Ein Luzerner verliert seine IV-Rente, nachdem er
beobachtet worden ist. Er wehrte sich ohne Erfolg.
Während über einem Jahr liess eine Versicherung einen Luzerner observieren – an insgesamt 19 Tagen. Dazu kamen sieben Kurzobservationen. Dies geht aus einem aktuellen Bundesgerichtsurteil hervor. Auf die Leistungen der Invalidenversicherung ist der Mann seit einem Verkehrsunfall vor rund 18 Jahren angewiesen. Die Observationen zwischen März 2014 und Juni 2015 hatten für den IV-Bezüger Konsequenzen: Die Resultate führten zusammen mit einem erneuten Gutachten dazu, dass seine ganze Rente 2017 gestrichen wurde – rückwirkend auf November 2006.
Zumindest teilweise erfolgreich wehrte er sich beim Luzerner Kantonsgericht, das ihm eine Viertelsrente zusprach. Ein Entscheid, den beide Parteien nicht akzeptieren wollten. Die IV-Stelle verlangte vom Bundesgericht, die Aufhebung des Rentenanspruchs zu bestätigen; der IV-Bezüger forderte ein neues Gutachten und wehrte sich gegen die Verwendung der Ergebnisse aus den Observationen.
Der Luzerner kritisiert, dass nur Momente erfasst worden seien, in welchen es ihm verhältnismässig gut gegangen sei. Ausserdem sei eine Persönlichkeitsverletzung widerrechtlich, wenn sie nicht durch das Gesetz gerechtfertigt ist. Zu einem anderen Schluss war zuvor das Kantonsgericht gekommen: Die Observierung sei rechtmässig gewesen, die dabei entstandenen Unterlagen habe die IV-Stelle verwenden und den Gutachtern zur Verfügung stellen dürfen.
Das Bundesgericht hält hingegen fest: «Ausser Frage steht sodann, dass es an einer genügenden gesetzlichen Grundlage für eine Observierung von Personen, die eine Invalidenversicherung beziehen, fehlt.» Ausserdem werde dadurch das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt, das unter anderem durch die Bundesverfassung geschützt wird. Das bedeutet aber nicht, dass die Resultate grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, heisst es im Urteil: «Nach der Rechtsprechung können die betreffenden Unterlagen indessen aufgrund einer sorgfältigen Interessenabwägung verwertbar sein.» Weiter äussern sich die obersten Richter nicht mehr zu dieser Frage, sie verweisen lediglich darauf, dass die Interessenabwägung des Kantonsgerichts unbestritten geblieben sei, wonach der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Observierten relativ bescheiden gewesen seien. Kurz: Die Beschwerde des IV-Bezügers wird abgewiesen.
Umstritten war aber vor allem auch die Frage, ob und in welcher Höhe der Luzerner weiterhin Anspruch auf eine Rente hat. Entscheidend ist dabei das Einkommen, das die Grundlage für die Berechnung bildet. Eine vermeintlich einfache Frage, die allerdings die Gerichte vor Schwierigkeiten stellt. Unklar ist etwa, ob der IV-Bezüger, der vor dem Unfall als Unterbodenleger gearbeitet hatte, sein Geld damals als Selbstständigerwerbender oder Angestellter der Firma seiner Frau verdiente und welcher Lohn ausschlaggebend sein soll. Das oberste Schweizer Gericht kritisiert, das Einkommen für die Berechnung eines allfälligen Rentenanspruchs beruhe «auf ungesicherten Grundlagen». Nun muss sich die Luzerner IV-Stelle wieder mit dem Fall beschäftigen.
Urteile: 9C_243/2018, 9C_247/2018