PH Luzern erforscht digitale Lernmittel

Wie lernen Schüler mit Youtube-Videos oder erweiterter Realität? Die PH Luzern nimmt dies unter die Lupe.

Raissa Bulinsky
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Für viele Lehrpersonen ist der Einsatz von digitalen Ressourcen wie Youtube-Erklärvideos Neuland. Dies wird nun im Rahmen des nationalen Forschungsprogramms «Digitale Transformation» untersucht. «Lehrpersonen stehen vor neuen Herausforderungen: Wie gehen sie mit der Digitalisierung um?» Das fragt sich Dorothee Brovelli, Dozentin und Prorektorin Forschung und Entwicklung der Pädagogischen Hochschule (PH) in Luzern.

Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 14. Februar 2020)

Und sie ergänzt zugleich: «Ich sehe sehr viel Potenzial darin.» Die promovierte Physikerin und Naturwissenschaftslehrerin muss es wissen, denn sie leitet das PH-Forschungsprojekt mit dem Titel «Fachdidaktische Kompetenzen von Lehrpersonen im Umgang mit digitalen Ressourcen».

«Unsichtbares wird sichtbar gemacht»

Zu den im Projekt betrachteten digitalen Ressourcen gehören neben Erklärvideos auch Anwendungen mit computergestützter Erweiterung der Realitätswahrnehmung, sogenannter «Augmented Reality». Diese seien laut Brovelli eine Chance, den Schülerinnen und Schülern verschiedene Phänomene näherzubringen. So können beispielsweise Stromkreise visualisiert werden. Oder wie beim populären «Pokémon Go»-Spiel kann durch das Smartphone eine andere Realität wahrgenommen werden, schildert Brovelli.

Die Projektleiterin denkt an ihr eigenes Studium zurück: «Ich hätte damals bestimmt stark von digitalen Ressourcen profitiert. Grad bei Experimenten, die in Schulungsräumen nicht einfach so durchführbar sind», sagt die 49-Jährige und erwähnt etwa den Blitzschlag, der Autoinsassen nichts anhaben kann (Faradaykäfig). Sie studierte Physik und Chemie, Fächer in denen viele Vorgänge nicht direkt sichtbar seien. Dies verlange viel Vorstellungsvermögen ab. «In meiner Schulzeit gab es zwar auch schon Computer und Videos, jedoch unterrichteten Lehrpersonen vorwiegend mit Kreide, Tafel und Lehrbüchern», erinnert sich Brovelli.

Ein Tablett über dem Stromkreis, den Richard Wetzel und sein HSLU-Team aufgebaut haben, eröffnet neue Dimensionen.

Ein Tablett über dem Stromkreis, den Richard Wetzel und sein HSLU-Team aufgebaut haben, eröffnet neue Dimensionen.

Bild: PH/HSLU Luzern

Stereotypen und Geschlechterrollen

Der richtige Umgang mit den computergestützten Lernmitteln sei aber nicht immer einfach. «Nur Laptops zu verteilen bereichert den Unterricht noch lange nicht», erklärt Brovelli. Lehrpersonen müssen den Einsatz der digitalen Hilfsmittel auf den Lernprozess hin einschätzen und ihre Vor- und Nachteile erkennen. Vor allem da es keine einheitliche Quelle für digitale Ressourcen gebe, sei dies von dem individuellen Ermessen der Lehrperson abhängig. Denn Schülerinnen und Schüler würden gemäss Brovellis Erfahrungen selbst nicht erkennen, wenn ein Erklärvideo qualitativ schlecht ist.

Die Dozentin betont ausserdem die Wichtigkeit, darauf zu achten, welche Stereotypen und Geschlechterrollen in Videos vermittelt werden: «Zum Beispiel, wenn Männer die Rolle des imponierenden Wissenschaftlers, Frauen die der ahnungslosen Informationsempfängerin einnehmen.» Da Brovelli bereits in Projekten zu geschlechtergerechtem Unterricht mitgewirkt hat, lege sie auch in diesem Forschungsprojekt viel Wert darauf. Brovelli:

«Gesellschaftsbilder im Unterricht sind mächtig und müssen reflektiert werden.»

Die digitalen Ressourcen werden zu Beginn des Projekts charakterisiert. Das heisst, es wird erforscht, welche Merkmale ein Video oder eine «Augmented Reality»-Anwendung zu einem guten Lernmittel machen und welche nicht. So muss beispielsweise abgewogen werden, wie das Verhältnis zwischen Unterhaltung und Lerneffekt ist. Im April 2020 fangen die Untersuchungen dazu an.

550'000 Franken für vier Jahre

In der zweiten Phase des Projekts wird der Umgang von Lehrpersonen mit den virtuellen Lernmitteln unter die Lupe genommen. «Wir wollen sehen, inwiefern PH-Studierende sowie bereits erfahrene Lehrpersonen die Kompetenz besitzen, Schwachstellen im Unterrichtsmaterial zu ermitteln», so Brovelli. Ziel des Projekts ist es, die gewonnenen Erkenntnisse direkt zur Verbesserung der Ausbildung von Lehrpersonen zu nutzen.

Für die Durchsetzung des Projekts bewilligte der Schweizerische Nationalfonds einen Forschungsbeitrag in Höhe von knapp 550'000 Franken. Die Forschungsarbeiten sollen bis März 2024 andauern. Dorothee Brovelli betreut das Projekt vor allem mit Markus Wilhelm, Leiter des Instituts für Fachdidaktik, Natur, Mensch, Gesellschaft an der PH Luzern.