Neue Schlierbacher Gemeindepräsidentin weiss, wo im Dorf der Schuh drückt

Die parteilose Marina Graber wird Gemeindepräsidentin von Schlierbach. Im Dorf lebt sie nur Dank einem Zufall.

Livia Fischer
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Marina Graber vor dem Schlierbacher Gemeindehaus.

Marina Graber vor dem Schlierbacher Gemeindehaus.

Nadia Schärli / Luzerner Zeitung

Hätte man Marina Graber vor einem Jahr gesagt, dass sie mal Gemeindepräsidentin von Schlierbach wird, hätte sie vermutlich nur gelacht. «Das war nie mein Plan», sagt sie darum heute, wenige Wochen nach der Wahl. Nach zwölf Jahren folgt auf Franz Steiger (FDP) mit Graber erstmals wieder eine Frau im Amt.

Darauf angesprochen erwidert sie: «Deswegen fühle ich mich nicht als etwas Besonderes. Für mich ist es nicht wichtig, ob eine Frau oder ein Mann das Amt ausübt.» Unterschiede zwischen ihr und ihrem Vorgänger werde es bestimmt geben, diese seien jedoch auf ihre Person und Erfahrungen zurückzuführen – und nicht auf ihr Geschlecht.

Spätberufene Politikerin

Im November letzten Jahres hat die FDP Schlierbach Graber angefragt, ob sie Interesse hätte, Steigers Nachfolgerin zu werden. Graber glaubt, dass es an ihrer Persönlichkeit gelegen habe. «Bei uns im Dorf kennt man einander. Sie wussten, dass ich offen bin, gerne auf Leute zugehe und gewillt bin, Neues zu lernen», sagt sie. Sie nahm sich Zeit, das Angebot gründlich zu überdenken, suchte das Gespräch mit Familie und Freunden. «Erstaunlicherweise hat mir niemand davon abgeraten», sagt Graber lachend. «Also hab ich mir gedacht: ‘Warum eigentlich nicht?’ und mich zur Wahl gestellt.» Gegner hatte sie wie auch die anderen beiden Gemeinderäte keine, dafür umso mehr positive Rückmeldungen.

Politisch aktiv war Graber bisher nicht. «Interessiert hat mich Politik schon, aber ich war mit meinem Job und meiner Familie einfach zu beschäftigt. Auch mein Haus und mein Hund halten mich auf Trab», erklärt die Rechtsanwältin und zweifache Mutter. Ihre Stelle in der Stadt Luzern hat sie nach neun Jahren nun per Ende August gekündet.

Nur im Hinblick auf das Amt als Gemeindepräsidentin einer Partei beizutreten, kommt für sie momentan nicht infrage. «Das wäre nicht authentisch», sagt die 38-Jährige. Ausserdem habe die Wahl und die grosse Unterstützung gezeigt, dass Parteipolitik in Schlierbach nicht an erster Stelle stehe. «Ich finde es aber wichtig zu erwähnen, dass ich Parteien an sich eine super Sache finde. Die brauchts, denn sie helfen bei der Meinungsbildung und so werden im Austausch auch kritische Stimmen laut.» Ihr Versprechen an die Bevölkerung: Als Parteilose wird sie alle Parteien gleichermassen miteinbeziehen.

Seit zwölf Jahren in Schlierbach zu Hause

Graber ist zuversichtlich, dass sie die neue Aufgabe gut meistern wird. Als Leiterin des Eltern-Kinder-Turnen und Mitglied der Teamaerobic-Gruppe ist sie bestens ins Schlierbacher Dorfleben integriert. Sie kennt die Probleme der Einwohnerinnen und Einwohner, weiss, was sie beschäftigt. «Wir brauchen mehr Raum für Tagesstrukturen», sagt Graber etwa. Auch was die Turnhalle betrifft, herrsche Raumnot. «Die Mehrzweckhalle wird rege genutzt und Vereine sind sehr wichtig für unsere Gemeinde.» Für Graber persönlich zentral: Nähe schaffen. «Vor allem auf Gemeindeebene und dann noch in einem Dorf in dieser Grösse ist das das Wichtigste. Ich muss wissen, was die Bevölkerung will und das geht nur durch Kontakte und Gespräche.»

Genau diese Gespräche sind es, die Graber ohnehin schon faszinieren. «Ich interessiere mich für die Geschichten der Menschen. Ich will zum Beispiel wissen, warum jemand auf Schlierbach kommt.» Sie ist selbst eine Wahl-Schlierbacherin, vor zwölf Jahren zog sie mit ihrem damaligen Partner und heutigen Ehemann ins «kleine Dörfchen», wie sie es nennt. Damals wohnten 650 Menschen da, heute sind es über 900. Dass die Wahl auf Schlierbach fiel, war eher Zufall. «Mein Mann arbeitete in Sursee und wohnte in Emmenbrücke, ich war in Aesch zu Hause. Also haben wir die Karte rausgeholt und mal geschaut, wo etwa die Mitte ist», erzählt Graber. Sursee war dem Paar zu gross, sie wollten ländlich wohnen.

In Schlierbach fühlen sie sich wohl, ein weiterer Umzug stand nie zur Diskussion. Auch, weil Graber als Kind mit ihren Eltern oft umgezogen ist. Bis zur ersten Klasse wohnte sie in Solothurn, dann im Aargau, in Luzern, wieder im Aargau und schliesslich erneut in Luzern. «Die Frage, woher ich ursprünglich komme, ist für mich darum schwierig zu beantworten. Umso wichtiger ist es mir, jetzt ein richtiges Daheim zu haben, in dem meine Kinder aufwachsen können.»