Klinische Assistenten: So lautet die Bezeichnung für das neue Berufsbild am Luzerner Kantonsspital.
Seit zwei Jahren können ausgebildete Gesundheitsfachpersonen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) den Titel «Klinischer Fachspezialist» erwerben. Dieser Lehrgang soll sie darauf vorbereiten, die Koordination zwischen Arzt und Pflegepersonal in klinischen Betrieben zu gestalten. Im Luzerner Kantonsspital (Luks) sind bereits zwei entsprechend ausgebildete Personen in den Bereichen Neurochirurgie und Gefässchirurgie tätig – allerdings werden sie hier «Klinische Assistenten» genannt. Eine weitere Person befindet sich noch in der Ausbildung.
Das Projekt sei ein Erfolg, sagt Karl Kothbauer, Chefarzt und Leiter der Klinik für Neurochirurgie am Luks: «Wir spüren durch die Einstellung der Klinischen Assistenten eine grosse Entlastung. Ärztliche Ressourcen können gezielter eingesetzt und Überzeiten vermindert werden.» Diese Entlastung sei wichtig, damit sich die Ärzteschaft auf ihr Kerngeschäft – die Behandlung der Patienten – konzentrieren könne.
Genau darin besteht das Ziel der noch jungen Berufsrolle. Die Nachdiplom-Ausbildung der ZHAW soll deren Absolventen befähigen, die Ärzte zu entlasten, indem sie ihnen administrative Aufgaben abnehmen und die Koordination mit der Pflege organisieren.
Eine, die diese Ausbildung bereits hinter sich hat, ist Caroline Sidler. Sie ist langjährige Mitarbeiterin am Luks. Nach ihrer Tätigkeit als diplomierte Pflegefachfrau und als Case Managerin im Ärzteteam entschied sie sich für die Ausbildung zur Klinischen Fachspezialistin. Nicht zuletzt wegen Chefarzt Karl Kothbauer: «Er war damals bereits mein Vorgesetzter und hat während seiner achtjährigen Tätigkeit als Neurochirurg in New York ein vergleichbares Konzept kennengelernt. Seine Begeisterung dafür hat mich angesteckt», sagt Sidler.
Wer die Ausbildung zum Klinischen Fachspezialisten machen will, der muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zugelassen werden Personen, die Medizin oder einen anderen Gesundheitsberuf studiert haben. Zudem muss man mindestens zwei Jahre klinische Berufserfahrung vorweisen können. Die einjährige Ausbildung gliedert sich in drei Module. Der Unterricht erfolgt zu zwei Dritteln im Selbststudium, der Rest ist Präsenzunterricht an einzelnen Tagen oder an Zwei-Tages-Blöcken. Die Kosten für die Weiterbildung belaufen sich auf knapp 8000 Franken.
Die Aufgaben sind laut Caroline Sidler vielfältig:
«Die Klinische Assistenz übernimmt die traditionell dem Arztdienst zugeordnete Stationstätigkeiten. Dazu zählen unter anderem die tägliche Visite, Wundkontrollen, Verlaufsdokumentationen und das Schreiben von Austrittsberichten.»
Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärzten, Physiotherapeuten, Pflegefachpersonen und dem Sozialdienst sowie Gespräche mit Patienten und Angehörigen gehören zu ihren Aufgaben.
Das neue Berufsbild hat Caroline Sidler am Luks als erste Klinische Assistentin aktiv mitgestaltet: «Es war für mich eine Herausforderung, die neue Stelle zusammen mit meinem Arbeitgeber zukunftsweisend mitzuentwickeln.» Sie schätze es sehr, dass das Luks als eines der wenigen Spitäler der Schweiz und als einziges Spital in der Zentralschweiz solche Stellen anbiete.
Sidler sieht in ihrer neuen Funktion viele Vorteile: «Ich arbeite zu geregelten Zeiten und habe weder Wochenend- noch Nachtschichten.» Zudem habe sie klar definierte Aufgabenbereiche, wodurch Doppelspurigkeiten vermieden werden können.
Diese Aspekte hebt denn auch Kothbauer besonders hervor: «Durch die hohe Kontinuität und die geregelte Präsenz auf der Station ist die Betreuungsqualität für die Patienten verbessert. Gleichzeitig werden wir auch als Weiterbildungsstätte attraktiver, weil dadurch Assistenzärzte fachspezifischer zum Einsatz kommen können.»
Für Kothbauer ist klar, dass die Beschäftigung von Klinischen Assistenten in Zukunft weiter gefördert werden soll. «Einerseits stellt die neue Funktion für klinisch-medizinisch interessierte Pflegende eine spannende berufliche Weiterentwicklung dar.» Andererseits sei sie ein echter Lösungsansatz in Anbetracht des steigenden Ärzte- und Fachkräftemangels.
Ein gespaltenes Verhältnis gegenüber der neuen Ausbildung hat hingegen der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK). Die Leiterin der Abteilung Bildung, Christine Bally, begrüsst es zwar, dass Pflegefachpersonen sich weiterbilden, äussert aber Bedenken: «Klinische Fachspezialisten können sicher den ärztlichen Dienst unterstützen. Allerdings sollten Pflegefachpersonen selbst auch entlastet werden, damit alle Patienten die Pflege erhalten, die sie benötigen.» Die Ausbildung vertiefe nicht die eigentliche Arbeit der professionellen Pflege, sondern Bereiche, die von Ärzten abgegeben würden. «Wir erachten es als essenziell, dass Pflegefachpersonen pflegerisch tätig sein können.»
Bally sieht die Zukunft in einem anderen Modell: Das Profil nennt sich Pflegeexperten APN, die Abkürzung steht für «Advanced Practice Nurse». Die Pflegeexperten haben eine Masterausbildung in Pflegewissenschaften absolviert und sollen im Gegensatz zu den Klinischen Fachspezialisten in erster Linie weiter als Pflegefachpersonen tätig sein. «Sie verfügen aber über ein breiteres klinisches Fachwissen und können mehr Verantwortung übernehmen als Klinische Fachspezialisten», führt Bally aus.
In einem Punkt sind sich Kothbauer und Bally jedoch einig: Die demografische Entwicklung, die Zunahme von chronischen Erkrankungen und die ökonomischen Herausforderungen, vor denen Spitäler stehen, bringen einen Wandel in der Pflegebranche mit sich. Wie diesem begegnet werden soll, darüber lässt sich streiten.