteilen wie 2015 und nur noch neun zu verteilenden Mandaten verlieren. Das gilt auch dann, wenn der Wählerverlust von 3,4 Prozent bei den Kantonsratswahlen in das vor vier Jahren erzielte Resultat einfliesst.
Der CVP bleibt nur ein ganz kleiner, aber unwahrscheinlicher Hoffnungsschimmer: Sollten sich sämtliche Parteien zu Alleingängen entschliessen und würde die CVP im Herbst gleich abschneiden wie am 31. März, könnten die Christdemokraten ihr drittes Mandat retten. Dass SP und Grüne getrennt zu den Nationalratswahlen antreten, ist allerdings genauso utopisch wie eine CVP, die bei nationalen Wahlen gleich gut oder stärker abschneidet als bei kantonalen.
Unbill droht auch der SVP: Sie verliert ihren 2015 von der GLP zurückeroberten dritten Sitz in allen Modellen.
Hält das links-grüne Hoch bis im Herbst an und setzt sich der Abwärtstrend im bürgerlichen Lager fort, verlieren CVP und SVP am 20. Oktober also je einen Nationalratssitz. Die FDP dürfte ihre zwei Sitze verteidigen – wie die SP und die Grünen ihre einzigen. Die GLP kann im Falle einer Listenverbindung mit der SP und den Grünen ihren vor vier Jahren verlorenen Sitz zurückerobern. Wir haben die Präsidenten der sechs Parteien mit den Prognosemodellen konfrontiert und sie um Einschätzungen zu Wahlzielen und Listenverbindungen gebeten.
Parteipräsident Christian Ineichen beantwortet die konkreten Fragen summarisch und ausweichend. So will der Entlebucher die Prognosemodelle «angesichts der Dynamik in der Politik nicht kommentieren». Auch zu einer Listenverbindung mit der FDP, wie sie vor vier Jahren erstmals zu Stande kam, will Ineichen nichts sagen. «Wir orientieren nicht über unsere Taktiken und Gespräche mit anderen Parteien.» Die CVP steige aber «nach wie vor zuversichtlich in die eidgenössischen Wahlen».
Trotz düsteren Prognosen verbreitet auch Angela Lüthold Optimismus. Die Präsidentin der SVP zählt auf den Bekanntheitsgrad ihrer drei bisherigen Nationalräte Felix Müri, Yvette Estermann und Franz Grüter, der auch um einen Sitz im Ständerat kämpft. Den dritten Sitz retten will Lüthold so: «Wir werden punktuell in der Stadt und Agglomeration, aber auch auf dem Land, noch mehr mobilisieren.» Die Nottwiler Unternehmerin könnte sich Listenverbindungen mit FDP und CVP «vorstellen».
Parteipräsident Markus Zenklusen bereitet sich trotz stabilen Voraussagen auf einen harten Wahlkampf vor. Und er äussert sich pointiert zu möglichen Schulterschlüssen mit CVP und SVP. «Die Listenverbindungen bei den Kantonsratswahlen mit der SVP in der Stadt Luzern und mit der CVP im Wahlkreis Hochdorf waren wenig erfolgreich.» Ein Zusammengehen mit der SVP im Herbst bezeichnet Zenklusen als «eher unwahrscheinlich», von der CVP erwartet er ein «Bekenntnis zur Kontinuität in der Regierung». Klar sei für ihn: «Wenn wir eine Verbindung eingehen, muss sie der FDP etwas bringen.»
Für Präsident und Ständeratskandidat David Roth spricht «im Grundsatz nichts gegen eine erneute Verbindung mit den Grünen und der GLP». Hole das links-grüne Lager drei Sitze, stünden die Chancen für den Gewinn des zusätzlichen Mandats zwischen SP und GLP bei je 50 Prozent. Das ändert nichts am Ziel von Roth: «Unser Ziel ist es, einen zweiten Sitz zu holen.»
Die Verdoppelung der Sitzzahl im Kantonsrat lässt Präsident Maurus Frey nicht abheben. Er betont, der einzige Grüne Nationalratssitz in der Zentralschweiz, gehalten von Michael Töngi, sei «keineswegs gesichert». Zu einer Wiederholung der vor vier Jahren zu Stande gekommenen Dreierverbindung zwischen Grünen, SP und GLP äussert sich Frey vage: «Wir führen mit verschiedenen möglichen Partnern Verhandlungen.»
Für Parteipräsident und ex-Nationalrat Roland Fischer ist klar, dass die GLP «wieder eine Listenverbindung mit SP und Grünen anstrebt». Für den Klimaschutz sei es wichtig, dass die ökologischen Kräfte im Nationalrat gestärkt würden. Zudem mache die Verbindung auch rechnerisch Sinn. Das Modell 4 der Berechnungen unserer Zeitung gibt Fischer Recht: Bei einem Alleingang würde die GLP bei gleich gutem Ergebnis wie bei den Kantonsratswahlen im Nationalrat leer ausgehen (siehe Grafik). Fischer würde es zudem begrüssen, wenn die BDP im links-grünen Lager eingebunden wäre. Die Kleinpartei war vor vier Jahren Teil der Mitte-Union zwischen CVP, FDP und EVP.
Der 18. Oktober war für das Parteiengefüge im Kanton Luzern ein historischer Tag: Die SVP löste bei den Nationalratswahlen erstmals die CVP als stärkste Kraft ab. Die SVP steigerte sich auf einen Wähleranteil von 28,2 Prozent, die CVP büsste 3,2 Prozent ein und landete bei 23,9 Prozent. Sie konnte ihren dritten Sitz nur ganz knapp halten – auch dank der bei Nationalratswahlen erstmals eingegangenen Listenverbindung mit der FDP. Verluste erlitt im Herbst 2015 auch die GLP, die ihren 2011 gewonnenen Sitz wieder an die SVP verlor – Roland Fischer wurde abgewählt. Die FDP konnte ihre beiden Mandate halten, genauso die SP und Grünen ihre einzigen. Neu in die Grosse Kammer gewählt wurden Andrea Gmür (CVP) und Franz Grüter (SVP). (nus)
Detaillierte Ergebnisse der Nationalratswahlen 2015 unter www.wahlen.lu.ch