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Wer abschreibt, muss an der Uni Zürich noch mehr zittern. Denn ab sofort wird dort eine neue Überprüfungssoftware eingesetzt. In Luzern verzichtet man auf das Programm – auch aus Sicherheitsgründen.
Schreiben kann ein Chrampf sein. Das wissen auch all jene, die wissenschaftliche Arbeiten verfassen müssen. Wie viel einfacher und ressourcensparender es doch ist, einzelne Sätze abzuschreiben, ja gar ganze Absätze und Passagen!
So verlockend dies auch sein mag: Ideen- und Textklau, im Jargon Plagiat, ist alles andere als ein Kavaliersdelikt – gerade in der Wissenschaft. Entsprechend hart ahnden Hochschulen und Universitäten denn auch diese Art von Betrug – auch in Luzern. Massnahmen reichen von Aberkennen einzelner Leistung bis hin zu Ausschluss von der Bildungsinstitution und Titel-Entzug.
Um das unerlaubte Abschreiben noch riskanter zu machen, hat die Universität Zürich auf Beginn dieses Herbstsemesters die Software «Plag Scan» angeschafft. Diese durchleuchtet ab sofort sämtliche Masterarbeiten und Dissertationen, welche auf dem Textarchiv Zora der Universität Zürich veröffentlicht werden. Das berichtet die Campus-Zeitung «UZH Journal». Zwar operiert man an der grössten Schweizer Universität schon seit mehreren Jahren mit verschiedenen solchen Plagiat-Softwaren. Diese sind laut Unileitung allerdings veraltet. Die neue Lösung sei nicht nur schneller (wenige Minuten für eine 30-seitige Hausarbeit), sondern weise einen weiteren gewichtigen Vorteil auf: «Plag Scan» erlaube es, die eingespeisten Daten auf den unieigenen Servern zu verwalten. Somit hat die Uni Zürich volle Datenhoheit und Kontrolle – muss keine Eingriffe, Manipulationen von Dritten befürchten. Kurzum: Sie entspricht den Uni-Standards laut Melanie Nyfeler, Pressesprecherin der Universität Zürich, «vollumfänglich».
In Luzern verorten derweil weder Uni noch Hochschule akuten Handlungsbedarf. Man nehme Plagiarismus «in all seinen Ausprägungen sehr ernst», handle es sich doch um einen «schwerwiegenden Verstoss gegen die wissenschaftliche Ethik», betont Lukas Portmann, Pressesprecher der Universität Luzern. Bereits vor zehn Jahren habe man zum Umgang mit dieser Problematik ein Merkblatt verfasst. Eine einheitliche Software-Lösung wie in Zürich strebe man allerdings nicht an.
So werden auch künftig die einzelnen Fakultäten unterschiedlich gegen Textraub vorgehen, Arbeiten entweder routinemässig mittels Software scannen, oder aber bloss bei Verdacht. Diese uneinheitliche Handhabung ist laut Portmann das Resultat der «unterschiedlichen Wissenschaftskulturen». Gemein haben aber alle Universitätsbereiche, dass das Augenmerk im Kampf gegen Plagiate auf Prävention und einem engen Betreuungsverhältnis liegt. «Bei Abschlussarbeiten verpflichten sich Studis zudem per Unterschrift, den Text eigenständig und ohne unerlaubte Hilfsmittel verfasst zu haben», zählt Portmann eine weitere Massnahme auf.
Wenig von einem flächenmässigen Software-Einsatz hält man auch an der Hochschule Luzern – wenn auch (teils) aus anderen Gründen. Davon ein besonders gewichtiger: Die erhältlichen Programme sind nicht nur teuer, sie lassen sich zudem leicht täuschen. Das sagt René Hüsler, Leiter Ressort Ausbildung der Hochschule Luzern (HSLU).
Tatsächlich: Werden Textstellen in andere Sprachen übersetzt, so erkennt dies die neue Software «Plag Scan» nicht. Das weiss man auch in Zürich – und hat sich trotzdem dafür entschieden. Solche Übersetzungsplagiate werde man weiterhin auf dem klassischen Weg aufdecken, sagt Nyfeler von der Uni Zürich, «nämlich durch die Dozierenden selbst».
Zudem könnte Plagiatssoftware ein «nicht vertretbares Sicherheitsrisiko» darstellen, weiss Hüsler von der HSLU. Etwa wenn vertrauliche Firmeninformationen in Wirtschaftsarbeiten auf externen Servern landen. Ein Grund, warum das Departement Wirtschaft den zwischenzeitlichen Software-Einsatz wieder absetzte. Ein einheitliches Vorgehen mache auch aus einem anderen Grund wenig Sinn: Die Prüfungsformen sind in den verschiedenen Studienbereichen sehr unterschiedlich – fallen gerade in Musik- und Kunststudiengängen laut Hüsler «sehr individuell» aus. Ganz abgesehen von den vielen Gruppenprojekten. Ein einziges Prüfprogramm für die ganze Hochschule? «Nicht zielführend», sagt deshalb Hüsler.
Wie virulent die Plagiatsproblematik an den Schweizer Hochschulen tatsächlich ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Selbst die Uni Zürich führt dazu keine Zahlen, kann weder Auskünfte zur konkreten Anzahl Plagiatsfälle pro Jahr machen, noch zu einem allgemeinen Trend. Man befürchtet aber, dass alleine die Fülle an online verfügbaren Quellen die Hemmschwelle hat sinken lassen.
Auch Uni und HSLU Luzern führen keine offizielle Statistik. Trotzdem ist die Rede von «einer Fallzahl im tiefen einstelligen Bereich pro Semester» (Uni), respektive von «maximal zwei Plagiatsfällen pro Jahr» (Hochschule). Das lässt mindestens zwei Schlüsse zu: Entweder sind Studis in Luzern besonders ehrlich – oder aber besonders gerissen.