Neue Überbauungsziffer: Kubische Formen und kleinere Balkone für Luzerns Häuser

Bald müssen die Gemeinden beim Bauen neue Berechnungsgrundlagen anwenden. Konsequenzen hat das für Quartiere mit Einfamilienhäusern. Experten erwarten, dass mehr Kuben gebaut werden.

Roseline Troxler
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Das Luzerner Kantonsgericht hat vor kurzem ein Machtwort gesprochen: Die Gemeinde Eich wollte bei der neuen Berechnungsgrundlage für Bauprojekte Ausnahmen erlauben. Nachdem die Regierung den Ausnahmen eine Abfuhr erteilt hatte, reichte der Gemeinderat beim Kantonsgericht Beschwerde ein (Artikel vom 27. Juli 2018).

Der Entscheid des Gerichts hat Signalwirkung. Denn er zeigt auf, dass der Kanton bei der neuen Berechnungsgrundlage für die Überbauungsziffer (ÜZ) keine Sonderwünsche goutiert. Bis Ende 2023 müssen die Luzerner Gemeinden ihre Bau- und Zonenreglemente anpassen. Dabei wird von Gemeinden, die eine Gesamtrevision der Ortsplanung angehen, die Einführung der Überbauungsziffer verlangt.

Was ist die Überbauungsziffer und welchen Zweck hat sie?

Die Ziffer ist eine neue Berechnungsgrundlage, welche die Grösse des Gebäudevolumen definiert. Bisher galt im Kanton Luzern die Ausnützungsziffer (AZ).

Wie wird die Überbauungsziffer berechnet?

Mit der Überbauungsziffer zählt jene Fläche eines Gebäudes, welche quasi von oben senkrecht auf den Boden projiziert wird. Dies wird auch Fussabdruck genannt. Vorgegeben ist, wie gross dieser Fussabdruck auf einem Grundstück maximal sein darf. Dies wird mit einer Prozentzahl bezogen auf die Grundstücksfläche festgelegt. Definiert ist zudem je nach Zone eine maximale Gesamthöhe. Egal ist hingegen, ob alle Geschosse diesen möglichen Fussabdruck voll ausschöpfen – zum Beispiel in Form eines Kubus – oder nicht.

Wie wird definiert, wie gross der Fussabdruck sein darf?

«Wie gross die ÜZ sein darf, wird durch die Gemeinden in der Bau- und Zonenordnung bestimmt», erklärt Bruno Zosso, Projektleiter Kantonalplanung. Die ÜZ werde abhängig vom Zonentyp und in der Regel aufgrund einer Quartieranalyse festgelegt.

Was bedeutet dies an einem konkreten Beispiel?

Das revidierte Bau- und Zonenreglement der Stadt Sursee, das noch vors Volk kommt, sieht folgendes vor: In der Wohnzone A liegt die maximale Höhe eines Gebäudes bei 11 Metern. Die maximale Überbauungsziffer beträgt 0.22. Auf einem Grundstück von 1000 Quadratmeter beträgt der Fussabdruck eines Gebäudes somit höchstens 220 Quadratmeter. Diese Fläche kann auf jedem Geschoss ausgenützt werden (siehe Grafik). Innerhalb der Gesamthöhe ist die Anzahl der zulässigen Geschosse nicht mehr bestimmt.

Welche weiteren Vorschriften gibt es mit der ÜZ?

Balkone müssen in diese Überbauungsziffer eingerechnet werden. Nicht der Fall ist dies, wenn sie höchstens 1,5 Meter über die Fassade hinausragen und nicht mehr als einen Drittel der Fassadenlänge in Anspruch nehmen.

Welches sind die grössten Unterschiede zur bisherigen Berechnung?

Bei der Ausnützungsziffer wurde gezählt, wie gross die Gesamtfläche eines Gebäudes ist. In einem Einfamilienhausquartier, in welchem die Ausnützungsziffer 0,25 beträgt, heisst das: Bei einem Grundstück von 1000 Quadratmetern darf das Gebäude höchstens eine Wohnfläche von 250 Quadratmeter aufweisen – und zwar beliebig verteilt über alle Geschosse. Nicht gezählt werden Flächen unter dem Boden oder Balkone. Die AZ lässt laut Bruno Zosso «mehr Spielraum in der Anordnung der Nutzflächen».

Wie verändert sich das Bauen durch den Systemwechsel?

Planungsexperte Hansueli Remund erwartet vor allem bei Einfamilienhausquartieren Veränderungen. «Spielereien, wie sie bisher möglich waren, gibt es mit der Überbauungsziffer kaum mehr.» Als Beispiel nennt er einstöckige Ausläufer eines Einfamilienhauses oder grosse, über die Fassade hinausragende Balkone. «Auch auf Einschnitte werden Architekten künftig verzichten, weil diese nicht abgezogen werden können und somit ein Verlust an Wohnfläche bedeuten.»

Werden künftig nur noch Würfel-Häuser gebaut?

Remund erwartet dies in der Tendenz. Er sagt allerdings: «Mehrfamilienhäuser weisen heute bereits kubische Formen auf. Bei Einfamilienhaus-Quartieren wird es künftig auch vermehrt in diese Richtung gehen.»

Welche Ausnahmen sind denn erlaubt?

Per Anfang 2018 hat der Kanton mehrere Ausnahmen definiert. So ist eine Erhöhung der Überbauungsziffer für Bauten möglich, welche eine geringere als die zulässige Gesamthöhe aufweisen. Auch für eingeschossige Nebenbauten und für Einstellhallen, die teilweise aus dem Boden ragen, gibt es Ausnahmen.

Welche weiteren Möglichkeiten haben die Gemeinden?

«Für grössere zusammenhängende Baugebiete – das gilt auch in Einfamilienhausquartieren – gewährt der Kanton Luzern eine weitere Option für Gemeinden», sagt Remund. So haben sie die Möglichkeit, eine spezielle Wohnzone auszuscheiden und das Gebiet als Ganzes zu planen. Dann kann auf eine ÜZ und eine einheitliche Gesamthöhe verzichtet werden. Nötig ist dafür allerdings ein Gesamtkonzept für das Gebiet.